Allgemeines
Architekturarchive
Archivbau
Archivbibliotheken
Archive in der Zukunft
Archive von unten
Archivgeschichte
Archivpaedagogik
Archivrecht
Archivsoftware
Ausbildungsfragen
Bestandserhaltung
Bewertung
Bibliothekswesen
Bildquellen
Datenschutz
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
null

 
In Brüssel erklärten die Wölfe den Schafen die Welt bzw. was die Evidenz ist. Möglicherweise setzt sich die EU-Kommission trotzdem für Open Access ein. Die eindrucksvolle Zahl von über 20.000 Unterstützer der entsprechenden Petition spricht ja für sich. Und wer es nötig hat einen Pitbull zu engagieren, um OA zu bekämpfen, steht bereits ganz an der Wand.

Damit nicht ganz in Vergessenheit gerät, wieso Wissenschaftler mit dem kommerziellen STM-Zeitschriftenwesen unzufrieden sind, ist ein Blick auf die Kosten der 10 teuersten Zeitschriftenabos der UB Karlsruhe ratsam (alle von Elsevier):
http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/fachinfo/zs/zsabos.html
BCK meinte am 2007/02/14 21:10:
(o.T.) Die 10 teuersten Zeitschriftenabos
(Hier eigentlich o.T., aber als Kommentar zu der Meldung von Klaus Graf wohl einmal gestattet.)

Fangen wir doch gleich mal mit dem Spitzenreiter von Karlsruhe an:

Nuclear Physics B - PARTICLE PHYSICS, FIELD THEORY AND STATISTICAL SYSTEMS, PHYSICAL MATHEMATICS - Abopreis 2007: 15211 EUR zzgl. 7% e-access Aufschlag für ScienceDirect Campuslizenz zzgl. 7% MwSt = 17415 EUR (e-only 10% billiger, aber 19% MwSt => gleicher Endpreis)

Eine ScienceDirect-Lizenz bietet Zugriff auf den aktuellen Jg. plus ein backfile von 4 Jahren, kumulierend ab Vertragsabschluß, die Nationallizenzen sind gerade so erweitert worden (ab Frühjahr 2007 bis 2002 einschließlich), dass auch für Bibliotheken, die gerade erst mit Elsevier abgeschlossen haben, keine Lücke entsteht.

Karlsruhe hat derzeit für all ihre teuren Elsevier-Zeitschriften aber nur den Zugriff auf die sog. "Web Editions", die es "kostenlos" zur Printausgabe dazugibt. D.h., sie haben es etwas "billiger" (16275,77 EUR incl. MwSt), dafür aber nur Zugriff auf die letzten 12 Monate (und alles, was durch die Nationallizenz abgedeckt ist). Ziemlich viel Holz für eine Papierausgabe mit nur beschränktem Online-Zugriff. Vorteil ist, dass sie noch völlig frei sind, Titel nach Wahl abzubestellen - wenn man eine ScienceDirect Campuslizenz abschließt, bekommt man Knebelverträge, welche den Umsatz festschreiben, incl. garantierter Preissteigerung von 5% jährlich.

In Stuttgart haben wir vor Jahren eine "Radikalkur" gemacht: aus bibliothekspolitischen Gründen wurden ALLE Elsevier-Titel abbestellt, leider mit einer drastischen Etatkürzung von 40% verbunden, erst im Folgejahr konnten einzelne Elsevier-Titel im Anschluß an eine campusweite Evaluation, an der sich alle Institute beteiligen konnten wieder anbestellt werden, allerdings mussten (wieder auf Basis der Evaluation) andere Titel dafür geopfert werden. Das hatte auf einmal zur Folge, dass wirtschaftliche Aspekte auch von den Instituten gesehen wurden: für die Wiederanbestellung eines Elsevier-Titels mussten im Schnitt 4 andere geopfert werden. Die Folge: nur knapp 25% des ursprünglichen Bestands an Elsevier-Titeln wurde wiederanbestellt. 3 Jahre später war Elsevier bereit, auf wesentlich niedrigerem Niveau mit uns wieder einen Campuslizenzvertrag abzuschließen, da sich die Hoffnung des Verlags, massive Proteste von Wissenschaftlern würden ein Umdenken erzwingen, nicht erfüllte (sie blieben weitgehend aus, zumal der Bibliotheksausschuss die Entscheidung mitgetragen hatte).

