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Heute vor 495 Jahren wurde Sibylle von Cleve in Düsseldorf geboren.
Mit ihr "ist die Historia von der schönen Magelona verbunden, denn als im Jahre 1527 Johann Friedrich und Prinzessin Sibylle von Cleve mit einem großen Fest den Bund der Ehe eingingen, erhielten sie sehr wahrscheinlich vom ehemaligen sächsischen Prinzenerzieher Veit Warbeck eine Übersetzung des französischen Liebes- und Ritterromans "Ein sehr lustige histori von dem Ritter mit den silbern schlüsseln und der schonenn Magelonna, fast lieplich zu lesenn ..." geschenkt. Warbecks Handschrift von 1527 wird in der Forschungsbibliothek Gotha aufbewahrt.

Der Roman handelt von der Liebe zwischen dem Grafensohn Peter und der Königstochter Magelone. Da Magelone einem anderen Manne versprochen ist, fliehen sie vom neapolitanischen Hof. Auf einer Rast schläft Magelone in den Armen ihres Ritters ein, er ist von dem Anblick so überwältigt, dass er ihr Kleid öffnet und zwischen ihren Brüsten seine ihr als Liebespfand geschenkten Ringe findet, die
in just diesem Moment von einem Raben gestohlen werden. Peter nimmt die Verfolgung auf und gerät durch allerlei Zufälle in den Orient an den Hof des Sultans von Babylonien.

Als Magelone aufwacht, überantwortet sie sich der Führung Gottes, geht als Pilgerin nach Rom und dann zu Peters Eltern. Nachdem man im Bauche eines großen Fisches die Ringe wiederfand und daraus den Tod Peters schloss, gründet Magelone auf einer Insel ein Spital und eine Kirche, die sie in Erinnerung an ihren Geliebten St.Peter nennt.

Peter ist derweil von dem ihn väterlich liebenden Sultan zu höchsten Ämtern ausersehen. Doch quälen ihn die Gedanken an die verlorene Geliebte, und er darf mit einem reichen Schatz ausgestattet heimziehen, verliert den Schatz jedoch auf einer Insel eben jener Insel der Magelone, wo sie ihn zum Ausbau ihres Spitals verwendet. Später gerät Peter als kranker Pilger dorthin zurück, wird von Magelone gepflegt, und sie erkennt ihn aus seiner Lebenserzählung als ihren Geliebten wieder. Sie feiern Hochzeit und leben noch viele Jahre glücklich in ihren Ländern.

Der Märchenstoff der Magelone geht auf Erzählungen aus dem Umkreis von 1001 Nacht zurück und ist über Südeuropa nach Frankreich gelangt, wo 1453 der anonyme Ritterroman Pierre de Provence et la belle Maguelonne entstand. Veit Warbeck (vor 1490-1534), langjähriger Berater und Diplomat des Kurfürsten Friedrich des Weisen sowie Weggefährte Luthers und Spalatins, hat sich bei seiner Übersetzung im Wesentlichen an die französische Vorlage gehalten, sie aber in protestantischem Sinne bearbeitet. Motive der Handelnden sind Liebe und Treue, Ritterlichkeit, Barmherzigkeit und Gottesfurcht. Veit Warbeck hat eben diese Tugenden dem Hochzeitspaar Johann Friedrich und Sibylle gewünscht. Wie wir heute wissen, haben beide in ihrer Lebensführung diesen Tugenden sehr wohl entsprochen. Der Briefwechsel beider während der fünfjährigen Gefangenschaft Johann Friedrichs ist ein Zeugnis ihrer innigen Liebe. (...)"


Soweit ein Auszug aus einem Beitrag von Erdmann von Wilamowitz-Moellendorff von der Herzogin Anna Amalia Bibliothek für die Wochenendbeilage der Thüringischen Landeszeitung vom 06.11.2004.

