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In ihrem Buch „Web 2.0 in Archiven. Hinweise für die Praxis“ versucht Susann Gutsch erstmals einen Überblick über die Möglichkeiten und Perspektiven zu geben, die das Web 2.0 für Archive bietet, diskutiert aber auch die Probleme, die damit zwangsläufig einhergehen. Da nach Aussage von Dr. Mario Glauert vom Brandenburgischen Landeshauptarchiv „viele deutsche Archive kaum im Web 1.0 angekommen sind“ hat die Arbeit durchaus Pioniercharakter.

Zu Beginn versucht sich Gutsch an einer Begriffsklärung, wobei sich eine Definition im eigentlichen Sinne als schwierig erweist, da über den spezifischen Charakter des Web 2.0 auch in der Fachwelt unterschiedliche Ansichten vorherrschen (S.11-12). Eine Annäherung gelingt schließlich über die Aufzählung wesenstypischer Merkmale, die Tim O’Reilly, der Erfinder des Begriffes, als kennzeichnend ansieht (S. 12-14). Vor allem der Aspekt der Partizipation (Einbeziehung der kollektiven Intelligenz der Nutzer) scheint hier bedeutsam zu sein. Auch die Entwicklung des Phänomens wird nachgezeichnet, ebenso die Kritik daran (S. 15-18). Schließlich wird noch die Nutzung des Web 2.0 durch Bibliotheken, die bereits in relativ hohem Maße mit Anwendungen aus diesem Bereich arbeiten, und Museen, bei denen dies, ähnlich wie bei Archiven, auf vergleichsweise geringer Basis stattfindet, untersucht (S. 18-20) und ein Überblick über den Forschungsstand zum Thema Web 2.0 und Archive gegeben (S. 20-22). Das Fazit: Im Gegensatz zum englischsprachigen Raum gibt es in Deutschland bisher so gut wie keine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Web 2.0 in der Archivliteratur.

In den folgenden Kapiteln versucht Gutsch darzulegen, wie die zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten des Web 2.0 auch im Archivwesen gewinnbringend eingesetzt werden könnten, wobei der Mehrwert für die Archive vor allem in den deutlich schnelleren und vielfältigeren Möglichkeiten der Kommunikation mit den Nutzern besteht. Mehrere Studien belegen offensichtlich, dass die Nutzung von Web 2.0 Applikationen durch Archive nicht nur zu einem Anstieg der Nutzerzahlen führt, sondern auch zur Erschließung gänzlich neuer Nutzerpotentiale, die mit der Materie Archiv sonst kaum in Kontakt kämen.

Zunächst erklärt Gutsch die Funktionen und Anwendungsmöglichkeiten einiger Web 2.0 Elemente, die sich keiner einzelnen Anwendung zuordnen lassen, wie Tagging, Social Bookmarking oder RSS (S. 26-31). Dann folgen die detaillierten Erörterungen zu besagten selbstständigen Anwendungen, die zunächst beschrieben und anschließend auf ihren möglichen Nutzen für Archive hin untersucht werden. Ans Ende setzt Gutsch dann noch jeweils ein konkretes Anwendungsbeispiel aus der Praxis, das dem Leser Funktion und Wirkweise der Applikationen im Zusammenhang mit ihrer archivalischen Nutzung noch einmal verdeutlicht.

Für Weblogs (S. 31-44) betont die Autorin vor allem ihre Möglichkeiten im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Marketing und stellt eine typologische Unterteilung nach Kate Theimer vor: Institutional Blogs dienen vor allem zur Verbreitung und Bekanntmachung von Neuigkeiten und können sowohl intern als auch extern verwendet werden. Processing Blogs dokumentieren für die Öffentlichkeit die Erschließung eines bestimmten Bestandes, während Archival Content Blogs die direkte Publikation ausgewählter Archivalien beinhalten (z.B. Archivale des Monats). Blogs Supporting Traditional Archival Systems schließlich dienen der Unterstützung archivalischer Arbeit, wie etwa der Dokumentation von Anfrage-Recherchen, die dann später auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können.

Für das Betreiben eines Wikis (S. 45-59) ist vor allem ein adäquat großer Nutzerkreis ratsam, weshalb diese Anwendung hauptsächlich für größere Archive und/oder in Form einer Kooperation mit anderen Einrichtungen relevant ist. Es eignet sich besonders als Instrument zur Planung, Vorbereitung und Zusammenarbeit, kann aber auch im Benutzerservice Anwendung finden. Von einer Verwendung als Homepage-Ersatz oder als Ort für das Verzeichnen von Beständen rät Gutsch dagegen eher ab.

