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Schon im Mai 2012 berichtete die Badische Zeitung über eine neue Broschüre über die Stadtpatronin Anna der Breisgaustadt Staufen.

http://www.badische-zeitung.de/staufen/wissenswertes-ueber-die-patronin--59302657.html

"In seiner Schrift versucht der Autor [Werner Schäffner] nachzuweisen, seit wann die heilige Anna in Staufen verehrt wird und wann das Anna-Patronat an die Stadt verliehen worden ist, doch er schreibt: "Eindeutige Daten hierzu gibt es nicht. Es muss wohl einer der Herren von Staufen, der fromme Ritter Gottfried nach seiner Kreuzzugteilnahme unter Kaiser Friedrich Barbarossa im Jahre 1190 gewesen sein, der dieses Sankt-Anna-Patronat den Staufener Bürgern gestiftet hat. Vermutlich war es dessen Absicht gewesen, dass sich die gläubigen Bürger und vor allem die Bergleute in ihren Nöten, Sorgen und Krankheiten durch Fürbittgebete besonders an diese Heilige wenden sollten." Aber erst Papst Gregor XIII. hat im Jahre 1584 ein eigenes Fest zu Ehren der heiligen Anna vorgeschrieben und dies auf den 26. Juli eines jeden Jahres festgelegt. Der Anna-Selbtritt-Schlussstein in der Pfarrkirche Sankt Martin, deren Grundstein im Jahre 1487 gelegt worden war, müsse ebenso aus dem 16. Jahrhundert stammen, meint Schäffner, wie die Statue der Anna Selbtritt des Bildhauers Sixt von Staufen in der Martinskirche, die auch das Titelblatt dieser Broschüre ziert.

Aus Schäffners weiteren Erkundungen geht hervor, dass sich die Ursprünge des Annafestes in Staufen deshalb nicht genau nachvollziehen lassen, weil sämtliche Kirchenbücher beim Kirchenbrand im Jahr 1690 vernichtet wurden. Es könne jedoch davon ausgegangen werden, dass Staufens Katholiken schon seit Verleihung des Stadt-Patronats jährlich das Annafest in der Sankt-Martinskirche gefeiert haben. Und dieses Annafest sei bis Anfang der 1950er-Jahre ein reines Hochfest der katholischen Kirchengemeinde Sankt Martin gewesen. Im Jahre 1953 habe dann der damalige Stadtpfarrer Johann Georg Schmutz das Kirchenfest um ein Volksfest zur Finanzierung diverser Vorhaben ergänzt. Für diesen weltlichen Teil habe der spätere Prälat in den 60er-Jahren auch die evangelischen Mitchristen mit ins Boot geholt."

Zu den Problemen der evangelischen Mitchristen mit der katholischen Heiligenverehrung ist eine Predigt aus Staufen lesenswert:
http://www.ekistaufen.de/predigt20050731.htm

Die oben zitierte Argumentation des Heimatforschers folgt einem geläufigen Muster: Die Verehrung der Stadtpatrone wird in möglichst alte Zeit zurückverlegt. Fehlende Quellenbelege werden auf Quellenverluste zurückgeführt. Zeugnisse der Verehrung des oder der jeweiligen Heiligen werden unkritisch als Beweis des Stadtpatronats vereinnahmt.

Weder die spätgotische Anna Selbdritt (Sixt von Staufen zugeschrieben) in der Staufener Pfarrkirche noch der ihr gewidmete Schlussstein beweisen irgendetwas für ein schon um 1500 bestehendes Stadtpatronat. Anna war damals eine "Modeheilige" (siehe auch Angelika Dörffler-Dierken 1992), wobei die Staufener Verehrung sicher mit dem Bergbau zusammenhängt.

Ohne intensive Quellenforschungen wird man nicht ermitteln können, wann Anna das erste Mal ausdrücklich als Stadtpatronin bezeichnet wird. Eine Anfrage von mir in Staufen 1996 war denkbar unergiebig und erbrachte nur Hinweise auf unbelegte Aussagen in wenig zuverlässlicher Ortsliteratur. Im Freiburger Realschematismus 1863 ist bei Staufen noch nicht von St. Anna die Rede, das Annafest erwähnt "Das Erzbistum Freiburg" (1910, S. 106). Im Augenblick weiß ich also nicht, ob Anna vor dem Kunstdenkmäler-Inventar von 1904 bereits als Stadtpatronin bezeichnet wurde:

