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http://www.br-online.de/alpha/forum/vor0109/20010926_i.shtml

Buchauktionator Karl Hartung plaudert aus dem Nähkästchen:

Ich habe gerade in jüngster Zeit eine sehr interessante Wanderung und vor allem auch preislich interessante Wanderung beobachten können. Es gibt von Euklid die "Elemente Mathematica" aus dem Jahr 1482, die Ratdolt in Venedig gedruckt hat. Das ist das erste mathematische Lehrbuch. Dieses Buch ist in diesem Sinne aber keine absolute Seltenheit, denn ich habe im Laufe der letzten acht bis zehn Jahre drei Exemplare davon in meinen Auktionen gehabt. Vor circa acht Jahren begegneten mir nämlich zwei Exemplare davon: Eines davon war sehr schön gebunden und befand sich in einem tadellosen Erhaltungszustand. Es brachte damals 18000 Mark ein. Das andere Exemplar war nicht ganz so schön und hat daher nur 16000 Mark gebracht. Vor zwei Jahren habe ich wieder ein Exemplar bekommen: wunderschön erhalten in einem alten Einband. Es war so schön wie das erste Exemplar. Weil im Laufe der letzten Jahre die Inkunabeln eine große Preissteigerung erfahren haben - es gibt nämlich einige neue Sammler, die den Markt in Unruhe gebracht haben - habe ich dieses Buch mit 60000 Mark geschätzt. In der Versteigerung brachte es dann 260000 Mark. Es wurde von einem Amerikaner gekauft für einen Herrn in New York, der solche Bücher sammelte. Dieser Herr in New York ist im letzten Jahr aber in finanzielle Schwierigkeiten geraten: Seine Sammlung ist daraufhin in New York versteigert worden. Ich habe dort im Katalog "meinen" Euklid wiedergefunden. Dieser Euklid brachte dort dann bei der Versteigerung 550000 Dollar. Das sind mit Aufgeld 1,2 Millionen Mark. Der Preis stieg also innerhalb von acht Jahren von 18000 Mark auf 1,2 Millionen. Ein anderes Beispiel, bei dem sich zwar der Preis ähnlich verändert hat, dieses aber über einen weit längeren Zeitraum stattfand, ist folgendes. Das Buch, das ich meine, ist eine Rudolf von Ems'sche Weltchronik aus dem 14. Jahrhundert: geschrieben auf Pergament und mit ungefähr 400 Miniaturen ausgestattet. Wir haben noch 1930 ein Exemplar dieser Chronik an eine Bibliothek für 80000 Mark verkauft. Das war damals ein stattlicher Preis. Schon 1935 haben wir aber aus der Oettingen-Wallersteinschen Bibliothek ein sehr schönes, alt gebundenes Exemplar aus dem 15. Jahrhundert dieser Chronik, von der es ja mehrere Fassungen gibt, ohne Erfolg zu versteigern versucht. Es war mit 12000 Mark aufgerufen, aber es meldete sich niemand. Es kam dann die Bayerische Staatsbibliothek auf uns zu, weil sie an einem Kauf interessiert war. Der Direktor hoffte, das Geld dafür irgendwie aufbringen zu können, um es nach der Versteigerung noch kaufen zu können. 14 Tage später haben wir das Buch aber wieder zurückbekommen, weil es ihm doch nicht möglich war, das Geld dafür aufzubringen. Es kam dann ein Zahnarzt aus Altona und hat es für 12000 Mark plus Aufgeld gekauft. Dort, bei diesem Zahnarzt, lag dieses Buch bis in die jüngere Zeit hinein. Vor ungefähr zehn Jahren starb dann die Witwe dieses Sammlers. Seine Bibliothek hatten wir zuvor schon versteigert, mit Ausnahme der Rudolf von Ems'schen Weltchronik, weil sich die Witwe dieses Buch immer zurückbehalten hatte. Nach ihrem Tod wurde dann auch dieses Buch verkauft. Der Nachlassverwalter erzählte einem Hamburger Immobilienmakler eines Tages: "Stell dir vor, ich habe da einen Nachlass zu verwalten, in dem es ein Buch gibt, für das ein New Yorker Antiquar vor kurzem 350000 Mark - für ein anderes Exemplar - bezahlt hat." Dieser Hamburger Immobilienmakler hat sich dann dieses Exemplar zeigen lassen und sagte dann zum Nachlassverwalter: "Wenn die in New York so viel zahlen dafür, dann will ich das auch haben. Verkauf mir das Buch." So hat er es dann ebenfalls für 350000 Mark gekauft. Sein Sohn hat sich dann wissenschaftlich mit diesem Buch und den verschiedenen Fassungen, die es davon gibt, beschäftigt: Er schrieb darüber seine Doktorarbeit und hat anschließend ein eigenes Antiquariat eröffnet. Eines seiner Prunkstücke dabei war natürlich diese Rudolf von Ems'sche Weltchronik. Er hat sie dann für acht Millionen Mark an das Getty-Museum verkauft! Da stieg also der Preis von 12000 Mark auf acht Millionen - allerdings über einen Zeitraum von ungefähr 70 Jahren.

