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Bernd Reiher vom Onlinemagazin "Radioszene", interviewt Heiko Hilker:

" ...... Heiko Hilker ist ein Mann, der sich mit den Medien im Osten bes­tens aus­kennt. Er hat für die Rettung von DT64 demons­triert, war viele Jahre Abgeordneter mit Schwerpunkt Medien im säch­si­schen Landtag und baut nach sei­nem Ausstieg aus der Parlamentsarbeit an sei­nem „Dresdner Institut für Medien, Bildung und Beratung“. Weil das Deutsche Rundfunkarchiv sich der­zeit in Sachen eigene Zukunft in Zurückhaltung übt, haben wir ihn gebe­ten, uns in eini­gen Sätzen zu erklä­ren, was das Deutsche Rundfunkarchiv ist und worum es bei der Schließungs-Debatte geht. ....

RADIOSZENE: Welche Bedeutung hat das Deutsche Rundfunkarchiv aus Ihrer Sicht für die gesamt­deut­sche Medienlandschaft?

Hilker: Das Deutsche Rundfunkarchiv ist in der deut­schen Medienlandschaft ein­ma­lig. Es gibt keine wei­tere Einrichtung, die in die­sem Umfang Ton- und Bildträger aller Art erfasst hat, die von geschicht­li­chem, künst­le­ri­schem oder wis­sen­schaft­li­chen Wert sind und in Kunst, Wissenschaft, Forschung und Unterricht genutzt wer­den kön­nen. Das DRA restau­riert und sichert audio­vi­su­elle Medien. Zur Langzeitsicherung wer­den die schrift­li­chen, audio­pho­nen und audio­vi­su­el­len Dokumente auch ver­filmt bzw. digi­ta­li­siert. Zudem gibt es eine umfang­rei­che Dokumentation rund­funk­ge­schicht­lich bedeut­sa­mer Tatsachen und Dokumente.

RADIOSZENE: Könnte jemand ande­res die zum Teil kost­ba­ren Unikate betreuen, die das DRA pflegt? Das Bundesarchiv?

Hilker: Das hat andere Aufgaben.

RADIOSZENE: Die ARD-Anstalten selbst?

Hilker: Denen man­gelt es an Kapazitäten und Fachpersonal. Um es an einem Beispiel deut­lich zu machen: „Ein Hörfunkredakteur benö­tigt Musik aus Lortzings unbe­kann­ter Oper „Zum Großadmiral“. Die ein­zige Aufnahme ist ein Radio-Schellack-Mitschnitt von 1937. Das Original, aber­mals ein Unikat, liegt in Frankfurt; …. Wer hören will, wie die Stimme Giacomo Puccinis geklun­gen hat: Per Recherche-Anfrage beim DRA erfährt er es in 30 Sekunden.“ (RP Online, 8.6.2011).
RADIOSZENE: Über dem DRA schei­nen der­zeit dunkle Kürzungs- oder Privatisierungswolken zu schwe­ben. Aus dem Hause sel­ber war bis­her nicht viel zu erfah­ren. Was wis­sen Sie über die aktu­elle Lage der Einrichtung zu berichten?

Hilker: Seit etwa sie­ben Jahren ist das Budget des DRA nicht gestie­gen. Die ARD möchte jedoch inner­halb ihrer Gemeinschaftseinrichtungen, zu denen das DRA gehört, 15 Prozent spa­ren. Begründet wird dies mit sin­ken­den Gebühreneinnahmen. (Allerdings sind die Einnahmen aus der Rundfunkgebühr in den letz­ten zehn Jahren nur ein­mal gesun­ken). Im Jahre 2009 hatte man über 300 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Und so wer­den ver­schie­dene Varianten bis hin zur Privatisierung geprüft. Demnächst wol­len die Intendanten hierzu eine Entscheidung tref­fen. Der Etat des DRA liegt bei zirka 12 Millionen Euro. Die Gebühreneinnahmen lagen 2009 bei 7,6 Millionen Euro. Die „degeto“ erhält für ihre Spielfilme über 370 Millionen Euro, die „SportA“ hatte 2010 einen Etat von über 300 Millionen Euro. Drei Fußballspiele der deut­schen Fußballnationalmannschaft kos­ten in etwa so viel wie der Etat des DRA.

Es ist frag­lich, ob eine Privatisierung des DRA der ARD Kosten spart. Schließlich erstellt das DRA nicht nur für die ARD deren Jahrbuch. Das DRA würde dann seine Leistungen den ARD-Anstalten voll in Rechnung stel­len. Dies könnte für die ARD teu­rer als bis­her wer­den oder dazu füh­ren, dass weni­ger his­to­ri­sches Material genutzt wird.

RADIOSZENE: Wie sollte es aus Ihrer Sicht mit dem DRA wei­ter­ge­hen – was wün­schen Sie sich für die Zukunft des Hauses? Was wün­schen Sie sich von den Verantwortlichen, die der­zeit laut über die Zukunft des DRA nachdenken?

Hilker: Die Intendanten haben im Zusammenhang mit den Dreistufentests ihrer Online-Angebote immer wie­der dar­auf hin­ge­wie­sen, wie wich­tig mög­lichst lange Verweildauern im Internet wären, da das Internet zum media­len Gedächtnis werde. Das DRA ist auch ein media­les Gedächtnis, ja, es ist die Grundlage jeden media­len Gedächtnisses. Es wäre falsch, die­sen Speicher aus­zu­la­gern. Das Geld ist da. Dazu nur ein aktu­el­les Beispiel. Der SWR hatte für das Jahr 2010 mit Einnahmen von 1,16 Millionen Euro geplant, laut Jahresabschluss hat man 1,21 Millionen Euro ein­ge­nom­men. Die Ausgaben sind im Plan geblie­ben. Bisher finan­ziert der SWR zirka 2 Millionen Euro vom Etat des DRA.

RADIOSZENE: Der Wunsch?

Hilker: Die Intendanten soll­ten alles so belas­sen, wie es ist. Das DRA bleibt eine Gemeinschaftseinrichtung. Der Etat wird nicht redu­ziert, son­dern ent­spre­chend den Aufgaben ange­passt. Nur so kann man das „mediale Gedächtnis“ erhal­ten, haben Journalisten, Künstler und Wissenschaftler die Chance, auch in Zukunft zu erfah­ren, was einer genau gesagt hat, wel­ches Gesicht er dazu gemacht hat und wie seine Stimme dabei geklun­gen hat. Nur so kann man Legendenbildung verhindern.
"


Radioszene, 15.6.2011

Zur möglichen Schließung s. a.: http://archiv.twoday.net/stories/19472003/

Diskussion: Radioforen.de, Thema: "DRA (Deutsches Rundfunkarchiv) vor der Zerschlagung? "
 

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