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"Des hottse vergaigt", wie man in Schwaben sagt. Die Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff hat zur künstlichen Befruchtung eine Meinung geäußert, die ich nicht im mindestens teile. Inzwischen nimmt sie die schlimmsten Entgleisungen zurück. Aber durchaus richtig ist ihre Aussage:

"Offenes Drauflossprechen wurde früher eher akzeptiert als jetzt. Ganz definitiv. Es gehört zum Übel unserer Zeit, ständig wohlbehalten sprechen zu müssen, da sich jeder jederzeit gekränkt fühlen könnte. Wir sind schon eine Gesellschaft der beleidigten Leberwürste."

http://www.zeit.de/2014/12/sibylle-lewitscharoff-kuenstliche-befruchtung-halbwesen/seite-2

Das OLG Stuttgart hatte sich mit einer negativen Hotelbewertung zu beschäftigen, bei der ein Bewerter ein Landhotel satirisch mit einem Hühnerstall verglichen hat.

http://www.ferner-alsdorf.de/rechtsanwalt/it-recht/internetrecht/olg-stuttgart-zu-bewertungen-im-internet-schmaehkritik-und-meinungsaeusserung/12635/

Dass der Hotelier das abweisende Urteil des LG Rottweil nicht akzeptierte, spricht für eine gar nicht so seltene Verbissenheit, wenn es ums Internet geht. Das OLG sah sich genötigt, zur Meinungsfreiheit das zu wiederholen, was längst in der Rechtsprechung anerkannt ist:

Für den Schutz von Werturteilen ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Aussagen wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, emotional oder rational begründet sind. Werturteile, die zur Meinungsbildung beitragen und andere Personen überzeugen wollen, nehmen deshalb am Schutz des Art. 5 GG auch dann teil, wenn sie in scharfer und abwertender Kritik bestehen, mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden oder in ironischer Weise formuliert sind (BVerfG, Beschluss vom 13.05.1980 - 1 BvR 103/77 - Kunstkritik, juris Rn.29; BGH, Urteil vom 20.05.1986 - VI ZR 242/85, juris Rn.9; BGH, Urteil vom 17.04.1984 - VI ZR 246/82 - Mordoro, juris Rn.22). Die Grenzen des Rechts auf freie Meinungsäußerung werden allerdings mit der sog. Schmähkritik überschritten (BVerfG a.a.O.; BGH a.a.O.).

Der Begriff der Schmähkritik ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs im Interesse der Meinungsfreiheit eng auszulegen (BVerfG, Beschluss vom 31.08.2000 - 1 BvR 826/00, juris, Rn.4; BVerfG, Beschluss vom 02.07.2013 - 1 BvR 1751/12, juris Rn.15; BGH, Urteil vom 07.12.1999 - VI ZR 51/99, juris Rn.39 m. w. N.). Eine Schmähung liegt nicht bereits wegen der herabsetzenden Wirkung einer Äußerung für Dritte vor, selbst wenn es sich um eine überzogene oder ausfällige Kritik handelt. Eine herabsetzende Äußerung nimmt vielmehr erst dann den Charakter einer Schmähkritik an, wenn in ihr nicht mehr über die Auseinandersetzung in der Sache, sondern jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG, Beschlüsse vom 31.08.2000 und 02.07.2013 a.a.O.).

http://openjur.de/u/664500.html

ladislaus (Gast) meinte am 2014/03/15 19:33:
Ich stimme prinzipiell dieser Einschätzung der "Gesellschaft der beleidigten Leberwürste" zu, finde aber, dass die Gesellschaft bei Drauflosgequatsche wie in Lewitscharoffs Fall, die mal eben einer ganzen Bevölkerungsgruppe das Menschsein und damit auch die Menschenwürde abspricht, gar nicht beleidigt genug sein kann. Und ja, jetzt kommt der vermaldeite Nazivergleich: Wie es ausgeht, wenn eine ganze Gesellschaft mitsamt den höchsten intellektuellen Vorbildern ohne wirkliche wissenschaftliche Grundlage wild darauflossspekuliert, sah man beim Sozialdarwinismus, der Rassenlehre und der Euthanasiebewegung. Das waren anfangs auch alles ehrenwerte Damen und Herren, die nur mal eben laut vor sich hin dachten, aber es endete in den Gaskammern. Meinungsfreiheit: ja, unbedingt (und ich bin nach wie vor für die Abschaffung aller Beleidigungsstraftatbestände und für die Tilgung des Worts "Ehre" aus allen Gesetzen). Aber plumpe Volksverhetzung, wie sie Lewitscharoff hier betrieb, muss einfach gesellschaftlich geächtet bleiben und auch strafrechtlich verfolgbar. 
 

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