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Nichtskönner vom OLG Stuttgart, die sich leider Richter nennen dürfen, haben im Fall Kröner vs. Fernuni Hagen entschieden, dass nur drei (in Zahlen: 3) Seiten im Rahmen von § 52a UrhG Kursteilnehmern zugänglich gemacht werden dürfen.

http://www.boersenverein.de/sixcms/media.php/976/OLG%20Stuttgart%20040412.pdf

Zu § 52a UrhG
http://archiv.twoday.net/search?q=52a+urhg

RA Thomas Stadlers Stellungnahme:
http://www.internet-law.de/2012/04/das-urheberrecht-behindert-unterricht-und-bildung.html

Aus Rainer Kuhlens Stellungnahme:

a) Weltfremde Richter. In einem Rechtsstaat kann man Gerichtsurteile nicht einfach ignorieren. Also dem Rektor der Fernuniversität Hagen zu empfehlen, doch mal 6 Monate ins Gefängnis zu gehen, weil er sich dem Urteilen des Gerichts nicht anschließen mag, wäre wohl nicht angebracht. (warum eigentlich nicht – das wäre doch mal was; er wird deshalb wohl nicht gleich seinen Beamtenstatus verlieren) Aber man wird durchaus feststellen können, dass Richter wie die in Stuttgart in einer Welt des Umgangs mit Wissen und Information leben, die nichts mit der Realität des Forschens und des Lehrens und Lernens in elektronischen Umgebungen zu tun hat.

b) Selbstreferenzielle, sich verstrickende Juristen. Sind jemals in solche Verfahren Gutachten und Stellungnahmen eingegangen, die die Sicht von Bildung und Wissenschaft vertreten? Vermutlich nicht. Juristen sind i.d.R. selbstreferenziell und schließen Information aus der Welt außerhalb des juristischen Horizonts aus. Ist nicht Recht auch eine Sozial- und Politikwissenschaft? In solchen sich selbst verstrickenden Zirkeln entstehen zwar weiter rechtlich richtige Urteile, aber kaum gerechte.

c) Ziviler Ungehorsam. Also wird man Wege finden müssen, diese Urteile zu ignorieren. Wie weit dabei der individuelle zivile Ungehorsam gehen kann, muss jeder für sich entscheiden. Auf jeden Fall werden die findigen Studierenden Wege finden, wie Entscheidungen der Gerichte umgangen werden können, die auch technisch unsinnig sind. Elektronische Information lässt sich nicht einsperren.

d) Bisherige Publikationsmodelle auf den Müllhaufen. In Richtung Open Access. Ignoriert werden diese unsinnigen ungerechten Urteile am besten dadurch, dass man die bislang zugrundeliegenden verfahrensmäßigen Praktiken des Publizierens endlich auf den Müllhaufen der Geschichte wirft. Sollen die Gerichte und Verlage nur so weitermachen. Dann werden schließlich auch bald die Letzten davon überzeugt sein, dass in Bildung und Wissenschaft nur noch Open-Access-Publikationsmodelle Akzeptanz finden werden. Vae victoribus!

e) Eine letzte Warnung an die Verlage. Nicht wehe, den Besiegten, sondern wehe den Siegern! Sollen doch ruhig im Börsenverein die Sektkorken knallen ob ihres temporären Sieges. Die AutorInnen werden ihnen bald ausbleiben, wenn unter Federführung des Börsenvereins weiter wissenschaftsfeindliche Politik betrieben wird und selbst das mit öffentlichen Geldern finanzierte Wissen dem Primat der kommerziellen Verwertung unterworfen werden soll. Das Urteil sollte eher als letzte Warnung an die Verlage verstanden werden, sich auf den Weg zu offenen freien Nutzungsmodellen zu machen. Sonst brauchen wir Verlage nicht mehr.

