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Der Angehörige der bayerischen Adelsfamilie (Biographisches) veröffentlichte nicht nur die Geschichte seiner Familie, sondern auch zwei wichtige Arbeiten zum Turnierwesen.

Die Gumppenberger auf Turnieren (1862)
http://books.google.de/books?id=LeUSAAAAYAAJ

Nachrichten über die Turniere zu Würzburg und Bamberg in den jahren 1479 und 1486. In: Archiv des Historischen Vereines von Unterfranken und Aschaffenburg 19 (1866), S. 164-210
http://books.google.de/books?id=tbxAAAAAcAAJ&pg=RA1-PA164

Ich halte die Monographie und die Quellenmitteilungen für ausgezeichnete Leistungen. Insbesondere für die Geschichte der sogenannten Vier-Lande-Turniere 1479/87 bietet seine Darstellung eine bis heute nicht ersetzte verdienstvolle Materialgrundlage. Bemerkenswert sind seine Beiträge zur Rüxner-Kritik, auch wenn er damit nicht weit genug ging.

Nicht weniger ausgezeichnet ist ein moderner Aufsatz von Thomas Zotz: Adel, Bürgertum und Turnier in deutschen Städten vom 13. bis 15. Jahrhundert. In: Josef Fleckenstein (Hg.), Das ritterliche Turnier im Mittelalter (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 80), Göttingen 1985, S. 450-499.

Nun behauptet Zotz S. 480 Anm. 200, Gumppenberg habe die Ordnung des Würzburgers Turniers 1866 "fehlerhaft" gedruckt, was insofern erstaunt, als Gumppenberg auf Mängel seiner Vorlage, einer nach seinen Angaben Ende des 16. Jahrhunderts entstandenen Abschrift ausdrücklich aufmerksam macht und Gumppenbergs Vorlage, die Handschrift aus der Schlossbibliothek Neubeuern, seither, soweit bekannt, nicht wieder aufgetaucht ist.

War Gumppenberg ein schlechter Editor? In seiner Monographie von 1862 druckte er auch Auszüge aus dem Turnierbuch des Ludwig von Eyb d. J., das im - online einsehbaren - Cgm 961 überliefert ist und von Heide Stamm 1986 ediert wurde (zu dieser Ausgabe: http://archiv.twoday.net/stories/75236345/ ).

Ich habe Gumppenberg S. 45-47 mit Stamm S. 145f. kollationiert und auch mit der Handschrift
http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00038996/image_107
verglichen.

Wenn ich nichts übersehen habe, zähle ich 17 Differenzen. In fünf auf den ersten Blick unklaren Fällen gebe ich Stamm gegen Gumppenberg Recht. In sechs sonstigen Fällen liest Stamm eindeutig richtig, auch bei "Poxawer". In den restlichen sechs Fällen liest jedoch Gumppenberg richtig: vor Bernegk fehlt ein zu, es heißt Hohenfels nicht Hohennfels, Trawn nicht Trawen, Erhart nicht Erhardt, Cunradt nicht Chunradt, Seefelld nicht Seefeld. Bei "Falkenstain" haben übrigens beide nicht genau genug hingeschaut.

Bis auf Porawer ist keine der Verlesungen inhaltlich relevant. Gemessen an anderen Editionen des 19. Jahrhunderts halte ich die Wiedergabe Gumppenbergs für zuverlässig, er transkribiert diplomatisch getreu und verzichtet auf jegliche Modernisierungen. Eher wird man die Frage aufzuwerfen haben, ob man nicht Stamms Ausgabe von 1986 als "fehlerhaft" einzuschätzen hat. Eindeutige Fehllesungen begegnen sogar in jüngsten MGH-Editionen (z.B. in Lauterbachs Oberrheiner-Ausgabe).

Zwei zentrale Quellen, auf die sich Gumppenberg stützte, Raidenbuchers Turnierbuch und die Neubeurer Handschrift (ebenfalls ein Turnierbuch), sind verschollen. Meine Kollation hat gezeigt, dass größere Bedenken hinsichtlich von Gumppenbergs Abdrucken nicht angebracht sind.

Ich sehe auch keine Anhaltspunkte, dass Gumppenberg diese ausserordentlich inhaltsreichen Quellen erfunden oder verfälscht hat (zu ihnen siehe Stamm S. 51, 53f.). Joachim Schneider, Spätmittelalterlicher deutscher Niederadel (2003), S. 116f. hat darauf aufmerksam gemacht, dass das sogenannte Würzburger Wappenbuch (Kupferstichkabinett Berlin Hs. 77 B 5), das er 1504/14 datiert, im ersten Teil (S. 4-21) eine Turnierchronik enthält, die den Abdruck Gumppenbergs 1866 S. 167-193 (zum Würzburger Turnier) absichere.

Nicht bekannt war Schneider die Pariser Überlieferung des Turnierregisters: Paris, Bibl. Nationale, Ms. allem. 304 (16. Jh.?) mit Turnierverzeichnissen Würzburg 1479 und Heidelberg 1481. Zur Handschrift:
http://www.handschriftencensus.de/11414
Gédéon Huet, Catalogue des manuscrits allemands de la Bibliothèque Nationale, Paris 1895, S. 138.
http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k209173q/f145.image
Brunner ZGO 1898, S. m80²
http://www.archive.org/details/BadischeMitteilungen16-20

Wie Seelbach bemerkte, ist der Eintrag zum Würzburger Turnier in eine Gießener Handschrift nicht identisch mit Gumppenbergs Text:
http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2007/4898/pdf/329.pdf

Die bei Pöschko S. 93 erwähnte Handschrift des Staatsarchivs Weimar kenne ich nicht. Die Einträge zum Würzburger Turnier (fehlen im Digitalisat http://archiv.twoday.net/stories/75245202/) in Wyses Chronik kommen aufgrund ihrer Kürze sicher nicht als weitere Vollüberlieferung in Betracht.

Der Gumppenberg 1862 S. 10 wiedergegebene Eintrag zu Raidenbuchers Turnierbuch 1510 mag zwar vielleicht prima facie Verdacht erregen, aber wenn man sich die Sprachgestalt der Auszüge aus dieser bedeutsamen Quelle ansieht, muss man es für ausgeschlossen halten, dass Gumppenberg in der Lage war, diese Texte zu fälschen. Anhaltspunkte, dass Gumppenberg den Wortlaut seiner Vorlagen bewusst verfälscht hat, sind nicht ersichtlich.

Die im 18. Jahrhundert (zuerst von Jung, dann in den Selecta Norimbergensia) gedruckten Aufzeichnungen Ludwigs von Eyb d. Ä. zum Ansbacher Turnier 1485 (vgl. Schriften ed. Thumser, 2002, S. 384) stellen eine Parallelüberlieferung zu Raidenbuchers Turnierbuch dar, das eine andere Redaktion vertritt. Aus welchem Grund hätte sich Gumppenberg die Mühe machen sollen, aus den älteren Drucken und dem Turnierbuch des jüngeren Eyb eine vergleichsweise uninteressante Raidenbucher-Fassung zu erstellen?

Daher wird man bis auf weiteres Raidenbuchers und das Neubeurer Turnierbuch als authentische Quellen des 16. Jahrhunderts, die wertvolles Material zum 15. Jahrhundert enthalten, verwerten dürfen. Was man ja auch bisher so praktiziert hat, siehe z.B.
http://www.la84foundation.org/SportsLibrary/JSH/JSH1990/JSH1702/jsh1702b.pdf

#forschung
 

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