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Deutsche Verse über die Nutzlosigkeit ungelesener Bücher stehen in der Handschrift Stadtbibliothek Mainz, Hs I 300, fol. 124 verso. Meine Lesung (die ersten Verse auch bei List):

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mainz_nutzen_der_buecher.jpg

Nota bene

Wassze sollen die bucher die nyemant liest
Die sint nach unnuszer dan miest
Miest machet mangen acker dragen
So die bucher die holczworme nagen
(5) Die bucher sint leider worden vnwert
Desz steit isze huwer obeler dan vernte
Sprechen die paffen also gerne latine
Als gerne sie drincken guden wine
So fonden wir mangen gelerten man
Der me Latinis kunde dan er kan


Der Anfang ist klar: Was sollen Bücher, die niemand liest? Sie sind unnützer als Mist, Mist macht wenigstens manchen Acker fruchtbar, während Bücher, an denen die Holzwürmer nagen, immer weniger geschätzt werden. (Sehr frei übersetzt.) Am Schluss geht es gegen betrunkene Kleriker: Würden die Pfaffen so gern Latein sprechen wie sie guten Wein trinken, so fänden wir manchen Gelehrten, der besser Latein kann als in Wirklichkeit.

Vers 6 ist für mich ein schwerer Brocken. Eventuell: Des steht es früher übeler als (was?)

Huwer im Sinn von hiebevor (Variante!) in der Limburger Chronik
http://www.mgh.de/dmgh/resolving/MGH_Dt._Chron._4,1_S._75

Für vernte = Welt finde ich eine Variante bei Konrad von Megenberg
http://books.google.de/books?id=6xZKAAAAcAAJ&pg=PA509


Update:
https://plus.google.com/u/0/117546351384071338747/posts/1KnJaAvfrGu

Der Vorschlag von Obermeir (Kommentar) scheint das Rätsel zu lösen (ebenso unabhängig davon Maria Rotter auf Facebook: ...in diesem Jahr (heuer) schlechter als im letzten Jahr). Huwer in der Limburger Chronik habe ich mit der Variante falsch verstanden, ein Schnipsel der oben zitierten Ausgabe erklärt aber "heuer"
http://books.google.de/books?&id=DjMMAQAAMAAJ&&q=huwer

vernt ist das Vorjahr: http://goo.gl/VrtyQ = Grimmsches Wb. online

Ich würde ißze als es (Frankfurter Reichscorrespondenz hat z.B. iß für es) lesen (nicht als jetzt), der Sinn wäre damit:

Die Bücher sind leider wertlos geworden
Damit/darum steht es heuer übeler als letztes Jahr.

Das Ganze ist ersichtlich eine Zeitklage, die a) den Verfall der Lesekultur beklagt und b) den der Latinität der Kleriker, die lieber saufen.

Nachtrag 6.11.: Die Verse sind ein Cento aus dem "Renner" Hugos von Trimberg, fand Kurt Gärtner heraus (Mitteilung von Annelen Ottermann):

http://www.handschriftencensus.de/15821

5883 Waz süln diu buoch, diu nieman list? 1
Diu sint noch unnützer denne mist. 2
Mist manigen magern acker tünget, (3)
Daz er fruht bringet und sich jünget:
Alsô sölten die sęle getünget werden
Von hôher meister lęre űf erden :
Die fünde man in vil manigen buochen,
5890 Der si mit flîze wölte suochen.
Nu sint si leider worden unwert: 5
Des stęt ez hiur wirs denne vert, 6
Sît milwen, holzwürme und schimel (4)
Nagent der buoch, der sęle ze himel (4)
Vor gote vil hôhe sint erhaben.

16637 Retten alle pfaffen als gerne latîn 7
Als gerne si trunken guoten wîn, 8
Sô fünde wir manigen gelęrten man, 9
16640 Der męre latîns könde denne er kan, 10

http://www.staff.ncl.ac.uk/henrike.laehnemann/renner/Teil16.html
http://de.wikisource.org/wiki/Bibliothek_des_Litterarischen_Vereins_in_Stuttgart (Links zu den 2 Bden der Ehrismann-Ausgabe)

Danke für alle Hilfe! Gemeinsam und mit Social Media kommt man schneller voran.



#forschung
ho meinte am 2011/11/05 21:36:
Vielleicht ist der Sinn: Es steht jetzt (isze) heuer (huwer) schlechter (übler) als voriges Jahr (vernt/vert = Vorjahr)

also eine milde Form der laudatio temporis acti? 
FeliNo (Gast) meinte am 2011/11/07 14:18:
Vielleicht noch diese kleine Malerei als Illustration?:-)

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Monk_sneaking_a_drink.jpg 
KlausGraf antwortete am 2014/07/12 01:58:
Als Priamel bei Eschenburg 1799
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