Aber zurück zu Nuclear Physics B:

Ein paar Stichproben aus den aktuellen Heften zeigen, dass der Inhalt zu 100% OA im arXiv oder SPIRES zugänglich ist. Bei Einsatz intelligenter Link-Resolver kann man zu jeder Referenz aus einschlägigen Datenbanken automatisch sowohl den Link zur Toll access Version beim Verlag wie auch den Link zur freien Version in arXiv oder SPIRES generieren und dem Nutzer anbieten. Zur Not reicht's auch, den Titel in Google einzugeben, das funktioniert fast immer genauso gut.

Aus welchen Gründen auch immer Wissenschaftler weiter dort veröffentlichen (Tradition, Renommee, ...), für Bibliotheken, die ihre knappen Mittel rationell einsetzen müssen, um ihren Wissenschaftlern zu den benötigten Ressourcen möglichst effizient Zugang zu verschaffen, sehe ich keinen rationalen Grund, eine Zeitschrift, die im Vergleich zu anderen Zeitschriften des Gebiets (Kosten pro Seite, Kosten pro Nutzung) ohnehin viel zu teuer bezahlt wird, weiter zu abonnieren (und selbst mit Knebelverträgen zur Umsatzerhaltung haben sie die Möglichkeit, andere Titel dagegen einzutauschen, oder alternativ, mittelfristig auf die Ablösung solcher Verträge und ihren Ersatz durch flexiblere Vereinbarungen hinzuarbeiten, was allerdings auch mit gravierenden Nachteilen verbunden sein kann).

Das gilt im konkreten Fall umso mehr, als die Community der Teilchenphysiker unter Führung von CERN jetzt entschlossen ist, das sehr überschaubare Universum an Zeitschriften aus ihrem Fachgebiet (weniger als 10000 Artikel pro Jahr, 10 Zeitschriften von 5 Verlagen decken 95% davon ab) komplett nach "Gold Open Access" zu konvertieren. Die Community ist davon überzeugt, dass die ungeheuren Datenmengen, die von dem neuen Mitte des Jahres in Betrieb zu nehmenden "Large Hadron Collider" generiert werden, anders nicht mehr zu bewältigen sind (Stichwort "Grid-Computing", "E-Science") und dass die Zeit reif ist, die im Wissenschaftsprozess nur hinderlichen Permission Barriers abzuschaffen. Sie wollen aber nicht selbst Verleger werden, sondern laden Verlage ein, ihre einschlägig relevanten Titel künftig über ein "Sponsoring Consortium for Open Access Publishing in Particle Physics" unter der Führung von CERN zu finanzieren. Titel, die nur zu geringen Teilen Hochenergiephysik-Artikel publizieren, werden nach dem Hybrid-Modell gesponsort, mit der Verpflichtung, ihre Subskriptionspreise entsprechend zu reduzieren. Es wird ein Ausschreibungsverfahren geben, neue Verlage haben auch eine Chance. Es wird mit Gesamtkosten in Höhe von 5-10 Mio EUR pro Jahr gerechnet, aber wenn man die Kosten für den o.g. Kerntitel mit der Zahl von weltweit ca. 300 LHC-Institutionen multipliziert, ist man nach dem herkömmlichen Subskriptionsmodell auch schon bei 4,8 Mio € (und das für nur einen Titel!).

Das Ziel ist jedenfalls klar:

"Online access to the literature with no restriction for any reader" und "OA publishing without financial barriers for any author" - deswegen wird auch nicht "author pays" angestrebt (was z.B. kleine Theoriegruppen benachteiligen würde), sondern ein Sponsoring durch die Organisationen der Wissenschaftsförderung, die großen Elementarteilchenlaboratorien (in die aufgrund der teuren instrumentellen Aussstattung ohnehin große Geldbeträge fließen) und die zugehörigen großen "Author communities" (z.T. hunderte von Autoren), sowie Bibliotheken in und außerhalb des Fachgebiets.

Elsevier hat bislang (im Unterschied zu anderen Verlagen) nicht signalisiert, dass sie mitmachen werden, aber sie haben genauso die Chance und das Angebot wie die anderen Verlage auch. Eine koordinierte Kündigung von Abos, deren Inhalte sowieso schon Open Access sind, schließt nicht aus, dass "Quasi-Abos" im Zuge von Verhandlungen im Rahmen eines Konsortiums als Kostenbeitrag für eine Übergangsperiode (auf niedrigerem und in der Folge sinkendem Niveau, bis die zusätzlichen Geldquellen voll greifen) wieder verhandelt werden können, wäre aber seitens der Bibliotheken zunächst ein deutliches Signal, dass man den Wandel will. Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir genau das tun, soweit dies im Rahmen bestehender Verträge und Ausstiegsklauseln möglich ist.

 
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma