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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.10.2006, Nr. 230, S. 22

Briefe an die Herausgeber

Eine schmerzende Wunde

Zum Artikel "Kuhhandel mit Büchern" von Rose-Maria Gropp (F.A.Z. vom 22.
September): Mit blankem Entsetzen haben wir vernommen, das Land
Baden-Württemberg plane, Handschriften aus der Badischen Landesbibliothek zu
verkaufen, die vor allem aus säkularisierten Klöstern stammen. Da zumindest eine
der nun gefährdeten Handschriften von einem Ettaler Benediktinermönch des späten
Mittelalters geschrieben wurde, sehen wir uns als Geschädigte an, wenn auch
andere Klöster, wie zum Beispiel die Abteien Reichenau, Lichtental und St.
Peter, erheblich stärker betroffen sind. Die Säkularisierung unserer Klöster
mitsamt ihrer Bibliotheken vor rund zweihundert Jahren stellt noch immer eine
schmerzende Wunde dar. Dies ließe sich jedoch partiell verschmerzen, wenn die
enteigneten Bibliotheksbestände weiterhin in unserem Land vereint blieben und
für die wissenschaftlich interessierte Öffentlichkeit zugänglich wären. Das ist
der Badischen Landesbibliothek seit Jahrzehnten gelungen. Die wissenschaftliche
Erschließung der klösterlichen Handschriften, ihre Präsentation bei
Ausstellungen und ihre sowohl sachgerechte als auch ehrfurchtsvolle Bewahrung
haben wir der hohen Fachkompetenz und der geradezu asketisch- sorgfältigen
Arbeit der badischen Gelehrten - derzeit allen voran ihrer Leiterin Dr. Ute
Obhof - zu verdanken. Das Ensemble der Karlsruher Handschriften stellt in seiner
Ganzheit ein Zeugnis für das geistige Leben im Bodenseeraum und am Oberrhein
über mehr als ein Jahrtausend hin dar und ist damit in Ergänzung zu den
Stiftsbibliotheken Einsiedeln und St. Gallen ein Kulturgut ersten Ranges. Die
Karlsruher Handschriften sind Zeugnis einer klösterlichen Kultur, die aus dem
Umgang mit geistlichen und weltlichen Texten entstanden ist. Ihre Bedeutung
gründet in der benediktinischen Synthese von Gebet (oratio), Arbeit (labor) und
Lesung (lectio), die über unsere Klöster hinaus das Abendland kulturell geprägt
hat und es auch heute noch vermag. "Im Weinberg des Textes" (Ivan Illich), so
lautet der Titel eines Werkes zur klösterlichen Buchkultur - dieser Weinberg
droht nun verwüstet zu werden.

