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Peter Hirtle: What the University of Arkansas controversy can teach us about archival permission practices. In: LibraryLawBlog vom 24. Juli 2014
http://blog.librarylaw.com/librarylaw/2014/07/arkansas-and-archival-permission-practices.html

Weil sie Tonbänder von Hillary Clinton aus den Sondersammlungen der Universität von Arkansas ohne Genehmigung veröffentlicht hatten, wurden Reporter vom Washington Free Beacon von der weiteren Benutzung ausgeschlossen. Peter Hirtle gibt einen Überblick über die rechtlichen Hintergründe des Falls und kommt zu dem überzeugenden Schluss: "It is time for repositories to get out of the "permission to publish" game and leave permissions to the copyright owner."

Hirtle konzentriert sich auf das Urheberrecht und warnt auch vor Copyfraud.

Er greift damit ein Thema auf, das ich schon oft angesprochen habe. Die wichtigsten Fundstellen sind unter

http://archiv.twoday.net/stories/565877119/

zusammengestellt.

Einige Thesen zur deutschen Rechtslage:

1. Veröffentlichungsgenehmigungen sind einzig und allein Sache des urheberrechtlichen Rechtsinhabers, nicht der Institution, die Werkstücke verwahrt. Sind Kulturgüter gemeinfrei ist der Rechteinhaber die Allgemeinheit ("Public Domain") und eine Veröffentlichungsgenehmigung fehl am Platz.

Hirtle macht zurecht darauf aufmerksam, dass Veröffentlichungsgenehmigungen durch Archive missverständlich so aufgefasst werden können, dass eine weitere, davon unabhängige Klärung mit dem Rechteinhaber entbehrlich sei.

Ist das öffentliche Archiv bzw. der Archivträger nicht der Rechteinhaber, so hat es im Rahmen seiner gesetzlichen Befugnisse nur zu entscheiden, ob das Medium a) vorgelegt und b) vervielfältigt werden kann.

Zur Vorlage geschützter Archivalien:
http://archiv.twoday.net/stories/41788826/

Zu Kopien: Angesichts der großen Bedeutung der Kommunikationsgrundrechte in Art. 5 GG sehe ich kaum eine Möglichkeit für das Archiv, die Abgabe einer Kopie zu verweigern. Solange nicht ein Rechteinhaber gerichtlich ein Vervielfältigungsverbot gegen das Archiv erwirkt, sollten Archive Kopien urheberrechtlich mutmaßlich geschützter Dokumente mit einem deutlichen Warnhinweis zum Urheberrecht abgeben. Unveröffentlichte Dokumente dürfen nicht zitiert werden (§ 51 UrhG), aber im Ausnahmefall eben doch:

http://archiv.twoday.net/stories/3225515/

Für Veröffentlichtes gilt: "Von der juristischen Urheberrechtsliteratur ignoriert wird die Einsicht des Bibliotheksjuristen Klaus Peters, der vor Jahren schon darauf hinwies, dass auch zur Ermöglichung des Zitatrechts nach § 51 UrhG angefertigte Kopien rechtmäßig sind."
http://archiv.twoday.net/stories/4056977/
http://books.google.de/books?id=QD3TX_eoKxkC&pg=PA112

2. Es gibt in Deutschland kein Immaterialgüterrecht neben dem Urheberrecht an der eigenen Sache

Zur Rechtslage im Vatikan jüngst:
http://archiv.twoday.net/stories/909744771/
Zu weiteren Ländern:
http://archiv.twoday.net/stories/714908389/

Zur deutschen Rechtslage wiederhole ich das Zitat aus einem Aufsatz von Malte Stieper in der ZUM 2013:

"Zum Schwur kommt es, wenn bewegliche Sachen fotografiert werden, die sich zwar auf dem Grundstück befinden, aber nicht notwendig dessen Eigentümer gehören. So hat die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten unter Berufung auf ihr Grundstückseigentum in einem weiteren Verfahren versucht, auch die Verwertung von Kunstdrucken und Postern der in ihren Anwesen ausgestellten gemeinfreien Gemälde zu unterbinden. Das AG Hamburg (ZUM-RD 2013, 148, 150) hat die Klage abgewiesen, weil »Erträge aus der Verwertung von Abbildern beweglicher Sachen keine Früchte des Grundstücks [seien], auf dem sich die beweglichen Sachen – gerade – befinden, sondern Früchte der Sache selbst« und die Verwertungsbefugnis daher »beim Sacheigentümer und nicht beim Grundstückseigentümer« liege. Die Begründung, mit der das Gericht eine Erstreckung der Rechtsprechung im Fall »Preußische Gärten und Parkanlagen« auf bewegliche Sachen ablehnt, zeigt die Gefahr, die der V. Zivilsenat mit seiner Rechtsprechung heraufbeschworen hat: Die Verwertung von Abbildern eines Kunstgegenstands ist weder dessen Eigentümer noch dem Eigentümer des Grundstücks zugewiesen, auf dem sich der Gegenstand befindet, sondern ausschließlich dem Urheber des darin verkörperten Werkes (Münch, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2007, § 1004 Rn. 62 m. w. N.), und das auch nur bis zum Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist. Die Werke, die auch nach Ablauf dieser Frist noch verwertbar sind, sind nach Auffassung des Gesetzgebers gerade »die Meisterwerke der Literatur und Kunst, die in den Kulturbestand eines Volkes eingehen und deren Verbreitung und Wiedergabe im allgemeinen Interesse dann jedermann freistehen« muss (Amtl. Begr. zum UrhG, BT-Dr. IV/270, S. 79; dazu Stieper, GRUR 2012, 1083 ff. m. w. N.).

