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Unterhaltung

Derzeit geistert ein Gedicht durchs Internet, das angeblich von Kurt Tucholsky stammt.

"Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer fast bei allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heißt Leerverkauf."

usw.

Der eigentliche Autor des Gedichtes ist ein gewisser Richard G.
Kerschhofer, der den Text unter dem Pseudonym Pannonicus und dem Titel "Höhere Finanzmathematik" im September 2008 veröffentlicht hat:
http://www.genius.co.at/index.php?id=165

Am 12.10. hat dann "tetrapanax" dieses Gedicht (der Name und Verfasser war da schon nicht mehr bekannt) in seinem Weblog zusammen mit dem Gedicht "Die freie Wirtschaft" von Tucholsky im Web veröffentlicht:
http://weltrandbewohner.blog.volksfreund.de/2008/10/12/gedichte-fur-die-krise/

Am 15.10. hat dann jemand das erste Gedicht (also das von "Pannonicus") im Zeit-Weblog veröffentlicht, mit dem Hinweis, es stamme von Tucholsky:
http://kommentare.zeit.de/user/waltomir/beitrag/2008/10/15/gedicht-zur-lage-uebermittelt-durch-eine-freundin

Und schon war die Legende geboren und das Gedicht Tucholsky zugeordnet. Es nahm seinen Weg durchs Internet. Inzwischen findet man es auf über 30.000 Webseiten und auch in unzähligen Zeitungen ...

Immerhin, die Frankfurter Rundschau klärt auf:
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/1618259_Freiheitlich.html

Text (gekürzt und leicht redigiert): Sebastian Wolf

Aus der Besprechung der SZ (Link): "Ein junger Archäologe studiert alte Papiere in der Gemeindebibliothek eines Kurortes in den Karpaten. Auf Anordnung des örtlichen Polizeichefs sind die Grabungsarbeiten in der Ruine einer Festungsanlage aus römischer Zeit eingestellt worden, weil sie Skelette und Knochen unbekannter Herkunft zu Tage gefördert haben. Nun sucht der junge Archäologe in den vergilbten Manuskripten so entusiastischer wie dilettantischer Lokalhistoriker nach Spuren, die Aufschluss über die Herkunft der Knochen geben könnten. Denn er hegt Misstrauen gegenüber der Unbedenklichkeit, mit welcher der Polizeichef, die aus Bukarest angereisten Journalisten, die Vertreter der Opferverbände ehemaliger politischer Häftlinge und die "verspäteten Antikommunisten" unisono die Knochen zur "Hinterlassenschaft einer Massenhinrichtung am Rande einer Gemeinschaftsgrube in den fünfziger Jahren" erklären.
In der Ausgangskonstellation dieses erstaunlichen Debütromans aus Rumänien scheint sich wieder einmal die Literatur der Zeitgeschichte anzuschmiegen: Der Held, ein Archäologe und also Spezialist für verschüttete Schichten der Vergangenheit, wird vom Autor in ein Archiv geschickt, um herauszufinden, wer die anonymen Toten gewesen sind. ....
Der Weg des jungen Archäologen heraus aus dem Archiv und hinein in die Welt der Kaffeesatzleserei und Mythenbildung ist programmatisch. Entschlossen und unbekümmert um die Leser, die es dadurch womöglich verliert, lässt dieses Debüt die Regionen des landläufigen Realismus hinter sich und bevölkert den aufgeschreckten Kurort in den Karpaten mit Figuren, wie sie einst Bohumil Hrabal durch das sozialistische Prag hat geistern lassen: seltsame Heilige, Virtuosen des provisorischen Glücks und Unglücks, ungeschickte Liebende, moderne Wiedergänger aus alten Märchen und lokalen Legenden, die Anekdoten und Fragmente ihrer Lebensgeschichten hinter sich herziehen wie poröse, ausgebleichte, aber immer noch bunte Schleppen. ..."

Filip Florian Kleine Finger Roman. Aus dem Rumänischen von Georg Aescht. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 269 Seiten

Ein deutsches Volkslied

»Das Volk ist doof, aber gerissen.«

In deutschen Landen ist augenblicklich ein Lied im Schwange, das den vollendetsten Ausdruck der Volksseele enthält, den man sich denken kann – ja, mehr: das so recht zeigt, in welcher Zeit wir leben, wie diese Zeit beschaffen ist, und wie wir uns zu ihr zu stellen haben. Während der leichtfertige Welsche sein Liedchen vor sich hinträllert, steht es uns an, mit sorgsamer, deutscher Gründlichkeit dieses neue Volkslied zu untersuchen und ihm textkritisch beizukommen. Die Worte, die wir philologisch zu durchleuchten haben, lauten:

Wir versaufen unser Oma sein klein Häuschen –
sein klein Häuschen – sein klein Häuschen –
und die erste und die zweite Hypothek!