http://guenther-rarebooks.com

Für alle, die etwas Nachhilfe brauchen: Der genannte "Sohn" (von wem?), der die Doktorarbeit über die illustrierten Weltchroniken schrieb, ist Dr. Jörn Günther, heutzutage die Quelle mysteriöser Energiewellen, die Kulturgüter aus gewachsenen Sammlungen katapultieren oder diese Sammlungen dematerialisieren.

BCK meinte am 2008/02/06 09:06:
Es ist unglaublich, dass die Lehner den Hartung gerade da abwürgt, wo es spannend wird.

(Zur Antiquardynastie der Rosenthals) In München waren alleine um den Karolinenplatz herum ein rundes Dutzend der bedeutendsten Antiquare angesiedelt: Das waren natürlich größtenteils Juden. (...) Ein Antiquar konnte sich also damals mitten in der Briennerstraße einen solchen Kasten von Haus bauen. Jacques Rosenthal hatte in der Glanzzeit seines Berufs 6000 Inkunabeln auf Lager. Das muss man sich mal vorstellen: 6000 Inkunabeln auf Lager! Das kann man sich eigentlich nicht vorstellen. Die Juden hatten natürlich schon ein feines Gespür dafür, was sich da entwickeln würde. Zum großen Teil hatten sie jedenfalls dieses Gespür, denn das darf man natürlich nicht verallgemeinern. Heinrich Rosenthal z. B...

Und dann sagt Lehner doch glatt "Wir müssen einen kleinen Sprung machen, Herr Hartung, denn wir haben noch die ganze Nachkriegszeit vor uns." und Hartung darauf nur trocken "Aha".

Jacques Rosenthal, ehem. königl. bayr. Hofantiquar, musste 1935 bekanntlich sein Geschäft an der Brienner Straße 26 (47) weit unter Wert an die "Reichsleitung der NSDAP verkaufen, es wurde dann von der Deutschen Arbeitsfront bzw. ihrer Unterorganisation "Kraft durch Freude" (KdF) übernommen. Dem Fabian (Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Eintrag Augustana-Hochschule, Neuendettelsau 1) entnehme ich, dass der Grundstock des Bestands an Frühdrucken und Schriften des 16. Jahrhunderts der Dozentenbibliothek der Augustana (Neuendettelsau) aus Beständen stammt, die just 1935 durch den Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenrat in München vom Antiquariat Jacques Rosenthal erworben und 1948 der Augustana Hochschule geschenkt wurden ...

