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"Archiv – das klingt langweilig, oder? Wir assoziieren es mit staubigen Akten, die kein Mensch mehr braucht. Aber: Es gibt Archive, die werden von quicklebendigen Leuten höchst dynamisch gehandhabt.

Erst mal zum Wort: Archiv hat die gleiche Wurzel wie der 2. Teil in Matriarchat oder Patriarchat: arché „Ursprung, das Erste”.
Was ist ein Archiv im Patriarchat?

Der Ausdruck – lat. archivum, grch. archeion – wird ursprünglich auf den Wohnsitz eines Archonten angewendet, wo unter dessen Autorität wichtige offizielle Staatsdokumente gelagert werden. Archonten waren im alten Athen die neun aus dem Adel gewählten, an der Spitze des Staates stehenden Beamte.

Die Archivierung des im Hause eines Archon aufbewahrten Archivguts ist an Regeln wie Unveränderbarkeit und langfristige Wiederauffindbarkeit gebunden. Archive sind beispielsweise in Museums-, Finanz-, Bibliotheks-, oder Justizgebäuden zu finden.

Die gesamte Geschichte der Bundesrepublik Deutschlands ist im Barbarastollen archiviert. Na ja, nicht die ganze Geschichte. Nur das Kulturgut das als archivierungswürdig gilt. Ein paar „Experten” wählen das aus und zu patriarchalen Archiven hat auch nicht jeder Zugang – es gibt einen besonderen Berufsstand: Archivar/in – diese Leute dürfen ein Archiv betreten und sorgen dafür, dass alles unverändert an seinem Platz bleibt und „Unbefugte” draußen bleiben.

Immer dann, wenn es heißt „Kein Zutritt für Unbefugte” haben wir es mit einem Herrschaftsinstrument zu tun.

Da der Begriff “Archiv” nicht geschützt ist, könnte man meinen, dass das Wort im Internet beliebig verwendet wird. So ist es aber nicht.
Was ist ein Archiv im Web 2.0?

Es gibt Internetarchive, die schon vor der Web2.0-Technologie aufgebaut wurden und sich in zwei wesentlichen Merkmalen von patriarchalen Archiven unterscheiden:

1. sie wurden als Wissensdatenbanken für zukünftige Generationen konzipiert
2. sie sind allen zugänglich

Ein Beispiel:
Webcitation.org – Zunehmend werden in Print- oder Online-Publikationen Websites als Quellen angegeben. Also auch in Fachbüchern, Forschungsberichten, Dissertationen usw. Während eine gedruckte Quelle auffindbar bleibt (die Angabe „Walter Schmidt, 1984, S. 34″ kann als Buchseite gefunden werden), verändern sich Websites und die Quellenangabe führt möglicherweise als Fehler 404 „ins Leere”. Hier kommt webcitation.org ins Spiel: Ich melde die Adresse der Webpage, die ich in meinem Buch zitiere, dort an, Webcitation archiviert die Seite und zukünftige Leser können permanent auf die Quelle zugreifen, auch wenn die ursprüngliche Seite vom Besitzer nicht mehr betrieben wird. Typisch Web 2.0: der Dienst ist kostenlos.

Viele weitere Beispiele für derartige Archivierung und Verwendungsmöglichkeiten für die Allgemeinheit sind in der Wikipedia beschrieben. Ich empfehle die englische Version, denn der deutschen Wikipatria gelingt es regelmäßig den sozialen Geist des Internets an sich, und des Web 2.0 im Besonderen, abzutöten.
Archivierung im täglichen Gebrauch des Web 2.0

Jeder mit einem Google-Email-Konto weiß die Archivierungsfunktion zu schätzen. Die Firma Google setzt Web 2.0-Technologie um, wo immer möglich, deshalb ist sie erfolgreich. Wie bei jeder anderen Email-Software kann man Emails filtern, in Ordner schieben oder löschen. Die Archivierung versieht dagegen eingehende Emails mit bestimmten Labels (tags, Stichworten) und legt sie unter diesem Label ab, ohne den Posteingangsordner voll zu stopfen. Das eignet sich z.B. für abonnierte Newsletter oder Alerts zu bestimmten Themen, auf die man zugreift – sie sind durchsuchbar -, wenn sie benötigt werden.
Blog-Archiv

Blogbeiträge werden von der Blogsoftware ebenfalls archiviert. Wiederum Web 2.0: denn sie sind für alle zugänglich und werden von Bloggern im Laufe der Zeit verändert! Das geschieht durch inhaltliche Ergänzungen in Artikeln, deren komplette Überarbeitung, einer Neu-Kategorisierung oder dem Löschen überholter Beiträge.

Manche Blogs archivieren unter der Jahreszahl und/oder dem Monat, was nur bedingt Sinn macht, denn man kann an der Archivgliederung nicht erkennen, welche Inhalte sie enthält. Mein Blog ist in Kategorien archiviert (siehe ganz unten). Ein Blogarchiv ist nicht statisch. Es spiegelt zwar wie ein patriarchales Staatsarchiv Geschichte – beim Blog die der bloggenden Person. Aber während ein Staatsarchiv auf Unveränderbarkeit ausgerichtet ist, reflektiert das Blogarchiv die ‘historische’ Veränderung, d.h. die Entwicklung der Bloggerin.
Matriarchales Archiv

Haben Naturvölker und Stammesgesellschaften Archive? Sie haben! Ihr Überleben hängt davon ab. Das Archiv befindet sich aber nicht in einem festen verschlossenen Gebäude, sondern in den Köpfen von Personen, die ein besonders gutes Gedächtnis haben.