Bevor wir uns an die Untersuchung machen, sei zunächst gesagt, daß das kindliche Wort ›Oma‹ so viel bedeutet wie ›Omama‹, und dieses wieder heißt ›Großmutter‹. Das Lied will also besagen: »Wir, die Sänger, sind fest entschlossen, das Hab und Gut unsrer verehrten Großmutter, insbesondere ihre Immobilien, zu Gelde zu machen und die so gewonnene Summe in spirituösen Getränken anzulegen.« Wie dies –? Das kleine Lied enthält klipp und klar die augenblickliche volkswirtschaftliche Lage: Wir leben von der Substanz. So, wie der Rentner nicht mehr von seinen Zinsen existieren kann, sondern gezwungen ist, sein Kapital anzugreifen – so auch hier. Man beachte, mit welcher Feinheit die beiden Generationen einander gegenübergestellt sind: die alte Generation der Großmutter, die noch ein Häuschen hat, erworben von den emsig verdienten Spargroschen – und die zweite und dritte Generation, die das Familienvermögen keck angreifen und den sauern Schweiß der Voreltern durch die Gurgel jagen! Mit welch minutiöser Sorgfalt ist die kleine Idylle ausgetuscht; diese eine Andeutung genügt – und wir sehen das behaglich kleinbürgerliche Leben der Großmama vor uns: freundlich sitzt die gute alte Frau im Abendsonnenschein auf ihrem Bänkchen vor ihrem Häuschen und gedenkt all ihrer jungen Enkelkinder, die froh ihre Knie umspielen ...

Das ist lange her, Großmutter sank ins Grab, und die grölende Korona der Enkel lohnt es ihr mit diesem Gesang: »Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen . . . « Ist dies ein Volkslied –? Es ist seine reinste Form. Man darf freilich nicht an früher denken. Früher sang wohl der Wanderbursch sein fröhlich Liedchen von den grünen Linden und den blauäugigen Mägdelein – weil das sein Herz bewegte. Nun, auch dieses Lied singt von dem, was unser Herz bewegt: von den Hypotheken. Hatte früher Walther von der Vogelweide sein »Tandaradei« durch die Lüfte tönen lassen und den Handel den Pfeffersäcken überlassen, so ist es heute an den Kaufleuten, »Tandaradei!« zu blasen, und die Liederdichter befassen sich mit den Hypotheken. Wenn auch freilich in naiver Weise. Denn es ist dem Liedersänger entgangen, daß die Hypothek selbst ja eine Schuld ist, die man unmöglich vertrinken kann – meint er doch wahrscheinlich die für die eingetragene Hypothek als Darlehn gegebene Summe, die der Schuldner in leichtfertiger Weise verbraucht. So singt das Volk. Hier spricht die Seele deines Volkes. Hier ist es ganz. Es soll uns nicht wunder nehmen, wenn nächstens in einem schlichten Volkslied das Wort ›Teuerungszulage‹ oder ›Weihnachtsgratifikation‹ vorkommt – denn dies allein ist heute echte, unverlogene Lyrik.

Dichter umspannen die Welt in brüderlicher Liebe, Poeten sehen Gott in jedem Grashälmchen – das ehrliche Volk aber gibt seinen Gefühlen unverhohlen Ausdruck. Noch lebt es von den Gütern der Alten. Langsam trägt es Sommerüberzieher, Sofas, Überzeugungen und Religionen auf – neue schafft es zur Zeit nicht an. Was dann geschieht, wenn die alle dahin sind, darüber sagt das Lied nichts. Vorläufig sind sie noch da – und so lange sie noch da sind, lebt das Volk von der Substanz.

Und versauft der Oma sein klein Häuschen.


Heute vor 86 Jahren erschien dieser doch recht aktuelle Text im Prager Tagblatt. Als Autor zeichnet Peter Panter, das ist natürlich Kurt Tucholsky. Erst in den Tucholsky-Blättern 1997 (archive.org) wurde das Faktum publiziert, dass die angebliche Erstpublikation in der Weltbühne vom 14. Dezember 1922 mitnichten der Erstdruck war, wie man etwa bei zeno.org (derzeit noch kostenlos) lesen kann (hieraus stammt unser E-Text). Die entsprechende Ausgabe des Prager Tagblatts wurde von ANNO, dem groß angelegten Zeitungsdigitalisierungsprogramm der Österreichischen Nationalbibliothek Wien, digitalisiert: Faksimile. (Die umfangreichste Liste deutschsprachiger, aber auch internationaler Zeitungs-Digitalisierungsprojekte wird auf del.icio.us gepflegt:

http://delicious.com/tag/Digi_Zeitungen )



SACHKOMMENTAR

Wir versaufen ] Das Lied, eine "Inflationshymne", wurde in Wirklichkeit von Robert Steidl (1865-1927) für den Kölner Karneval 1922 komponiert, vgl. etwa
hier.

