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Peter Brommer, Kurtrier am Ende des Alten Reichs. Edition und Kommentierung der kurtrierischen Amtsbeschreibungen von (1772) 1783 bis ca. 1790 (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte Bd. 124/1-2), Mainz: Selbstverlag der Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte 2008. 1472 S.

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Nach der positiven Resonanz auf seine Edition des kurtrierischen Feuerbuchs von 1563 (2003) hat sich der Koblenzer Archivar Peter Brommer entschlossen, auch die im Landeshauptarchiv Koblenz vorhandenen kurtrierischen Amtsbeschreibungen herauszugeben. In einem Generalrundschreiben forderte der Erzbischof 1783 die Ämter auf, ausführliche Beschreibungen mit Angaben über Grenzen, innere Verfassung, Gerichtsbarkeiten, fremde Enklaven und Verträge mit Auswärtigen einzureichen, ein Auftrag, den die Ämter äußerst saumselig erfüllten. Als letztes sandte 1792 das Amt Camberg den Bericht ein. Diese Berichte stellen eine großartige landeskundliche Quelle dar, die nunmehr bequem benutzbar ist. Brommer kommentiert die Berichte ausführlich, wobei er für jeden Ort demographische Angaben aus den Archivalien erhoben hat. Das ehemalige Territorium Kurtrier hat somit ein neues Standardwerk erhalten, auf dessen Heranziehung niemand wird verzichten können, der sich forschend mit orts- und landesgeschichtlichen Fragen im Gebiet des nördlichen heutigen Bundeslandes Rheinland-Pfalz befasst.

90 Euro für die beiden Bände ist zwar nicht überteuert, aber für etliche Heimatforscher einfach nicht erschwinglich.

Neben ihrem eher nüchternen statistisch-juristischen Hauptinhalt enthalten die Berichte ab und zu auch spannende Details. Hierzu einige Beispiele:

S. 31 Archäologische Funde in Güls

S. 125 Der "Stumpfe Turm" bei Baldenau wird als "überbleibsel uralter heidnischer architecturen" angesehen. Eine Heidenstadt genannt Sommerburg soll zur Zeit der Hunnen geschleift worden sein.

S. 189 Traditionen zur Kleeburg im Oberamt Boppard.

S. 474 Als Beispiel für die Angaben zur Charaktersistik der Einwohner sei zitiert: "Der Mayener ist gesund und starken leibes, leichtgläubig, eigennützig, hängt den mantel nach dem winde, ist zu aller arbeit geschickt, aber nicht emsig, ist nicht häuslich, vielmehr dem weine sehr ergeben und sehr hitzig".

S. 683 "Der zu Dahlen, pfarr Meud, befindliche einzige protestant in hiesigem amt nahmens Cristian Meyer, von Maxein in dem Hachenburgischen gebürtig, hat sich vor 23 jahren nach Dahlen verheurathet, lasset seine kinder alle katholisch erziehen, haltet dieselbe zum schuhl- und kirchengang strenger an als einer der übrigen pfarrgenossenen, gehet selbst fleisig in die pfarrkirche, ja auch in jene andachten, wo blos das hochwürdige gut verwahret wird, singet und bethet alles ohne ausnahm mit seinen nachbaren, bleibt gleichwohlen immer protestant und haltet alljährlich 1 oder höchstens 2 mal das nachtmahl mit den reformirten zu Maxein". (Eine Gestalt wie aus Hebels Kalendergeschichten, finde ich.)

S. 701 Eine wiederkehrende Neckerei des oberen gegen das untere Kirchspiel Salz (Amt Montabaur) führte immer wieder dazu, dass "sich ortschaft gegen ortschaft, jung und alt in der haaren lagen".

S. 883 Oberamt Münstermaifeld: "Ausser dießen finde in der gerichtsrepositur nichst weithers und sonder bedeutendes ausser der vormahlig hieselbst ausgeübten criminaljurisdiction vermittels im vorigen seculo in jahren 1620 bis 1640 instituirten theils accusations-, theils inquisitionesprocess gegen vorgebliche hechsen und zauberer, so in superstitionen und pactis bestandten haben solle. Die damahlige procedur gefallet mir aber nicht und erachte besser zu sein, daß diese acta verbrennet, alß zum ferneren vorschein kommen sollten."

S. 885f. Überlieferungen zur Maifelder Genoveva und zur Belagerung der Burg Turant.

S. 1121 "Pfahlgraben" (römischer Limes) im Amt Wehrheim.

Mängel weisen die Register auf (erfreulicherweise ist auch ein sehr ausführlicher Sachindex beigegeben). Unter Genovefa, Heilige wird nur die S. 480 ausgeworfen. Niemand kommt auf die Idee, zwei weitere Vorkommen S. 573 und 885 unter "Pfalzgrafschaft" zu suchen. Es fehlt allerdings die Erwähnung S. 553. Dass die Willibrordskinder im Namensindex zu finden sind, während Nikolauskinder und Peterlinge im Sachindex stehen, ist ebensowenig erfreulich. Es wäre auch sinnvoll gewesen, die jeweiligen Hauptstellen und insbesondere die Zusammenstellung der demographischen Daten im Register hervorzuheben.

Verzichten muss der Leser leider auf die Ortsbeschreibung des Amts Montabaur, die "jeden Rahmen gesprengt hätte" (S. 13). Jeden gedruckten Rahmen wohlgemerkt, ein Digitalisat mit E-Text könnte auch diese Ausarbeitung ohne weiteres zugänglich machen, wie überhaupt - ceterum censeo - zu wünschen ist, dass die Brommerschen Editionen möglichst bald auch als E-Texte online "Open Access" im Internet vorliegen mögen.

 

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