http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kdm6bd1/0489

In seiner "Geschichte der Fauststadt", veröffentlicht im Jahr 1946, schreibt der damalige Stadtpfarrer von Staufen, Geistlicher Rat Wilhelm Weitzel: "In diese Blütezeit des Bergwerkbetriebs - also um das Jahr 1000 bis 1100 - muss die Erwählung der heiligen Anna zur Stadtpatronin von Staufen zurückgeführt werden. Und wenn heute noch die Staufener Bevölkerung das uralte Fest ihrer Stadtpatronin (das Fest der heiligen Anna am 26. Juli) stets mit so ausnehmender Feierlichkeit als das Hauptfest des ganzen Jahres mit dem altgewohnten Schmuck der Brunnen, Häuser und Straßen, mit kirchlichem und weltlichem Fest begeht, so wissen die Staufener, dass nur deshalb die heilige Anna von den Vorvätern zur Stadtpatronin erhoben wurde, weil sie seit ältester Zeit die Schutzpatronin der Bergleute in Staufen (und allen anderen Bergwerken) war und heute noch ist." (S. 13f.)

Auf den Formulierungen Weitzels fußt die Schrift "Stadtkirche und Kapellen. Staufen/Breisgau" von 1964, S. 14f., der man aber immerhin entnimmt, dass 1681 die Annabruderschaft wiedererrichtet wurde. Solche Bruderschaften gab es natürlich vielerorts, ohne dass man daraus schließen darf, dass die heilige Anna dort als Stadtpatronin verehrt wurde. Diese Staufener Bruderschaft, der auch Männer angehörten, gilt als Vorläuferin der Katholischen Frauengemeinschaft St. Anna (Paul Nunnenmacher, Badische Zeitung vom 27. Juli 1990).

Auch die große St. Annaglocke (1689 bezeugt, Neuguss von 1720, siehe: Stadtkirche und Kapellen S. 21) mit ihrer Fürbitte "ora pro nobis" beweist nicht, dass St. Anna damals Stadtpatronin war.

Seit 1745 befand sich in Staufen der Katakombenheilige St. Gaudentius in der Pfarrkirche (ebenda, S. 14). Solche Katakombenheilige werden andernorts als Stadtpatrone verehrt (z.B. Faustus in Dillingen, Prosper in Erding). Offenkundig auf Quellenstudien fußt ein kurzer Artikel "Der St. Anna-Tag in Staufen" in der Badischen Zeitung vom 25./26.7. 1970, der am Schluss auf die Gaudentius-Verehrung eingeht. "An die sechzig Jahre wurde das Gaudentiusfest in Staufen wie das St.-Anna-Fest gehalten. Daher kommt es, daß noch vor fünfzig und hundert Jahren viele Staufener Gaudentius zum Vornamen hatten".

1568 werde, behauptet Nunnenmacher in seinem bereits erwähnten Zeitungsartikel, St. Anna als Schutzpatronin der Stadt Staufen erstmals erwähnt. Da er keine Quelle angibt, halte ich dieses Datum für zweifelhaft. Wer behauptet, dass St. Anna vor 1904 bereits als Stadtpatronin verehrt wurde, sollte dies quellenmäßig exakt belegen können.

Zu Stadtpatronen
http://archiv.twoday.net/search?q=stadtpatron
http://archiv.twoday.net/stories/6048443/
http://www.histsem.uni-freiburg.de/mertens/graf/dud.htm
http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2007/373/

Nachtrag: Werner Schäffner hat mir seine im Selbstverlag erschienene Broschüre freundlicherweise umgehend zum Preis von 5 Euro zuzüglich Porto zugesandt. Wie zu erwarten war, ist der wissenschaftliche Ertrag des zugleich etwas verändert in der Badischen Heimat 2012/1 erschienenen Aufsatzes vernachlässigbar. Handfeste Quellenbelege für ein Stadtpatronat vor dem 20. Jahrhundert suche ich vergebens. Dass der "fromme Kreuzritter Gottfried von Staufen im 12. oder 13. Jahrhundert die heilige Anna als Stadtpatronin auserwählt" habe, ist nicht nur schwer nachzuweisen (S. 5), sondern reine Spekulation.