Tandaradei ] Siehe die Textfassungen von "Unter der Linden" bei
http://de.wikisource.org/wiki/Under_der_linden

Pfeffersäcke ] Pfeffersack: "verächtliche bezeichnung eines reichen kaufmannes, eines krämers", Grimmsches Deutsches Wörterbuch

Das schwedische Video hat englische Untertitel:

http://video.historiska.se/index.aspx?id=173

Pfefferpotthast, ndt.: Piäpperpottharst, ist ein mittelalterliches Rezept und immer noch ein traditionelles westfälisches Gericht aus dem Dortmunder Raum. Der Potthast ist ein gedünstetes, kräftig gewürztes Rinderragout mit viel Zwiebeln.

Der Name setzt sich aus Pfeffer, Pott und Hast zusammen. "Hast" steht dabei für das Stück Rindfleisch, das wesentlicher Bestandteil des Pfefferpotthast ist, "Pott" weist daraufhin, dass lediglich ein Topf benötigt wird, strittig ist lediglich die Bedeutung von "Pfeffer" in diesem Zusammenhang. Pfeffer kann ein Hinweis auf das verwendete Gewürz sein, wahrscheinlicher ist jedoch, daß es für das feingeschnittene Fleisch in diesem Rezept steht (so wie in Hasenpfeffer).

Das Gericht wurde 1378 das erste Mal urkundlich erwähnt, ist mit Sicherheit aber viel älter. Die Dortmunder Stadtchronik berichtet von einer Agnes von der Vierbecke, die einen Stadtwächter nach "Hast" schickte, um dann unbeobachtet die Tore der schier uneinnehmbaren Stadt den Feinden zu öffnen.

Henriette Davidis hat den Pfefferpotthast in ihr 1. Kochbuch von 1862 aufgenommen. Es wurde früher als Hochzeitsessen serviert.


http://www.mittelalterlich-kochen.de/REZEPTE/06_02_potthast.html

Der ein oder dem anderen wird es nicht verborgen gelieben sein, dass meine Musiktipps ein wenig jazzlastig sind. Dies ist sicherlich auch einem Lokal meines archivischen Ausbildungsortes geschuldet, der Marburger "Cavete", wo ich in anderthalb Jahren zum Stammgast wurde. Egal, ob samstägliche Jamsessione, Highlights wie Sun Ras Arkestra (noch mit Gründer) oder einfache Kurstreffen - ich war dort. Bevor jemand auf falsche Gedanken kommt, leider nur als Zuhörer.
Saisonal bedingt ist aber der heutige Tipp:
Die CD "yellow&red" der Jazz-Blockflötstin Nadja Schubert. Ebenfalls tagesaktuell ist der Anspieltipp "Taler, Taler du musst wandern". Das exquisite Kölner Quartett interpretiert dieses Volkslied mit Nadja Schubert am Gemshorn.

Links zur CD und Künstlerin:
http://www.nadjaschubert.de/
http://www.mrd-music.de/schubert/
http://www.myspace.com/nadjaschubert

netbib nennt ein Abzocke-Angebot, macht auf eine Linkliste aufmerksam und gibt auch ein Entspannungsvideo an.




Aus dem Adventskalender der VU Wien
http://www.vu-wien.ac.at/bibl/Advent2008/05.htm

Die Liste http://wiki.aki-stuttgart.de/mediawiki/index.php/Adventskalender_2008 ignoriert unseren Kalender, er fehlt ebenso bei

http://www.blog.fiona.biz/index.php?url=archives/341-Update-2008-Suesser-die-Adventskalender-nie-locken..htm

http://audible-specials.de/advent/
Audible-Mitarbeiter lesen jeden Tag eine kurze Geschichte oder ein Gedicht.

http://www.onlinekunst.de/weihnachten/adventskalender/eingang.html
Puzzle-Adventskalender

Mathematisches von RUB
http://www.ruhr-uni-bochum.de/adventskalender/



Aus dem Adventskalender der UB Wien
http://www.ub.univie.ac.at/adventkalender.html

VU Wien
http://www.vu-wien.ac.at/bibl/

Winterpflanzen
http://www.botanik-bochum.de/


Siehe
http://archiv.twoday.net/search?q=adventskalender

Die UB Heidelberg hat eine hübsche Ansicht des Heidelberger Schlosses im Angebot.



Bei Fleischmann.org naut die Blacht :-)

Calendrier Gourmand de l'Avent
http://troispetitstours.over-blog.com/

Beitrag über englische Weihnachtslieder
http://www.intute.ac.uk/artsandhumanities/blog/2008/12/04/advent-calendar-christmas-carols/#more-2065

 

twoday.net AGB

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