Sibylle von Cleve war die älteste Tochter von Herzog Johann III. von Kleve (1490-1539) und der Maria von Jülich-Berg (1491-1543), der Erbtochter von Herzog Wilhelm IV. von Jülich-Berg (1455-1511). Sibylle wurde 1512 geboren, drei Jahre später ihre jüngere Schwester Anna, die später die vierte Frau von Heinrich VIII. werden sollte. Zur Wahl von Anna hatte ein angeblich geschöntes Porträt von Holbein d.J. beigetragen. Die Ehe wurde nie vollzogen und ein halbes Jahr später anulliert (Anna fügte sich, blieb in England und überlebte Heinrich und alle seine Frauen.)

Das Haus Kleve pflegte offenbar eine ausgeprägte Heiratspolitik. Schon im Kindesalter wurde für Sibylla eine Verbindung mit den Wettinern angestrebt, die sich wg. anderweitiger Heiratspläne der Wettiner in Richtung des Hauses Habsburg zunächst aufgegeben wurde. Nachdem sich diese Pläne zerschlagen hatten, wurde die Verbindung des sächsischen Kurprinzen mit dem Haus Cleve-Berg doch noch in die Tat umgesetzt. Motivische Parallelen zur Erzählhandlung der Schönen Magelone in der Übertragung des aus Schwäbisch-Gmünd stammenden Veit Warbeck sind augenfällig, weitere Bezüge bieten die ausgedehnten Turnierschilderungen, die der Turnierleidenschaft des Sachsen korrespondieren und natürlich die Schönheit der bei Ihrer Heirat erst 15-jährigen Prinzessin, von deren Liebreiz das 1526 entstandene Brautbild Lucas Cranach d.Ä. der Kunstsammlungen Weimar zeugt (als Doppelporträt ausgeführt. Die politische Funktion für das höfische Publikum ist offenbar: Beweis der Wirksamkeit einer höheren Ordnung, Warbecks Übersetzungsarbeit "ein literarisches Kabinettstück zur Verklärung einer zwar konsequenten, aber etwas erklärungsbedürftigen Heiratspolitik" (Martin Mostert, in: Katalog zur Ausstellung "Veit Warbeck und die kurzweilige Historia von der schönen Magelone" im Prediger, Schwäbisch-Gmünd 15.12.1985-9.3.1986). Der Stoff wurde später zu einem Volksbuch und in der Romantik von Tieck nachgedichtet (mit eingestreuten Liedern, die von Brahms vertont wurden, vgl. CD-Cover. 31000 Menschen kamen im Juni 1527 nach Torgau an der Elbe, um neun Tage lang die Hochzeit des 24-jährigen Kurfürsten Johann Friedrich dem Großmütigen und der 15-jährigen Sibylle von Jülich-Cleve zu feiern, auch ein großes Turnier gehörte dazu.

20 Jahre später unterliegt der Wittenberger Johann Friedrich von Sachsen während des Schmalkaldischen Krieges in der Schlacht bei Mühlberg 1547 gegen seinen Vetter Herzog Moritz von Sachsen, der sich von den protestantischen Reichsfürsten abgewandt und dem Söldnerheer Kaiser Karls V. angeschlossen hatte, verlor dadurch die Kurwürde und geriet für einige Jahre in Gefangenschaft. Nach der Schlacht bei Mühlberg übergab Sibylle Wittenberg am 24. Mai 1547 dem Kaiser, der ihr dafür große Hochachtung zollte und zog sich nach Weimar zurück (da war sie 35). Ihre Bitten um Erleichterung der Gefangenschaft ihres Gemahls, mit dem sie einen lebhaften Briefwechsel unterhielt, blieben erfolglos. Das Sibylle zugeschriebene Klaglied "Ach Gott, mich tut verlangen / nach dem der jetzt gefangen / dem liebsten Fürsten mein" findet sich auch in der Heidelberger Liederhandschrift (Nr. 62); es wird mit weiteren Belegen versehen von Albrecht Classen im Jahrbuch für Volksliedforschung 44.1999, S. 34-67 ("Neuentdeckungen zur Frauenliteratur des 15. und 16. Jahrhunderts: Beiträge von Frauen zu Liederbüchern und Liederhandschriften, ein lang verschollenes Erbe") besprochen (S. 49-52). Erst 5 Jahre später konnten beide in Coburg im September 1552 ein rührendes Wiedersehen feiern. Beide starben nur 2 Jahre später im Abstand von 14 Tagen. Beide ruhen in der Stadtkirche zu Weimar. Ein sehr lebendiges biographisches Porträt der Sibylle von Cleve zeichnet der frühere Bürgermeister von Kleve, Dr. Josef Stapper im Webportal der Stadt, näheres möge man dort bitte nachlesen.

