So fragt Wolfram Goertz auf rp-online.de:
"Man greift nicht zu hoch, wenn man das Deutsche Rundfunkarchiv (DRA) das mediale Gedächtnis Deutschlands nennt. Wo immer in einem zivilisierten Radio- oder Fernsehprogramm eine Sendeminute läuft: In Frankfurt und Babelsberg, den DRA-Standorten, wird sie seit bald 60 Jahren verwaltet, gespeichert, katalogisiert.
Zahllose Bild-, Ton- und Schallplattendokumente – zum Teil aus dem 19. Jahrhundert – türmen sich zu einem Datenspeicher, in den nicht nur vergnügte Exzentriker wie Dagobert Duck gern hineinspringen. Wer als Journalist mit erweitertem Horizont für Radio oder Fernsehen arbeitet, hat fast täglich mit dem DRA zu tun – und so gerät auch jeder von uns mit dem DRA in Kontakt, wenn er eine Sendung zu einem historischen Thema sieht oder hört. Auch alte und älteste Schallplatten werden dort restauriert, der Nachwelt und der Forschung nutzbar gemacht. Das DRA sättigt jedes Interesse, wie Deutschland im Äußersten und Innersten klang und klingt.
Dieser segensreiche Auftrag droht storniert zu werden. Die Intendanten der ARD-Anstalten, zu deren Gemeinschaftsprojekten das DRA zählt, werden Ende Juni bei einer Sitzung in Würzburg darüber befinden, ob sie die zwölf Millionen Euro noch aufbringen wollen, die das DRA pro Jahr kostet. Es kursieren mehrere Modelle, als deren finsterstes die Zerschlagung dräut. Selbstverständlich wird mit Sparzwängen argumentiert, die auf das DRA mit der tückischen Formel von der "Optimierung" angewendet werden. Man fragt sich aber, wer die zum Teil kostbaren Unikate betreuen soll, die das DRA pflegt? Das Bundesarchiv? Das hat andere Aufgaben. Die ARD-Anstalten selbst? Den mangelt es an Kapazität.
Kleiner Blick in den aktuellen Leistungskatalog: Ein Hörfunkredakteur benötigt Musik aus Lortzings unbekannter Oper "Zum Großadmiral". Die einzige Aufnahme ist ein Radio-Schellack-Mitschnitt von 1937. Das Original, abermals ein Unikat, liegt in Frankfurt; die DRA-Könner wollen jetzt in einer knappen Woche Umschnitt und Restauration von 20 Platten bewerkstelligen. Wer hören will, wie die Stimme Giacomo Puccinis geklungen hat: Per Recherche-Anfrage beim DRA erfährt er es in 30 Sekunden.
Derzeit beschäftigt sich das DRA unter dem Motto "Das besondere Dokument" mit Aufnahmen von Werken Robert Schumanns. Im Schallarchiv des DRA sind etwa 250 zwischen 1933 und 1945 entstandene Aufnahmen von den Sendern der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft nachgewiesen. Diese beachtliche Zahl erklärt sich unter anderem durch die Rezeptionsgeschichte Schumanns im "Dritten Reich". Denn ähnlich wie Beethoven und Wagner – ganz im Gegensatz zu den Komponisten jüdischer Herkunft wie Mendelssohn Bartholdy, Meyerbeer und Mahler – genoss Schumann in der NS-Zeit erhöhte Wertschätzung. Er gehörte zu den Komponisten, deren Werk als Nationalgut gepflegt wurde. Bezeichnungen wie "urdeutsch", "Herrenmenschentum", "Abbild der deutschen Volksseele" und "echtes deutsches Heroentum" wurden auf Schumann angewendet. Wer dieses Schumann-Kapitel auf der Website des DRA studiert, bekommt einen Einblick von der Brisanz mancher Archivalie.
Wer das DRA abschafft oder amputiert, will nicht wissen, was einer wirklich und genau gesagt hat, welches Gesicht er dazu gemacht hat, wie seine Stimme geklungen hat. Er ist mit jener Unschärfe zufrieden, der alle Legenden entspringen – auch die gefährlichen."
Diesem flammenden Appell für den Erhalt des Rundfunkarchivs kann nur zugestimmt werden. M. E. sollte der VdA und der Verein für Medieninformation und Mediendokumentation (VfM) an die Medien gehen und den uneingeschränkten Erhalt dieses Archivs fordern.
Nachtrag:
"Deutsches Rundfunkarchiv womöglich vor dem Aus: Auf ihrer Sitzung Ende Juni entscheiden die ARD-Intendanten über den Fortbestand der Institution. Neben der Auflösung stehen starke Einsparungen zur Debatte, die die Aufgabe des Standorts Frankfurt zur Folge haben könnten." Exzerpt
"FAZ", S. 33"
s. a. FAZ, 7.6.11, S. 33 (Printausgabe, liegt mir nicht vor)
"Man greift nicht zu hoch, wenn man das Deutsche Rundfunkarchiv (DRA) das mediale Gedächtnis Deutschlands nennt. Wo immer in einem zivilisierten Radio- oder Fernsehprogramm eine Sendeminute läuft: In Frankfurt und Babelsberg, den DRA-Standorten, wird sie seit bald 60 Jahren verwaltet, gespeichert, katalogisiert.