Für die Nutzung von Crowdsourcing (S. 60-73) gibt es im Archivwesen zwei unterschiedliche Ansätze: Das Archiv betätigt sich mit seiner Arbeitskraft und Fachkompetenz als Crowdsourcer an der Problemlösung anderer, oder es lagert selbst bestimmte Tätigkeiten aus und beteiligt die Internetgemeinde somit an der Lösung eigener Fragestellungen. Grundsätzlich wird die Beteiligung an Crowdsourcing durch die Autorin sehr positiv bewertet. Der Bereich Bewertung sollte dabei allerdings ausgespart werden, da er von externen Nutzern nicht geleistet werden kann.

Auch das Photo Sharing (S. 74-86) dient vor allem dazu, der Öffentlichkeit regelmäßig Inhalte aus den eigenen Beständen (im Idealfall natürlich Fotografie) zu präsentieren (z. B. Bilderfreitag). Auch hier kann versucht werden, die Nutzer zur aktiven Beteiligung zu animieren, etwa eigenes Material beizusteuern. In jedem Fall kann auf diesem Wege der Kontakt zwischen Archiv und Benutzern intensiviert und das Image der Archive verbessert werden.

Ähnliches gilt auch für das Social Networking (S. 86-100), das primär ein Instrument der Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, Nutzerakquise- und Kommunikation ist. Aufgrund seiner großen Verbreitung und vielen Applikationen empfiehlt Gutsch vor allem eine Präsenz bei Facebook, aber auch der Aufbau eines eigenen Netzwerkes kann sinnvoll sein.

Im Folgenden werden dem Leser Funktion und Bedeutung weiterer Elemente des Web 2.0 in kurzer Form erläutert. Dazu gehören das Podcasting (S. 100-103), das Video Sharing (S. 103-106), das Microblogging (S. 106-108) und Mashups (S. 108-110). Sie alle sind mehr oder weniger Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit und dienen insbesondere der Verbesserung des Dialogs mit den Benutzern: Der Bereich des Archivwesens, welcher sich durch eine Annäherung an das Web 2.0 am meisten verändern könnte.

Die letzte Teilrubrik in Gutschs Aufzählung ist den Online-Findbüchern vorbehalten (S. 110-112), also Findbüchern, die im Internet einsehbar sind. Eine solche Präsentation der eigenen Bestände, insbesondere wenn sie mit Web 2.0 Techniken verknüpft ist (hier ist z. B. das Tagging zu nennen), vergrößert nicht nur den potentiellen Nutzerkreis, sondern könnte auch zu einer deutlichen Verbesserung der Recherchemöglichkeiten führen.

Zum Schluss wendet sich die Autorin schließlich den Grenzen zu, die naturgemäß auch dem Web 2.0 gesetzt sind, und der sich insbesondere diejenigen, die mit seinen Elementen arbeiten, bewusst sein sollten (S. 113-120). Diese Grenzen werden gerade beim Stichwort „Mitmach-Archiv“, und der damit verbundenen Frage deutlich, inwieweit man die Kontrolle über die eigenen archivalischen Inhalte abgeben kann und darf. In manchen Bereichen, wie etwa der Bewertung, muss die letzte Entscheidungskompetenz immer in den Händen des Archivars verbleiben. Gutsch warnt vor zu hohen Erwartungen an das Web 2.0, verweist auf die Notwendigkeit, über die bloße Bereitstellung technischer Anwendungen hinaus auf die Nutzer zuzugehen und macht auf bestehende Risiken und einen gesteigerten Arbeitsaufwand aufmerksam.

Dennoch, so ihr Fazit (S. 121-125), kann man den Archiven nur zu mehr Offenheit im Umgang mit den Möglichkeiten raten, die das Web 2.0 bietet. Diese sollten als Chance, nicht als zusätzliche Belastung begriffen werden und böten vielfältige Möglichkeiten zur Verbesserung insbesondere von Nutzerservice und Imagepflege. Ihr Buch kann als eindeutiges Plädoyer für eine verstärkte Nutzung dieser Möglichkeiten verstanden wissen, denn gerade im deutschsprachigen Raum besteht hier im Archivwesen noch eindeutig Nachholbedarf. Das Web 2.0, so schließt die Autorin, „ist nicht die Zukunft, es ist die Gegenwart – auch für Archive.“


Entstanden im Rahmen eines Praktikums beim Hochschularchiv der RWTH Aachen.
 

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