Diese Mitglieder matriarchaler Gemeinschaften sind die HüterInnen der politischen Kontinuität ihres Stammes. Sie wissen alles auswendig: Die Linie ihrer Vorfahren, mythologische Ereignisse, heilige Plätze wie Grabstätten oder Schreine, die weit entfernt auseinander liegen können. Ihr trainiertes Gedächtnis speichert unzählige Sprichwörter, Chiffren, Tänze, Liedtexte und Melodien. Die Schamanen unter ihnen finden Kräuter und kennen medizinische Techniken, wissen um deren Wirkung und können effizient damit heilen.
Um das Wissen einer solchen Gemeinschaft zu bewahren, wird es an Begabte von Generation zu Generation weiter gegeben. Es dauert Jahrzehnte, bis alles memoriert ist. Aber es gibt Hilfen für Lernende: Das Bild links zeigt ein afrikanisches Memorialbrett der Luba, ein Bantuvolk im Südosten der Demokratischen Republik Kongo. Die Perlen und Kerben bedeuten signifikante Plätze, Personen, Ereignisse und Ideen.

Die Veränderungen im Stamm und in dessen Umwelt fließen beständig in neu zu erstellende Gedächtnisbretter und damit in die Köpfe der „Archiv-WächterInnen” ein. Das naturwidrige Konzept von unveränderlicher Archivierung hat hier keinen Platz. Dies wird noch deutlicher bei den nordamerikanischen Newspaper Rocks der Indianer. Die sind nämlich Wind und Wetter ausgesetzt.
Aber das beste Beispiel und die perfekte Analogie der matriarchalen Memorialbretter zum Web 2.0 sind die Wikis. Das bekannteste ist die Wikipedia, dazu es gibt unzählige kleinere und ganz kleine Wikis zu allen nur denkbaren Themen. Sie werden angepasst, wie die Bretter der Luba, wenn die Zeit es verlangt.

Archiv ist also nicht gleich Archiv. Entlarvend ist immer die Einstellung, die geistige Haltung, die hinter einer Handlung steht, nicht die Aktion selbst."

Quelle: Beitrag in der Reihe "Matriachat und Web 2.0" für den Blog "Rette sich wer kann v. Hannelore Vonier
ebertplatz.de meinte am 2010/06/21 09:58:
Optimistisch
„Webcitation.org ... Typisch Web 2.0: der Dienst ist kostenlos.“

Wie lange wird es den Dienst geben? Gibt es ihn noch mit fortgeschriebener Datenbasis im "Web 4.5"?

Klingt schon ziemlich naiv optimistisch. 
Hannelore (Gast) antwortete am 2010/06/23 14:52:
Web 2.0 - nicht einfach zu verstehen
Vielen Dank Wolf, dass du den Beitrag aufgegriffen hast!

@ebertplatz.de Webcite ist eine non-profit Service, den es schon seit 1999 gibt, Alexa Rank von 159.668, was willst du mehr? http://en.wikipedia.org/wiki/WebCite

Google ist auch ein Web 2.0 Service und kostenlos...

Geld kommt bei 'kostenlosen' Web 2.0 Services oft ganz woanders her. zB habe ich ein kostenloses Wordpress Template, aber für den Support zahle ich 25 $/Jahr. Viele Autoren von kostenlosem Content (eBooks etc.) verdienen ihre Brötchen mit Vorträgen und Workshops. 
ebertplatz.de antwortete am 2010/06/23 17:06:
Hannelore, Sie haben meine Kritik falsch verstanden.
Ich weiss schon, wie das Web funktioniert. Aber wenn ich "Archiv" höre, dann denke ich in anderen Zeiträumen. Es sind schon eine Menge Webdienste wieder verschwunden und nehmen wir an, dass Webcite in fünf Jahren eingestellt und gleichzeitig ein modernerer neuer Dienst Vergleichbares anbieten würde: Die alten Daten wären weg.

Letztlich führt nichts daran vorbei, eine eigene Kopie der Quelle zu halten, etwa als Screenshot oder PDF. 
KlausGraf antwortete am 2010/06/23 17:14:
Unnötige Bedenken
Es spricht nichts dafür, dass Webcite kein längerfristiges Angebot darstellt. Hier sollte in Blick z.B. auf

http://www.webcitation.org/members

genügen um festzustellen, dass das Webcite-Konsortium, das in Kananda angesiedelt ist, die Bedürfnisse der Wissenschaft (ursprünglich v.a. medizinischer Fachzeitschriften) befriedigen möchte. Es ist also mit dem Webservice einer privaten Firma wie Google nicht zu vergleichen. Archivalia nutzt gelegentlich Webcite ebenfalls. 
ebertplatz.de antwortete am 2010/06/23 18:09:
„Es spricht nichts dafür, dass irgendetwas im Internet ein längerfristiges Angebot darstellt."
Wir sprechen uns in zehn Jahren? ;-) 
KlausGraf antwortete am 2010/06/23 18:14:
Unsinn
Es gibt eine Fülle staatlich organisierter Langzeitarchivierungsprogramme des Web, bei denen ich in der Tat überzeugt bin, dass sie in 10 Jahren noch existieren werden. 
Hannelore (Gast) antwortete am 2010/06/25 03:57:
@ebertplatz.de Troll 
 

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