Abt Barnabas Bögle OSB, Pater Prior

Maurus Kraß OSB, Abtei Ettal

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.10.2006, Nr. 230, S. 22

Briefe an die Herausgeber

Veruntreuung von Staatseigentum

Der Streit um den badischen Kulturbesitz und der abenteuerliche "Kompromiß", den
der baden-württembergische Ministerpräsident glaubte eingehen zu dürfen, haben
ihre Ursache in der ignoranten Mißachtung der Erkenntnisse, welche in Fällen
solcher und ähnlicher Art die Rechtsgeschichte ermöglicht. Es gibt
Rechtsverhältnisse, deren Wurzeln weit in die Vergangenheit zurückreichen und
die nur unter Berücksichtigung des damals geltenden Rechts richtig zu beurteilen
sind. Aber weil die große Mehrzahl unserer Juristen davon keine Ahnung mehr hat
und viele irrigerweise meinen, es gebe da keinen methodisch sicheren Weg zu
klaren Lösungen, sucht man sein Heil in Verhandlungen und Vergleichen.
Privatpersonen mögen so verfahren. Der Staat darf es nicht. Die Veräußerung der
Handschriften aus der Badischen Landesbibliothek zur Befriedigung angeblicher
privater Ansprüche wäre nichts anderes als eine Veruntreuung von Staatseigentum
und müßte entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen. Denn Ministerpräsident
Oettinger weiß es ja besser. Seit langem liegt ihm das von Siegfried Reicke
angefertigte Gutachten vor (Reicke hat 1967 die Rechtslage so objektiv wie
möglich und richtig geprüft), aus dem sich klar das Eigentum des Landes an den
fraglichen Bibliotheksbeständen ergibt - ganz im Sinne des Gedankenganges von
Reinhard Mußgnug (F.A.Z. vom 29. September). Der Verfasser dieser Zeilen hat
1967 an den Arbeiten für dieses Gutachten als wissenschaftlicher Assistent am
Institut für geschichtliche Rechtswissenschaft in Heidelberg mitgewirkt. Er kann
aus eigenem Erleben berichten: Der hochanständigen und noblen Persönlichkeit
Siegfried Reickes lag die Erstattung eines einseitig argumentierenden
Parteigutachtens zu gunsten des Staates völlig fern. Er war auch frei von allen
Ressentiments gegenüber den ehemals regierenden deutschen Herrscherhäusern und
jederzeit bereit, diesen zu geben, was ihnen rechtmäßig zusteht. Aber das vom
Ministerpräsidenten beschriebene Szenarium eines unwägbaren Kostenrisikos im
Falle eines Rechtsstreits existiert nicht. Das Risiko eines Prozesses zwischen
Land und Haus Baden würde ganz eindeutig bei letzterem liegen. Der Markgraf
sollte den Realitäten ins Auge blicken. Dem Schloß Salem muß auf anderen Wegen
geholfen werden.

Professor Dr. Dietmar Willoweit,

Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München
BCK meinte am 2006/11/08 05:15:
Für staatliche Zwecke bestimmt
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.11.2006, Nr. 259, S. 8
Briefe an die Herausgeber

Zu den Berichten "Kuhhandel mit Büchern" und "Beutekunst" (F.A.Z. vom 22. und 27. September): Man greift sich an den Kopf. Das Land Baden-Württemberg, das erst vor einigen Jahren die Fürstlich Fürstenbergische Büchersammlung Donaueschingen für fast 50 Millionen Mark vor dem Ausverkauf gerettet, das später allein für eine Handschrift des Nibelungenliedes 10 Millionen Euro lockergemacht hat, wollte eine der wertvollsten Sammlungen Deutschlands zerschlagen. Der Eigentumsanspruch der markgräflichen Familie gegen das Land Baden-Württemberg ist unbegründet. Warum das Finanzministerium in Stuttgart überhaupt darauf eingeht, ist nicht zu verstehen. In dem Beitrag wird das Ministerium mit der Aussage zitiert: "Was 1919 Eigentum des Großherzogs war, ist das Eigentum seiner Erben geblieben." Ein Teil der wertvollen Handschriften, um die es geht, sind aufgrund des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 (RDHS) aus den oberrheinischen Klöstern nach Karlsruhe geschafft worden. Paragraph 35 RDHS bestimmt, wozu die Landesherren die ihnen zugewiesenen Güter zu verwenden haben. Aus der dort genannten Zweckbestimmung "für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten" ergibt sich, daß die Güter für staatliche Zwecke im heutigen Sinne, nicht für private Zwecke der fürstlichen Familien bestimmt waren. Das bedeutet, daß die fürstliche Familie 1803 kein Privateigentum an den Gütern erworben hat und folglich auch 1919 keines hatte. Das Eigentum steht vielmehr dem Staat zu. Fassungslosigkeit bleibt nach der zynischen Äußerung des Ministerpräsidenten Oettinger: "Die Kritik kommt im Kulturteil der Zeitungen, nicht auf den Wirtschaftsseiten." Als Mitglied der CDU, das sich jahrzehntelang aktiv für die Ideale dieser Partei eingesetzt hat, schäme ich mich für das Verhalten und die Worte eines ihrer führenden Repräsentanten.

Professor Dr. Engelbert Plassmann,
Bochum 
 

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