Zahllose Bild-, Ton- und Schallplattendokumente – zum Teil aus dem 19. Jahrhundert – türmen sich zu einem Datenspeicher, in den nicht nur vergnügte Exzentriker wie Dagobert Duck gern hineinspringen. Wer als Journalist mit erweitertem Horizont für Radio oder Fernsehen arbeitet, hat fast täglich mit dem DRA zu tun – und so gerät auch jeder von uns mit dem DRA in Kontakt, wenn er eine Sendung zu einem historischen Thema sieht oder hört. Auch alte und älteste Schallplatten werden dort restauriert, der Nachwelt und der Forschung nutzbar gemacht. Das DRA sättigt jedes Interesse, wie Deutschland im Äußersten und Innersten klang und klingt.
Dieser segensreiche Auftrag droht storniert zu werden. Die Intendanten der ARD-Anstalten, zu deren Gemeinschaftsprojekten das DRA zählt, werden Ende Juni bei einer Sitzung in Würzburg darüber befinden, ob sie die zwölf Millionen Euro noch aufbringen wollen, die das DRA pro Jahr kostet. Es kursieren mehrere Modelle, als deren finsterstes die Zerschlagung dräut. Selbstverständlich wird mit Sparzwängen argumentiert, die auf das DRA mit der tückischen Formel von der "Optimierung" angewendet werden. Man fragt sich aber, wer die zum Teil kostbaren Unikate betreuen soll, die das DRA pflegt? Das Bundesarchiv? Das hat andere Aufgaben. Die ARD-Anstalten selbst? Den mangelt es an Kapazität.
Kleiner Blick in den aktuellen Leistungskatalog: Ein Hörfunkredakteur benötigt Musik aus Lortzings unbekannter Oper "Zum Großadmiral". Die einzige Aufnahme ist ein Radio-Schellack-Mitschnitt von 1937. Das Original, abermals ein Unikat, liegt in Frankfurt; die DRA-Könner wollen jetzt in einer knappen Woche Umschnitt und Restauration von 20 Platten bewerkstelligen. Wer hören will, wie die Stimme Giacomo Puccinis geklungen hat: Per Recherche-Anfrage beim DRA erfährt er es in 30 Sekunden.
Derzeit beschäftigt sich das DRA unter dem Motto "Das besondere Dokument" mit Aufnahmen von Werken Robert Schumanns. Im Schallarchiv des DRA sind etwa 250 zwischen 1933 und 1945 entstandene Aufnahmen von den Sendern der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft nachgewiesen. Diese beachtliche Zahl erklärt sich unter anderem durch die Rezeptionsgeschichte Schumanns im "Dritten Reich". Denn ähnlich wie Beethoven und Wagner – ganz im Gegensatz zu den Komponisten jüdischer Herkunft wie Mendelssohn Bartholdy, Meyerbeer und Mahler – genoss Schumann in der NS-Zeit erhöhte Wertschätzung. Er gehörte zu den Komponisten, deren Werk als Nationalgut gepflegt wurde. Bezeichnungen wie "urdeutsch", "Herrenmenschentum", "Abbild der deutschen Volksseele" und "echtes deutsches Heroentum" wurden auf Schumann angewendet. Wer dieses Schumann-Kapitel auf der Website des DRA studiert, bekommt einen Einblick von der Brisanz mancher Archivalie.
Wer das DRA abschafft oder amputiert, will nicht wissen, was einer wirklich und genau gesagt hat, welches Gesicht er dazu gemacht hat, wie seine Stimme geklungen hat. Er ist mit jener Unschärfe zufrieden, der alle Legenden entspringen – auch die gefährlichen."
Diesem flammenden Appell für den Erhalt des Rundfunkarchivs kann nur zugestimmt werden. M. E. sollte der VdA und der Verein für Medieninformation und Mediendokumentation (VfM) an die Medien gehen und den uneingeschränkten Erhalt dieses Archivs fordern.
Nachtrag:
"Deutsches Rundfunkarchiv womöglich vor dem Aus: Auf ihrer Sitzung Ende Juni entscheiden die ARD-Intendanten über den Fortbestand der Institution. Neben der Auflösung stehen starke Einsparungen zur Debatte, die die Aufgabe des Standorts Frankfurt zur Folge haben könnten." Exzerpt
"FAZ", S. 33"
s. a. FAZ, 7.6.11, S. 33 (Printausgabe, liegt mir nicht vor)
Wolf Thomas - am Donnerstag, 9. Juni 2011, 12:29 - Rubrik: Medienarchive
ladislaus (Gast) meinte am 2011/06/09 12:56:
Nachdem die Rundfunkhäuser allerdings keinerlei Interesse daran haben, wäre es aber vielleicht wirklich viel besser unter der Obhut der DNB bzw. des DMA untergebracht.
Wolf Thomas (Gast) antwortete am 2011/06/13 18:36:
Wäre das Rundfunkarchiv im DMA gut aufgehoben?
Ein Blick in die Beständeliste des DRA - http://www.dra.de/bestaende/brd/index.html - lässt mich zweifeln.