Aus dem Kapitel über Helmuth Domizlaff in dem Buch "Mühlrad, Schulbank und Carrière : Geschichte und Familien-Überlieferungen der Domizlaff aus Pommern und Preußen" von Carmen Zotta und Peter Sumerauer (Tübingen: Attempto, 2003), zitiert nach
Helmuth Domizlaff (1902-1983). Der Antiquar als Diplomat und Botschafter (Hans Domizlaff-Archiv):

"Von den Verboten des Reichskulturkammergesetzes von 1933 waren auch die Antiquare betroffen. Die jüdischen Buchhandlungen und namhaften Antiquariate von Emil Hirsch und Jacques, Heinrich, Nathan und Ludwig Rosenthal, die jeder in München eine Firma hatten, wurden in den Jahren bis 1938 nach und nach geschlossen, die jüdischen Buchhändler mit Berufsverbot belegt.

Heinrich Rosenthal hatte sein Geschäft am Promenadenplatz schon 1931 aufgelöst und war nach Luzern emigriert. Die Brüder Jaques, Fritz und Paul Rosenthal hielten sich noch bis 1937 in München. Der Betrieb von Jaques Rosenthal war im Zuge der "Arisierung" 1935 von Hans Koch übernommen worden."


Von Rosenthal wurden hrsg. u.a.:

Antiquarischer Anzeiger / Jacques Rosenthal = Bulletin de la librairie ancienne. - München H. 1.[ca.1910] - 3.[ca.1912][?]

Beiträge zur Forschung : Studien u. Mitteilungen aus dem Antiquariat Jacques Rosenthal München. München : Bruckmann.
1.1913/15(1915),1-6; N.F. 1.1927 - 4.1932

daneben die Reihe der Antiquariatskataloge
Kataloge / Jacques Rosenthal München
1.Ser. 85.[1895] nachgewiesen; N.S. 1.1898 - 98.1939[?]

und Auktionskataloge zusammen mit der Galerie Helbing bei Paul Cassirer erschienen (1916 - 1931 nachgewiesen).

Vgl. a. die umfangreiche Zahl der Einträge, die eine KVK Suche nach Rosenthal, jacques ergibt. Zu den Rosenthals vgl.

Die Rosenthals : der Aufstieg einer jüdischen Antiquarsfamilie zu Weltruhm / mit Beitr. von Elisabeth Angermair ...
Wien [u.a.] : Böhlau, 2002. 262 S. : Ill., graph. Darst. ; Literaturverz. S. 245 - 251. - ISBN: 3-205-77020-X

Cartel, clan, or dynasty? : the Olschkis and the Rosenthals 1859 - 1976 / Bernard G. Rosenthal, in: Harvard Library Bulletin ; vol. 25, no. 4, 1977, S. 381 - 398 (Typescript of a lecture delivered to the Gleeson Library Associates on Nov. 2, 1975 at the University of San Francisco; auch als Sonderdruck erschienen)

Dazu auch eine Ausstellung des Stadtarchivs München in Zusammenarbeit mit dem Münchner Stadtmuseum. 23. Oktober 2002 – 22.Oktober 2003, ausführlicher Bericht von Tilmann Buddensieg in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 20.11.2002, Nr. 270, S. 44 ("Herrlich, bei Ihnen zu kaufen! Wie das Kennerauge der Rosenthals aus München alte Bücher in neue Werte verwandelte"). Buddensieg schreibt: "Die exakte Beschreibung illuminierter Manuskripte, der Illustrationen in Druckwerken der Zeit Gutenbergs, Inkunabeln genannt, der Erstausgaben, Autographen und Originalmanuskripte wurden dank der überlegenen Kennerschaft der Brüder Rosenthal und ihrer Mitarbeiter erstmals zum Gegenstand einer neuen "Buchwissenschaft". (...) "Im Jahre 1907 verfügte dieser [Rosenthal] über einen Bestand von einer Million Büchern, den die Bayrischen Staatsbibliothek nur knapp übertraf." Hierzu auch kg in netbib, 20.11.2002, Die Rosenthals
 

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