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Abseits der großen Namen - der "big five": Andreas von Regensburg, Ebran, Füetrer, Arnpeck und Aventin - gibt es auf dem Feld der Erforschung der spätmittelalterlichen bayerischen Geschichtsschreibung mitunter erhebliche Forschungslücken. Auch hat man manchmal den Eindruck, dass im 19. Jahrhundert eher Unwichtiges ediert wurde, während Wichtiges unbeachtet blieb. So verhält es sich im Fall des Wittelsbacher-Hausstifts Indersdorf, eines im 12. Jahrhundert gegründeten regulierten Chorherrenstifts, das nach dem Anschluss an die Raudnitzer Reform ( um1417?) zu einem Mittelpunkt der Ordensreform in Bayern wurde. [1]

Da es mir nicht möglich war, die Indersdorfer Amtsbücher im Bayerischen Hauptstaatsarchiv einzusehen, kann ich nicht für mich in Anspruch zu nehmen, dass meine aus der mir online oder gedruckt zugänglichen Literatur erstellten Notizen ein zuverlässiges Bild der Indersdorfer Geschichtsschreibung präsentieren. Sie sollen dazu ermuntern, die historiographischen Primärquellen endlich einmal genauer zu untersuchen. Eine Anfrage bei dem wohl besten Kenner der Stiftsgeschichte, Professor Wilhelm Liebhart, blieb erfolglos. [2]

1. München, Hauptstaatsarchiv, Klosterliteralien Indersdorf 1

Eine moderne Beschreibung dieser wichtigen Handschrift existiert nicht. Wenig ergiebig ist der Eintrag in: Die Zeit der frühen Herzöge. Katalog (1980), S. 42 Nr. 49: Lit. 1, Pergamenths., im 15. Jh. angelegt: “Den Kern bilden Beiträge zu einer Stiftschronik, Verzeichnisse von Schenkungen und Nekrologe”. Dagegen datiert Müller [3]: 13.-15. Jh. Etwas ausführlicher charakterisierte den Band Graf Hundt [4].

Historiographische Notizen aus dem Band edierte Philipp Jaffé 1861 als "Annales et Notae Undersdorfenses" (MGH SS 17, S. 332f.) [5]. Von zwei Händen des 15. Jahrhunderts auf den Hinterdeckel geschrieben, betreffen die "Annales" die Jahre 1180-1322, 1472. Als "Notae" wurde eine Auswahl von lokalgeschichtlichen Notizen am Rand des Nekrologs abgedruckt: 1173, 1430-1483. Die "Geschichtsquellen" dekretieren (ohne dass dies ihre Aufgabe wäre): "inhaltlich wenig bedeutend" [6].

Interessanter erscheint jedenfalls die lateinische Fundatio ab Bl. 72v, die Moeglin 1985 im Kontext seiner Studien zur Wittelbacher- Genealogie analysierte und in die 1430er Jahre datierte [7]: "sciendum de fundatore nostri monasterii Undensdorff sicut quod in diversis principum cronicum legitur" (zitiert nach Moeglin S. 101).

Im Cgm 735, einer 1472/82 entstandenen Handschrift des Augsburger Berufsschreibers Konrad Bollstatter, fand Moeglin eine deutschsprachige Version der Indersdorfer Fundatio, eine "Tafel von Oberwittelsbach", die er als Quelle für Veit Arnpeck erweisen konnte. [8]

Erwähnt sei noch, dass nach Hundt die Reihe der Pröpste "cum eorum gestis" mit dem Tod Ulrichs IV. Schirm 1479 endet. Virgil Redlich hat die Indersdorfer Chronik in dieser Handschrift für die Vita des nach Tegernsee übergetrenen Bernhard Waging herangezogen (Bl. 62r und folgende) [9].

2. München, Hauptstaatsarchiv, Klosterliteralien Indersdorf 4

In dieser Handschrift befindet sich nach Fürbeth [10] um Blatt 10 eine auf drei Blättern eingetragene kurze lateinische Chronik über die Rolle Indersdorfs in den Klosterreformen Herzog Albrechts III.

Wilhelm Liebhart druckte aus KL 4 in der Heimatzeitschrift Amperland 1982 einen kurzen, von ihm um 1460 datierten deutschsprachigen Bericht über die Anfänge der Wallfahrtskapelle Rothschwaige ab [11].

