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Armin Langner: Papst Viktor II. Graf Gebhard von Calw (Kleine Reihe 29). Calw: Archiv der Stadt Calw 2012. 179 S. mit 42 meist farbigen Abbildungen. 12 Euro Inhaltsverzeichnis

In der "Schwäbischen Heimat" gibt es eine Rezensionsrubrik "In einem Satz", in der es von diesem Buch heißt, es mache "höchst plausibel", dass Papst Viktor II. (1055-1057) aus der Familie der Grafen von Calw stamme (2013, S. 253). Ich bin anderer Ansicht.

Das Büchlein ist ansprechend geschrieben und gefällt durch seine Bebilderung. Fast alles ist in nahezu 200 Fußnoten ordentlich nachgewiesen. Im ersten Teil werden die Quellenäußerungen zur Herkunft des Papstes besprochen, der zweite stellt ein Lebensbild des Eichstätter Bischofs dar, der für zwei Jahre das höchste Amt der katholischen Kirche bekleidete. Zuletzt werden gegenständliche Erinnerungen an Gebhard/Viktor vorgestellt.

Wissenschaftlern bietet der Band nichts Neues. Die spärliche Quellenlage hat zu diversen Hypothesen Anlass gegeben, ohne dass man aber über ein "non liquet" hinauskommt. Der Anonymus von Herrieden stellt die einzige zeitgenössische Quelle von Belang dar. Er nennt die schwäbische Herkunft und als Eltern einen Hartwig und eine Beliza, spricht von einer Verwandtschaft mit den Saliern und Bischof Gebhard III. von Regensburg. Für Kombinationen hat man noch nicht einmal einen Begüterungsort der Familie zur Verfügung. Riezler tat 1878 die Tradition, der Papst sei ein Graf von Calw gewesen, mit dem Hinweis ab, die Namen Hartwig und Gebhard seien in dieser Familie nicht heimisch. Die Hypothesen zur Einordnung des Würdenträgers kritisiert Langner, aber seine eigene Zuordnung fußt unkritisch auf den unverantwortlichen Spekulationen von Decker-Hauff über den Öhringer Stiftungsbrief. Die maßgeblichen Studien zu den Grafen von Calw (Karl Schmid, Gerhard Fritz) und zur Kritik des Stiftungsbriefs (Gerhard Lubich, Heinrich Wagner) zieht er nicht heran. Auch nicht Gerhard Taddeys Ausführungen zur Öhringer Stiftsgeschichte, bei der ja der genannte Regensburger Bischof eine beachtliche Rolle spielt.

Im Dschungel der hochmittelalterlichen Adelsgenealogie ist Langner ersichtlich nicht zuhause. Aber auch bei der Sichtung der Traditionsbildung ist ihm Entscheidendes entgangen, obwohl die Studie von Rolf Götz zu den genealogischen Irrungen rund um die Herzöge von Teck ihm als methodisch-heuristische Leitschnur hätte dienen können. Soviele Zeugnisse Langner auch bemüht - sie gehen doch alle direkt oder indirekt auf Wilhelm Werner von Zimmern zurück, der in seiner Eichstätter Bistumschronik den Bischof den Grafen von Calw zuweist (S. 31).

Offenkundig eine späte Interpolation des 16. Jahrhunderts ist die entsprechende Angabe ("de Calice") in der Ausgabe der "Flores temporum" durch Meuschen. Sie fehlt bei Eccard aber z.B. auch im Clm 14281.

Lorenz Fries: Chronik der Bischöfe von Würzburg 1 (1992), S. 234 sagt ebenfalls, der Eichstätter Bischof sei ein Graf von Calw gewesen, aber das hatte er sicher aus der Eichstätter Bischofschronik Wilhelm Werners von Zimmern, die ihm zur Verfügung stand (ebd. S. 199f. und Lorenz Fries (1489-1550), 1989, S. 77).

Der erste gedruckte Hinweis auf die Herkunft erfolgte an prominenter Stelle: 1549 im Werk des Kaspar Bruschius über die deutschen Bistümer. Dass Bruschius das Zimmern'sche Werk ausbeutete ist seit langem bekannt.

S. 48 ist ein Abschnitt irreführend "Mittelalterliche Quellen aus dem Vatikan" überschrieben. Zuerst hat das gedruckte Werk von Panvinius 1557 die Zuweisung zu den Grafen von Calw, was auf Bruschius zurückgehen dürfte. Von Panvinius stammte die Information für Johann Jakob Fuggers Wappenwerk ca. 1550/5, das zu Viktor II. (natürlich anachronistisch) das Löwen-Wappen der Grafen von Calw zeigt (Digitalisat).

Langner hat nicht verstanden, dass man durch Anhäufung voneinander abhängiger Quellen nichts beweisen kann. Wenn hundert Autoren voneinander abschreiben, wird die Ausgangsbehauptung dadurch nicht wahrscheinlicher. Irgendwelche konkreten Anhaltspunkte für alte Hirsauer Quellen gibt es nicht.

Zudem ist Langers Darstellung der Traditionsbildung recht lückenhaft. Auf Anhieb kann man frühneuzeitliche Arbeiten ergänzen, etwa Waltz 1657, der unter anderem Lazius einflussreiches Buch "De gentium aliquot migrationibus" von 1557 zitiert. Dort findet sich eine Stammliste der Grafen von Calw, in der Hartwig und Biliza einsortiert sind.

Woher stammen die Genealogien des Lazius? Rolf Götz (Wege und Irrwege ..., 2007) hat frühere Beobachtungen von Dieter Mertens und mir mit neuen Befunden ergänzt. Lazius konnte auf Sammlungen von allen drei "Vätern" der "modernen" Genealogie zurückgreifen: Ladislaus Sunthaim, Jakob Mennel und Matthäus Marschalk von Pappenheim. Von Sunthaim ist mir eine Beschäftigung mit den Calwern nicht bekannt, über Mennel liegen mir diesbezüglich keine Informationen vor.

Pappenheim hat mehrfach Genealogien zu den Grafen von Calw zusammengestellt. Über WLB Cod. Don. 576 von 1521 (laut Schauerte S. 181) kann ich nichts sagen, über Regensburg Thurn und Taxis Hofbibliothek Cod. 166, Bl. 27r-31v (um 1525) nur, dass die Geschlechtsreihe mit Erlafrid beginnt. Online ist aber der Cgm 7249 wohl aus den 1520er Jahren, wo sich tatsächlich Bl. 58r eine Stammtafel der Calwer Grafen findet, die Papst Viktor als Sohn eines Grafen Hartmanus und einer "Billissa" ansetzt (siehe Abbildung unten).

Götz konnte zeigen, dass Wilhelm Werner von Zimmern Pappenheims genealogische Forschungen gekannt hat (Wege S. 84). Ich möchte daher annehmen, dass die Angabe der Eichstätter Bischofschronik und die Zuweisung Gebhards an die Grafen von Calw durch Wilhelm Werner von Zimmern auf Pappenheim zurückgeht. Wieso Pappenheim die aus der Eichstätter Tradition bekannte Familie des Bischofs mit den Calwern zusammenbrachte, ist nicht ersichtlich. Über eine alte Quelle kann man nur spekulieren.

Es bleibt dabei: Die Herkunft Papst Viktors II. ist unbekannt.

#forschung

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