Eine zeitlich unbegrenzte ausschließliche Verwertungsbefugnis des Eigentümers ist damit nicht zu vereinbaren."
http://archiv.twoday.net/stories/565878174/

Siehe auch
http://archiv.twoday.net/stories/6164988/

3. Was gemeinfrei ist, muss auch digital gemeinfrei bleiben

Das ist die Position der EU, siehe die Nachweise

http://redaktionsblog.hypotheses.org/2417

4. Vertraglich kann kein Urheberrechtsschutz wirksam "nachmodelliert" werden

Flachware-Reproduktionen genießen keinen urheberrechtlichen Schutz, und auch bei Nutzung durch Dritte kann der § 51 UrhG, der Bildzitate erlaubt, nicht ausgehebelt werden.

Üblicherweise sind Nutzungsvereinbarungen AGB, denn sie werden nicht nur für einen Vertragspartner ausgehandelt. Damit unterliegen sie der Inhaltskontrolle.

"Wird das dem Vertragspartner aus dem Adelsarchiv X. ausgehändigte Material von dritter Seite veröffentlicht, haftet der Vertragspartner ohne Rücksicht auf sein Verschulden mit einer Vertragsstrafe von 5000 Euro". Welcher Forscher würde sich auf eine solche Klausel wohl einlassen? Und wenn eine Sockenpuppe Handschriftenscans auf Wikimedia Commons hochlädt, muss dem Benutzer erst einmal nachgewiesen werden, dass sie tatsächlich von ihm stammen.

5. Pro-Forma-Kontrollrechte sind ersatzlos zu streichen

Überhaupt nicht überzeugend lesen sich die von Hirtle referierten Positionen der Universität. Es ging nicht um handfeste finanzielle Einkünfte, sondern offenkundig einfach darum, die Veröffentlichung deshalb zu kontrollieren, WEIL MAN ES EBEN KANN. Das ist eine Argumentation, wie ich sie schon dutzendfach auch im deutschen Archivwesen gefunden habe. Die Archivare denken "Wir haben automatisch ein Copyright an unseren Beständen" und wenn man ihnen die urheberrechtliche Haltlosigkeit dieser Position nachweist, denken sie nicht daran, sie aufzugeben. Sie faseln von "ordnungsgemäßer archivischer Nutzung", aber es ist trotz vieler Worte völlig unklar, welchen nicht-fiskalischen Zweck Genehmigungsvorbehalte bei der Veröffentlichung/Edition von altem Archivgut haben. Abgesehen von datenschutzrechtlichen Erwägungen bei modernen Unterlagen, wobei die Archivgesetzgebung eine wirksame Rechtsgrundlage darstellen kann.

6. Forschungssteuerung durch exklusive Veröffentlichungsbefugnisse ist verfehlt

Leider geht Hirtle auf diesen Aspekt nicht ein. Ein exklusiver Quellenzugang ist von Übel, wie Joseph Sax gezeigt hat, siehe

http://archiv.twoday.net/stories/4657108/

Auszüge aus dem Buch von Sax 1999 sind online:

http://books.google.de/books?id=Kdl6XH8wyJMC&pg=PA173

"In der ehemaligen DDR wurde mir von einer Handschriftenbibliothek eine Veröffentlichungserlaubnis verweigert, weil ich noch keinen konkreten Publikationsort angeben konnte. Aus devisentechnischen Gründen hatte die Veröffentlichung bevorzugt in einem DDR-Verlag zu erfolgen, und DDR-Wissenschaftler besaßen natürlich Vorrang."
Schrieb ich 1995
http://deposit.ddb.de/ep/netpub/89/96/96/967969689/_data_stat/www.dbi-berlin.de/dbi_pub/einzelth/rechtpub/graf.htm
(Es war übrigens die Forschungsbibliothek Gotha.)

Es ist nicht Sache der Gedächtnisinstitutionen zu entscheiden, welche Wissenschaftler welche Dokumente veröffentlichen dürfen. Für öffentliche Institutionen ergibt sich diese Neutralitätspflicht aus Art. 3 GG.
 

twoday.net AGB

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