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Bücher gegen Bilder

Es sollen Handschriften verkauft werden, um den öffentlichen Sammlungen die wertvollen Kunstschätze des Hauses Baden zu sichern (F.A.Z.-Feuilleton vom 27. September). Mit diesem Vorschlag konnte der im Vergleich zu Manuskripten größeren Bekanntheit von Bildern Rechnung getragen, zugleich aber auch unterstellt werden, es handle sich bei dem zu verhökernden Bestand der Badischen Landesbibliothek lediglich um verstaubte Bände, die eigentlich nur ergraute Spezialisten zu interessieren hätten. Wieweit die zu einem großen Teil im Zuge der Säkularisation am Anfang des 19. Jahrhunderts aus den Klöstern in die Großherzogliche Hofbibliothek und spätere Landesbibliothek gelangten Handschriften tatsächlich als Besitz des Hauses Baden zu behandeln sind, mögen Juristen entscheiden. Den Entscheidungsträgern, die dem Verkauf einer solchen Sammlung zustimmen, muß jedoch bewußt sein, was für ein immens wichtiges kulturelles Erbe hier zerstört wird. Es geht unter anderem um Spitzenstücke des Reichenauer Klosters aus der karolingischen und ottonischen Zeit, die Zeugen einer für die damalige Geschichte des Reiches einzigartigen Text-, Schrift- und Buchmalereikultur sind. Als nicht minder wichtig müssen selbst die weniger bekannten Provenienzen gelten, zu denen insbesondere St. Peter im Schwarzwald zu zählen ist. Der unersetzliche Bestand, zu dem auch so prachtvoll ausgestattete Zimelien wie die Evangelistare von St. Peter und dasjenige von Speyer gehören, ermöglichen es, in einer einzigen Sammlung die subtilen Varianten jener Miniaturmalerei zu verfolgen, die um 1200, am Übergang von der Romanik zur Gotik, neue Formen des Bildverständnisses entwickelt. Der Bücherschatz umfaßt zudem wichtigste Referenzwerke der oberrheinischen Buchmalerei vom 12. bis zum 15. Jahrhundert. Sie stammen überwiegend aus Klöstern der Region, sind aber nicht einfach badischen Ursprungs, sondern sind zum Teil im Elsaß, in Basel oder am Hochrhein entstanden und überliefern uns eine so enge Verflechtung von Wissen, Frömmigkeit und Bildgestaltung, wie sie an keinem anderen Ort der Welt zu finden ist. Auch wenn dem Vernehmen nach gewisse Highlights erhalten bleiben sollen, zeugt die Absicht, eine solche Sammlung auseinanderzureißen, von einem bisher nicht für möglich gehaltenen Unverständnis der eigenen Kultur und ihrer Geschichte.

Professor Dr. Lieselotte E. Saurma,
Universität Heidelberg

Leserbrief FAZ 28.9.2006, S. 10
 

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