S. 15 wird eine Ausgabe am "St. Anna Tag" 1723 zitiert, aber auch das beweist nur, dass damals der Annatag feierlich begangen wurde. Es könnte sich um einen Votivfeiertag handeln wie beim Steinheimer Rochustag. "Dieser Bet- und Lobetag geht auf ein Gelübde aus dem Jahr 1637 zurück. Heute gilt Rochus allgemein als Stadtpatron seit 1637, aber eingehende Ermittlungen des Stadtarchivars Heinz Gellhaus ergaben, daß die Bezeichnung Stadtpatron erstmals auf der Steinheimer Bürgerfahne von 1908 erscheint."

Zu erwägen ist ein Zusammenhang mit der Jahrtags-Stiftung der Erentrut von Werdenberg am Annentag in der Martinskirche zu Staufen 1485, siehe FDA 18, 1886, S. 336f. (Abdruck der Stiftungsurkunde) und FDA 33, 1905, S. 246

http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/6345/pdf/Freiburger_Dioezesan_Archiv_Band_18_1886.pdf
http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/6169/pdf/Freiburger_Dioezesan_Archiv_Band_33_1905.pdf

Dieser Jahrtag der Werdenberger war liturgisch sehr feierlich mit drei Ämtern am Tag selbst ausgestaltet. Der Klerus des Breisacher Landkapitels sollte ihn abhalten, was angeblich noch 1886 geschah. Wenn man nicht annehmen will, dass die Zusammenkunft des Landkapitels zur Begehung des Werdenberg-Jahrtags an ein bestehendes, besonders gefeiertes Annafest anknüpfte, wofür es keinen Beleg gibt, darf man in diesem Jahrtag den Vorläufer des heutigen Annafestes sehen. Der zitierte Eintrag 1723 nennt als "Ausgab-Geld" am Annatag 1 Gulden 9 Schilling für Pfarrer, Kaplan, Schulmeister und Sigrist, was vielleicht nur die örtlichen Teilnehmer des Kapiteljahrtags betraf. Es ist gut denkbar, dass das vom Landkapitel getragene kirchliche Gedenken auch zu einem lokalen Kirchenfest und irgendwann auch zu einem weltlichen Fest wurde.

Zwei Jahre später, 1487, wurde der Grundstein der Martinskirche gelegt, in deren Neubau ein Schlussstein der hl. Anna gewidmet wurde.

Eine Erwählung der hl. Anna als Stadtpatronin wäre im mittelalterlichen Deutschland völlig unhistorisch. Der Annakult in Staufen hat sich vermutlich langsam am Ende des Mittelalters, als auch andernorts die Annenverehrung Konjunktur hatte, etabliert. Dass die Beziehung der Heiligen zum Bergbau eine Rolle gespielt hat, ist durchaus wahrscheinlich. Zu beachten gilt es aber auch meinen Hinweis auf den festlichen Werdenberger-Jahrtag, der das Breisacher Landkapitel am Annentag in Staufen zusammenführte.

Von dem oben aus einem Zeitungsartikel gefischten angeblichen Beleg zu 1568 schreibt Schäffner nichts. Aber er führt die Sagensammlung eines Pfarrers an, in der es heißt, dass das St. Anna-Käppele bei der Galgenhalde in Grunern-Kropbach bereits 1585 erwähnt sei. Ein solches Annakapellchen gab es sicher vielerorts.

Abbildung 4 S. 16 zeigt das Mutter-Anna-Gemälde aus dem Jahr 1795, das auch eine Darstellung von Staufen bietet, was man auf die Schutzherrschaft der Heiligen über den Ort beziehen könnte. Zwingend ist aber auch dieser Schluss nicht.

Es geht nicht darum, hyperkritisch die starke Verehrung der Staufener für St. Anna in Frage zu stellen. Auch andere Orte haben einige oder mehr besonders intensiv verehrter Heilige (insbesondere aufgrund von Gelübden wie im Fall des Rochustags), ohne dass diese als Stadtpatrone aufgefasst oder besser gesagt bezeichnet werden. Bei den vielen ländlichen Ortspatronen der Erzdiözese Freiburg habe ich fast nur Belege aus dem 19. Jahrhundert für diese Bezeichnung gefunden. Von daher ist es gut möglich, dass man erst im 19. Jahrhundert in Staufen Anna ausdrücklich als Stadtpatronin angesehen hat. Aber es ist durchaus denkbar, dass sich auch ein bislang übersehener Beleg aus der frühen Neuzeit findet.

#forschung


Foto der Anna Selbdritt in St. Martin Staufen: Ralph Hammann CC-BY-SA
 

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