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Teuscher, Simon: Erzähltes Recht. Lokale Herrschaft, Verschriftlichung und Traditionsbildung im Spätmittelalter. – Frankfurt am Main: Campus, 2007. 450 S. – Zugl.: Univ. Zürich, Habil.-Schr. (Campus Historische Studien; 44) ISBN 978-3-593-38494-8: ca. € 45.00

Aufzeichnungen lokaler ländlicher Rechte (meist als „Weistümer“
bezeichnet) aus dem Spätmittelalter hat die Forschung bislang,
zurückgehend auf Jacob Grimm, als Zeugnisse einer mündlich geprägten Rechtskultur und eines „guten alten Gewohnheitsrechts“ gewertet. In seiner prägnant und überzeugend argumentierenden Studie (zugl. Habil.-Schrift Univ. Zürich, 2005) gelingt es T. diese Rechtstexte stattdessen mit dem Aufbau einer komplexen Verwaltungsorganisation zu korrelieren und die Verweise auf Mündlichkeit und alte Rechtsgewohnheiten als Resultate von Prozessen zu beschreiben, die als „Oralisierung“ und „Archaisierung“ namhaft gemacht werden. Damit ist ihm in der Tat ein „großer Wurf“ gelungen, der die stagnierende Weistumsforschung modernisieren könnte. Bereits das Untersuchungsgebiet, das Schweizer Mittelland zwischen dem Genfer See und Zürich, ist glücklich gewählt, denn das romanischsprachige Savoyen im Westen weist andere Rechts-, Verwaltungs- und nicht zuletzt Forschungstraditionen auf als die deutschsprachigen Gebiete im Osten, die von den städtischen Territorien von Bern, Zürich und Luzern, aber auch von einer Vielzahl kleinerer Herrschaften geprägt wurden. Neben gedruckten wurden ungedruckte Quellen des 13. bis 15. Jahrhunderts in den Staatsarchiven Turin, Lausanne, Bern, Aargau und Zürich herangezogen. Außer den normativen Weistümern boten die nicht ohne Grund in der neueren Geschichtswissenschaft zunehmend beliebten Zeugenverhöre (oder „Kundschaftsaufzeichnungen“) mit ihrem Wechselspiel von Fragen und Antworten faszinierende Einblicke in die Erzähltechniken und Erinnerungsformen der überwiegend bäuerlich lebenden Befragten. Entscheidend ist die „Historisierung“ dieser Aufzeichnungen hinsichtlich ihrer Inhalte und Darstellungsformen. Die Germanistik wäre gut beraten, das reiche, überwiegend ungedruckte Quellenmaterial der Zeugenverhöre für eine „Geschichte des Erzählens“ zu erschließen.

Klaus Graf (Aachen)

Druckfassung erschienen in: Germanistik 50 (2010), S. 737f. Nr. 4901
http://dx.doi.org/10.1515/GERM.2010.735 (Toll Access)
 

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