f) Es muss jetzt von Seiten der Politik gehandelt werden. Nach diesem Urteil sollte auch die Letzten im Bundesjustizministerium – die Letzte ist in diesem Fall die Ministerin selber – überzeugt sein, dass Schluss mit den komplizierten, widersprüchlichen und gänzlich untauglichen Schrankenregelungen (52 ist ja nur ein Beispiel von vielen) sein muss. Es muss jetzt gehandelt werden. Wenn nicht, wird man dafür sorgen müssen und damit auch Erfolg haben, eine breitere Öffentlichkeit zum Aufstand gegen die träge Politik zu bringen, um endlich den elektronischen Räumen angemessene Regulierungen oder besser: Freiräume zu verschaffen. Es wird nicht schwer werden, neben Grünen und Linken vor allem auch die Piratenpartei dafür zu gewinnen.

g) Streichen von § 52a ja, aber nicht ersatzlos. In Richtung einer Wissenschaftsklausel. Natürlich kann selbst der nicht gute §52a nicht ersatzlos gestrichen werden, wie es der Börsenverein fordert. Streichen schon, aber nicht ersatzlos. Entweder macht sich der Gesetzgeber endlich daran, allgemein im deutschen Urheberrecht so etwas wie das angelsächsische „fair use“ einzuführen. Oder er setzt das um, was seit Jahren das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft, die Allianz der Wissenschaftsorganisationen und die Kultusministerkonferenz fordern, nämlich die Einführung einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsklausel. Darin muss eigentlich nur geregelt werden, was auch im Vorschlag der European Copyright Codes der Wittem Gruppe vorgeschlagen wird, nämlich die genehmigungsfreie Nutzung publizierter Objekte für Zwecke von Bildung und Wissenschaft. Punkt! Unkonditioniert.

h) Müssen Bildungseinrichtungen sich auf kommerzielles Referenzmaterial verlassen? Müssen Einrichtungen wie die Fernuniversität Hagen (aber auch alle anderen Bildungseinrichtungen) solche Werke wie das Psychologiehandbuch, um das gestritten wurde, überhaupt als Referenzmaterial verwenden? Lehrbriefe sollten die Dozenten selber schreiben können, und in ihnen können sie freien Gebrauch nach dem in § 51 UrhG garantierten Zitatrecht machen. Fast unbegrenzt im Umfang, wenn es durch den Zweck der Briefe gerechtfertigt ist. Zusätzlich könnten Hintergrundinformationen zur „Veranschaulichung“ frei aus dem Netz heruntergeladen werden, z.B. zu Sokrates, Herbart, Dilthey, James oder Wygotski aus der deutschen oder englischen Wikipedia. Artikel zu diesen vier „Pionieren“ der Psychologie waren ja unter den im Verfahren monierten. Oder eine Referenz zum Wikibook: Geschichte von Psychologie und Psychiatrie – neben vielen anderen frei zugänglichen.

i) Nur Mut zur informationellen Autonomie der AutorInnen. Welches die Motive der AutorInnen waren, ihre Verwertungsrechte als Nutzungsrechte exklusiv an den Verlag abzugeben, so dass es überhaupt zu solchen Klagen hat kommen können, kann hier nicht geklärt werden. Zu fragen wäre zumindest bei dem Hauptautor, immerhin sehr gut bezahlter Professor an der Universität Bern, warum er nicht zumindest auf eine parallele, freie Zweitveröffentlichung bestanden hat. Auf das Geld kann es ihm sicher nicht angekommen sein. Nur Mut, Herr Kollege.

j) Steilvorlage für den Bundesgerichtshof. Das Urteil ist eine Steilvorlage für den Bundesgerichtshof – natürlich nur, wenn die Beklagte, die Fernuniversität Hagen den vom Oberlandeslandesgericht offen gelassenen Weg der Revision auch betreten will. Das müsste der Rektor der Fernuniversität alleine schon aus dem übergeordneten Interesse tun


http://www.inf.uni-konstanz.de/netethicsblog/?p=541
 

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