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Wichtige Ausführungen bringt die Badische Zeitung von heute (2.10.):

[...] 3600 Handschriften,
2000 Musikskripte, 1300 frühe Drucke wird eine "Projektgruppe"
auf Verkäuflichkeit prüfen. Kenner geben zu bedenken, dass der
Markt die Masse, die zu verauktionieren wäre, nicht verkraften —
dass der Aderlass zu einem Einbruch der Preise führen werde.
Was und wie viel da letztendlich aus dem Bestand herausfallen
soll, darüber sieht man sich in der Landesbibliothek noch völlig im
Ungewissen.

Von der kulturgeschichtlichen Substanz, die hier in Frage steht, ist
von Landesseite nur in Beschwichtigungsformeln die Rede. Es
werde beteuert, sagt Ute Obhof, die Leiterin der
Handschriftenabteilung, dass nichts weggehen werde, was von
Bedeutung für die Badische Geschichte sei. Dem hält sie klipp und
klar entgegen: "Wir haben keine Bücher, die mit Baden nichts zu
tun haben." Die "Badenklausel" sieht sie als durchsichtiges
Manöver — eine Stuttgarter Beruhigungspille. Bücher, erklärt sie
ihren Standpunkt, haben ihre "Schicksale" , die sich ihnen
aussagekräftig eingravieren. Bücher kann man als Dokumente ihrer
eigenen Geschichte verstehen. Sie müssen gar nicht
Landesgeschichte zum Inhalt haben, nicht unbedingt hier zu Lande
entstanden sein — allein dadurch, dass und wie sie hergekommen
sind, sind sie von regionalhistorischem Zeugniswert. In Büchern
zum Beispiel bilden sich Lebens- und Bildungswege von
Persönlichkeiten ab, die im Land eine Rolle spielten. Ein intimes
Stück Baden-Geschichte stellt in der Karlsruher
Handschriftensammlung auch jenes Stundenbuch dar, das ein
Augsburger Maler im Jahr 1520 für den Markgrafen Kasimir von
Brandenburg-Ansbach-Kulmbach und seine Frau Susanna
ausmalte. Eine Tochter des Paares, Kunigunde, heirate den
badischen Markgrafen Karl II. und brachte die prächtig bebilderte
Gebetsammlung mit in die Ehe. Ihr Bruder Albrecht, der als
"fürstlicher Mordbrenner" unrühmlich in die Geschichte einging,
verlebte in Pforzheim Jahre des Exils, wo sich die badische
Verwandtschaft bemüht haben soll, ihn christlich zu läutern.

Die Geschichte der badischen Hofbibliothek begann in der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts. Der älteste bekannte Band in
Markgrafenbesitz ist das Stundenbuch Christoph I., das wohl um
1490 in Paris entstand. Eine ungeheure Zahl von Codices, auch
aus weit früherer Zeit, kam Anfang des 19. Jahrhunderts mit der
Säkularisation in die Bibliothek. Mehr als 1000 Jahre
Klostergeschichte sind seitdem darin vereinigt, ein ganzer
Handschriftenschatz von der Insel Reichenau dabei: liturgische
Schriften, Texte der Kirchenväter, frühmittalterlicher
Kirchenschriftsteller und die "Gesta Witigowonis" auch, die
Biografie eines Reichenauer Abts vom Ende des 10. Jahrhunderts.
Aus St. Peter kamen Schätze in die Hofbibliothek, aus St. Blasien,
St. Georgen, dem Hochstift Speyer. Und was aus Klöstern war,
war nicht ausschließlich fromme Lektüre. Die Konvente sind Orte
des Wissens und der Wissenschaft gewesen. Was dort studiert
und gedacht wurde, ist in den Schriften gegenwärtig.
1872 wurde die Bibliothek, der dies alles eingelagert war, aus der
Hofverwaltung ausgegliedert, damit verstaatlicht; 1918 wurde sie
Landesbibliothek. Was die Schriftensammlung, zumal in ihren
ältesten Teilen, ausmacht, kann man ein Porträt einer
Kulturlandschaft nennen. Die Sammlung selbst wie ein großes
Buch ansehen, in dem die Kulturgeschichte an Oberrhein und
Bodensee umfänglich aufgezeichnet und für Nachwelt und
Nachforschung greifbar ist. Dies soll nun in Einzelteile zerfallen.
Das Land mit seinem vom Feuilleton sich missverstanden
fühlenden Landeschef will wie ein Händler verfahren, der in einem
reich illustrierten Buch nichts als einen profitablen Haufen Bilder
sieht, es zerschneidet und die Ware auf den Markt wirft. Es werden
ja "Pakete von Schriften" bleiben, sagt Peter Frankenberg. Da
redet der Wissenschaftsminister aber von nichts anderm als
Trümmern.
 

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