3. München, Hauptstaatsarchiv, Klosterliteralien Indersdorf 7

Aus dieser Handschrift Bl. 18v-20r stammt der kostbare deutsche Bericht über den Reformer Johannes von Indersdorf (gestorben 1470 [12]), den Bernhard Haage 1969 edierte (Wiederabdruck danach bei Haberkern 1997, S. 214-217) [13]. Beide haben nicht im mindesten beachtet, was damals bereits als selbstverständlich gelten musste: Dass man eine Quelle, aus der man einen Auszug veröffentlicht, mit ihren Grunddaten präsentiert. Liebhart spricht in seinem bereits genannten Heimatzeitschriften-Aufsatz mit Blick auf KL 7 von einer 1516 vollendeten Klosterchronik (Anm. 14). Gern wüsste man Näheres über den Überlieferungszusammenhang des Berichts.

Die von einem Vertrauten Johanns verfasste Vita ist als deutschsprachiger literarischer Reflex der Ordensreform wertvoll, wurde aber bisher nur als Faktensteinbruch zum Leben Johanns genutzt. Ihre quasi-hagiographische Stilisierung wurde bislang nicht beachtet.

4. Weitere Klosterliteralien

1982 nannte Liebhart in einem Übersichtsartikel im Amperland [14] als Quellen zur Geschichtsschreibung des Klosters die Klosterliteralien 1, 4, 6, 7, 11, 12, 13 - ohne weitere Angaben. In seinem kaum aufgrund von Autopsie gearbeiteten, wenig erhellenden Artikel zu den lateinischen Indersdorfer Handschriften nennt Haberkern auch fünf Klosterliteralien als "Handschriften" (die römische Ziffer bezeichnet offenkundig die Datierung) [15]:

1 XIII/XVI
2 Kalendar XIV
4 Chronik XV
5 Kalendar XV
146 Statuta XV

5. Indersdorfer Kopialbuch, München, Staatsbibliothek, Cgm 1515

Die kurzen historischen Notizen aus dem in das zweite Viertel des 15. Jahrhundert zu datierenden Amtsbuch Bl. 6v-9ra hat Karin Schneider 1991 knapp charakterisiert. [16] Von ihr erfährt man, anders als bei den bisher genannten Autoren, tatsächlich, was es sich über die Handschrift zu wissen lohnt. Nicht anders ist eine Beschreibung der archivisch verwahrten Amtsbücher zu wünschen.

6. Sammelband, München, Staatsbibliothek, Cgm 5482

Eine umsichtige Beschreibung legte 2009 Elisabeth Wunderle vor [17]. Der Codex, der hinsichtlich des Indersdorfer Teils aus dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts stammt, ist online (Link verweist auf den Beginn des Indersdorfer Teils):

http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00008862/image_54

Die Fundationes der Klöster stehen der Chronik Veit Arnpecks nahe [18]. Sie fehlen im Aufsatz zu den Fundationes monasteriorum Bavariae, den Alois Schmid 1987 vorlegte. Allerdings nicht ganz, denn der von Hundt 1862 erwähnte Sammelband im Reichsarchiv, den Schmid für "nicht auffindbar" hielt [19], ist kein anderer als der früher im Reichsarchiv befindliche Cgm 5482!

***

ANMERKUNGEN

[1] Siehe den geschichtlichen Überblick

http://www.hdbg.eu/kloster/web/index.php/detail?id=KS0153

und den Abriss der Klostergeschichte bei Ernst Haberkern: Funken aus alter Glut. Johannes von Indersdorf: Von dreierlei Wesen der Menschen (1997), S. 235-273.

Kritisch zum Datum 1417 siehe Horst Miekisch: Das Augustinerchorherrenstift Neunkirchen am Brand. Diss. Bamberg 2006, S. 165 Anm. 851.

http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:bvb:473-opus-929

Online ist die barocke Darstellung der Stiftsgeschichte von Gelasius Morhart 1762:

http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb11083252-5

[2] Mit Mail vom 7. August 2014 teilte Liebhart, dem ich meine kleine Sammlung übermittelt hatte, mit, seine Forschungen lägen auf Eis. Er machte nur auf die für die Geschichtsschreibung durchaus irrelevanten Titel von Brinkhus und Haberkern (Monographie 1997 und Auszug daraus im Katalog Das Augustinerchorherrenstift Indersdorf, 2000) aufmerksam. Vor allem die Empfehlung des von mir käuflich erworbenen Buchs von Haberkern hätte er sich sparen können. Haberkern trägt kaum etwas Substantielles zur Forschung über Johannes von Indersdorf bei und arbeitet zu gern aus zweiter Hand.