Sowohl Lucas Cranach d. Ä. wie auch sein Sohn haben die beiden mehrfach gemalt, oft zur gleichen Zeit als Doppelporträts. Diese Bilder haben ihr eigenes Schicksal und waren Gegenstand spektakuläter Kunstraube. Am 11./12. Oktober 1992 wurde Sibylle von Cleve zusammen mit Martin Luther, Katharina von Bora und weiteren vier Cranach-Porträts aus der Schlossgalerie geraubt. Nur drei Wochen später konnten die Gemälde unter abenteuerlichen Umständen auf einem Baumarkt bei Göttingen Hehlern abgenommen werden. Der Weimarer Journalist Bernhard Hecker schilder diesen größten Raub der Weimarer Kriminalgeschichte in einer Sammlung historischer Kriminalfälle unter dem Titel "Tatort Klassikerstadt". Von den Kunstdieben selbst aber fehlt bis heute jede Spur - ja, wenn Sibylle erzählen könnte, was sie in drei Entführungswochen erlebt hat ... Dieser Fall ging trotz der unglaublichen Schlamperei des Wachmanns ("Mer hats reschelrescht de Kraft gelaehmt", TAZ Nr. 3833 vom 14.10.1992 Seite 5) nochmal gut. Anders sah es aus mit dem kleinen Tafelbild (21 x 15,5) der Sibylle, das Lucas Cranach d. J. malte und das 1995 auf der Markgrafenauktion im neuen Schloss zusammen mit seinem Gegenstück, dem Bildnis des Kurfürsten Johann Friedrich, versteigert werden sollte. "Bei der Vernissage waren etwa 3500 Leute. Das Bild in Größe einer Handspanne lag in einer aufklappbaren Vitrine zusammen mit etwa 20 Silberobjekten. Als der zuständige Mitarbeiter sie für einen Händler aufschloss, muss [der Dieb] gezielt den Deckel hochgehoben und das Holztäfelchen herausgenommen haben." (Christoph Graf Douglas) Ein Kollateralschaden der Markgrafenauktion. Niemand hatte den Dieb bemerkte. Es war Stéphane Breitwieser, ein zwanghaft veranlagter Kunstdieb, der nur für seine eigene Privatsammlung stahl und in den folgenden 6 Jahren unerkannt noch 239 Werke aus europäischen Museen stehlen konnte. Darunter Meisterwerke von Pieter Bruegel d. Ä., Lucas Cranach d. J., Antoine Watteau, einen Stich von Albrecht Dürer, Gesamtwert mind. 20 Mio. Als die Mutter von der Festnahme ihres Sohns erfuhr, versenkte sie die Antiquitäten im Rhein-Rhone-Kanal, die Gemälde - darunter auch das der Prinzessin von Cleve - schredderte und zertrümmerte sie und entsorgte sie im Müll - als Breitwieser davon später in der Zelle erfuhr, unternahm er einen Selbstmordversuch. „Mir blutet das Herz“, sagt Breitwieser, „das männliche Gegenstück zu Cranachs Frauenbildnis (das er [- selbst herzlos -] in der Vitrine zurückließ) wird auf ewig allein bleiben.“ (F.A.Z., 07.10.2006, Nr. 233 / Seite 9; Die ZEIT, 9.3.2006, Nr. 11; F.A.Z., 01.03.2006, Nr. 51 / Seite 42; Die WELT, 08.01.2005; Brand eins 1/2003)
Doppelporträt Johann Friedrich von Sachsen-Sibylle von Cleve Lucas Cranach d.J. (1515-1586): Zwei Bildnisse: 2275 (A) Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen (1995 in Baden-Baden versteigert (?)), 2275 (B) Seine Gemahlin Sibylle von Cleve (1995 bei der Vorbesichtigung geraubt, 2001 zerstört)
 

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