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In der ZEIT wendet sich Götz Aly aus Anlass des Falls Gurlitt gegen die Verharmlosung der Tätigkeit der vom NS-Regime beauftragten Kunsthändler: "Hitlers eifrige Kunsthändler arbeiteten in einem System bandenmäßig betriebenen Währungsbetrugs auf erpresserischer Grundlage."

http://www.zeit.de/2013/48/nazi-kunstkauf-devisenhandel/seite-1

Es dauerte Jahrzehnte, bis sich Deutschland (und Österreich) der Tatsache stellte, dass im Deutschland der Jahre 1933 bis 1945 der massenhafte Raub zum durchaus populären Staatsprinzip geworden war. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hatten sich auch Historiker lange dem Schweigekartell angeschlossen. Sie erklärten die deutschen Verbrechen lieber aus "der völkischen Ideologie", aus "Rassenantisemitismus" oder, so das Berliner Jahrbuch für Antisemitismusforschung (1992), "aus dem Ringelreihen wahnwitziger und grausamer Willkür" heraus. Solche Deutungsmuster erschienen für den nationalen Seelenhaushalt sehr viel gemütlicher als der unschöne, aber durchaus passende Begriff Massenraubmord. Wer dennoch davon sprach, wurde von den Mächtigen des Fachs als Verfechter eines "Primitivmaterialismus" (Hans-Ulrich Wehler) verdammt.

Auch Archivare verhielten sich entsprechend. Vor gut 15 Jahren erzählte mir einer von ihnen, tätig im höheren Dienst des Bundesarchivs: "Jetzt endlich habe ich die schriftlichen Hinterlassenschaften der einstigen Umsiedlungsbehörde 'Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums' neu geordnet." Zwecks besserer Übersicht habe er "sämtliche personenbezogenen Einzelfälle" kassiert, das heißt vernichtet. "Das interessiert ja niemanden, da geht es um Kühe, ein Stück Land oder ein paar Möbel." Der Archivar meinte die sogenannte Naturalrestitution im besetzten Polen. Auf diesem Weg wurden volksdeutsche Umsiedler aus Ostmitteleuropa mit dem Eigentum vertriebener Polen und Juden für den Besitz "entschädigt", den sie in ihrer sowjetischen oder rumänischen Heimat zurückgelassen hatten. Diese Staaten bezahlten jedoch für das Hab und Gut der einstigen deutschen Minderheit. Sie lieferten dafür Getreide, Speise- und Erdöl an das Deutsche Reich, die Erlöse daraus vereinnahmte der Fiskus.


Ich kassiere nie NS-Akten und fordere kategorisch: Kein Archivar, der seinen Beruf ernstnimmt, sollte NS-Akten kassieren. Leider wird über viele solche Untaten von Archivierenden der Mantel des Schweigens gelegt. Kaum einmal kommt es zur öffentlichen Diskussion wie im Fall der Hamburger Homosexuellenakten, den ich hier 2006 dokumentierte:

http://archiv.twoday.net/stories/2651791/

Aly stellt weiter dar, wie die Reichsbankakten noch in den 1970er Jahren von Bankern vernichtet wurden: "In Frankfurt beseitigte er [Reichsbankabwickler Ulrich Benkert] damals mithilfe der Notenverbrennungsanlage der Deutschen Bundesbank die restlichen Geschäftsakten der Reichsbank. Dabei gingen Hunderttausende Dokumente des Massenraubs in Flammen auf, vermutlich auch die Schriftstücke, die Hildebrand Gurlitts Geldtransaktionen belegten. Benkert verbrannte den letzten großen Schwung Akten, vom Bundesfinanzministerium ausdrücklich ermutigt, zur Zeit von Bundeskanzler Helmut Schmidt und Finanzminister Hans Apel."

Übrigens gehen gerade Meldungen durch die Presse, wonach beim Ende des britischen Kolonialreichs in großem Umfang Unterlagen vernichtet wurden:

http://www.independent.co.uk/news/uk/home-news/revealed-how-british-empires-dirty-secrets-went-up-in-smoke-in-the-colonies-8971217.html

http://www.theguardian.com/uk-news/2013/nov/29/revealed-bonfire-papers-empire

Auf der ersten Seite des ZEIT-Artikels wird ein gemeinfreies Liebermann-Bild mit der Unterschrift "Max Liebermann, "Mann (Kopf und Oberkörper) – Selbstbildnis des Künstlers mit Skizzenbuch", undatiert, Zeichnung | © Staatsanwaltschaft Augsburg" wiedergegeben, was eindeutig falsch ist. Auch sonst wird das Wasserzeichen so verstanden:

http://www.fineartconnoisseur.com/Germany-s-Online-Archive-for-Missing-Art-Grows/17858307

Die üblichen dümmlichen Kommentare zu http://archiv.twoday.net/stories/565874478/ haben übersehen, dass links oben klein auf der Reproduktion ein "© Melder" steht. Die Staatsanwaltschaft beansprucht also mit dem grundsätzlich für den Inhaber ausschliesslicher Nutzungsrechte reservierten Copyright-Zeichen einen nicht bestehenden Urheberrechtsschutz, was eindeutig rechtswidrig ist.

A. Gaugele meinte am 2013/11/30 16:58:
Auch hinsichtlich personenbezogener Akten aus dem Ersten Weltkrieg hat das Bundesarchiv in der Vergangenheit Kassationsfrevel betrieben. Damals landeten Unmengen von Krankenakte (darunter auch die von Ernst Jünger) aus dem Krankenbuchlager Berlin im Schredder, da wegen Raumknappheit nur eine bestimmte Auswahl an Akten (Geb. Jg. 1890 - 1899, Januar u. Juli) übernommen werden konnte. Bei der "tollen" Überlieferungslage für personenbezogene Unterlagen der preußischen Armee im Ersten Weltkrieg, die im Zweiten Weltkrieg nahezu komplett vernichtet wurden, eine wirklich hirnrissige Entscheidung! Heute scheint man die Entscheidung wohl genauso blöd zu finden.

(siehe auch http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/abteilungen/abtma/32.pdf, insb. S. 7-8) 
 

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