[3] Michael Müller: Die Annalen und Chroniken im Herzogtum Bayern 1250-1314 (1983), S. 244.

[4] Urkunden des Klosters Indersdorf 1 (1863), S. XXf.

http://books.google.de/books?id=qSA3AAAAYAAJ&pg=PR20

und etwas ausführlicher in der Schrift über das Kloster Scheyern 1862, S. 48f.

http://books.google.de/books?id=Vj9UAAAAcAAJ&pg=PA48

[5] http://www.mgh.de/dmgh/resolving/MGH_SS_17_S._332

[6] http://www.geschichtsquellen.de/repOpus_00437.html

[7] Jean-Marie Moeglin: Les Ancêtres du Prince (1985), S. 101-105, 268

[8] Beschreibung Karin Schneiders:

http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/katalogseiten/HSK0046_a189_JPG.htm

http://www.handschriftencensus.de/6357

[9] Virgil Redlich: Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte im 15. Jahrhundert (1931), S. 113, 137.

[10] Frank Fürbeth: Johannes Hartlieb (1992), S. 17. Auszug:

http://books.google.de/books?id=X-AZmEqwvdoC&pg=PA17

Haberkern 1997, S. 255 Anm. 702 bezieht sich auf Bl. 10-11 (fälschlich als "Urkunde" bezeichnet) von KL 4. Meist zitiert er Primärquellen aus zweiter Hand, so wohl auch hier, aber an der angegebenen Stelle bei Riezler Bd. 3, S. 828 steht nichts, was Haberkerns Angaben zu KL 4 belegen könnte:

https://archive.org/stream/RiezlerGeschichteBaiernsBd3/Riezler%20Geschichte_Baierns_Bd_3#page/n823/mode/2up

[11] http://www.zeitschrift-amperland.de/download_pdf.php?id=620

[12] GND:

http://beacon.findbuch.de/seealso/pnd-aks?format=sources&id=119441721

[13] Bernhard Haage: Johannes von Indersdorf in der zeitgenössischen Chronik seines Klosters. In: Leuvense Bijdragen 58 (1969), S. 169-174. Der gemeinfreie Text S. 170-174 steht online zur Verfügung:

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Haage_indersdorf_gekuerzt.pdf

Miekisch S. 164 gibt ein längeres Zitat aus der Handschrift leicht abweichend wieder.

Bernhard Haage: Der Traktat 'Von dreierlei Wesen der Menschen', Diss. Heidelberg 1968, S. 101 erwähnte die Lebensbeschreibung unter Bezugnahme auf die mir gerade nicht zugängliche Freiburger Dissertation von Eugen Gehr (Die Fürstenlehren ... 1926, S. 49).

[14] http://www.zeitschrift-amperland.de/download_pdf.php?id=595

[15] Ernst Haberkern: Die lateinischen Handschriften des Augustiner-Chorherrenstifts Indersdorf. Ein Gang durch eine mittelalterliche Bibliothek. In: Mittellateinisches Jahrbuch 38 (2003), S. 51-88, hier S. 66 Anm. 20.

[16] http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/katalogseiten/HSK0189_a193_JPG.htm

[17] http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/projekt-BSB-cgm-pdfs/Cgm%205482.pdf

[18] Veit Arnpeck: Sämtliche Chroniken. Hrsg. von Georg Leidinger (1915), S. 195 zu Indersdorf:

https://archive.org/stream/VeitArnpeckSaemtlicheChroniken#page/n335/mode/2up

[19] In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im späten Mittelalter (1987), S. 591 mit Anm. 74.

Nachtrag von Herrn Liebhart (Mail 4.12.2014): "Nachtrag zur frühneuzeitlichen Geschichtsschreibung mit Rückgriffen:

Peter Dorner: Indersdorfer Chronik (Publikationen der Akademie der Augustiner-Chorherren von Windesheim 5). Paring 2003.
ISBN 3-936197-01-6 "

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