Zum WUB Online informiert der Tagungsbericht des Landesarchivs selbstverständlich unkritisch:
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2093
Gleichzeitig steht auf H-SOZ-U-KULT eine kritische Rezension zur Verfügung:
http://www.wubonline.de/
Klaus Graf: Web-Rezension zu: Württembergisches Urkundenbuch Online. In: H-Soz-u-Kult, 03.05.2008, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=151&type=rezwww
Am 19. März 2008 wurde der Vorschlag für eine WWW-Rezension durch H-SOZ-U-KULT akzeptiert, die Abgabe der Rezension erfolgte am 1. April 2008. Am 15. April wurde mir eine erheblich gekürzte und entschärfte Fassung zugeleitet, deren Publikation zum 2. Mai 2008 in Aussicht gestellt und realisiert wurde. Es versteht sich für mich von selbst, den Lesern von Archivalia die ungekürzte Erstfassung, deren Wertungen um einiges deutlicher sind, zur Verfügung zu stellen. Ob die redigierte Fassung einen Gewinn oder einen Verlust oder beides darstellt, mögen die Leser durch einen detaillierten Vergleich selbst feststellen.
***
Mit dem im März 2008 vorgestellten Angebot "Württembergisches Urkundenbuch Online" (WUB Online) nimmt das Landesarchiv Baden-Württemberg für sich in Anspruch, ein zentrales Quellenwerk der historischen Landesforschung für die moderne digitale Recherche erschlossen zu haben [1]. Das Wirtembergische Urkundenbuch (WUB) erschien in elf Bänden von 1849 bis 1913 und umfasst die Urkunden (bis zum Jahr 1300), die sich auf württembergische Orte beziehen: „alle, in welchen in Beziehung auf irgend einen Bestandteil des Landes in seinem heutigen Umfange eine (rechtliche) Bestimmung sich findet“.
Das WUB Online bietet den E-Text der 6148 Urkunden (Vollabdrucke oder - in den jüngeren Bänden häufig - Regesten) samt aktualisierten Überlieferungs- und Literaturangaben sowie Sachanmerkungen. Eingearbeitet ist eine überwiegend maschinenschriftlich im Hauptstaatsarchiv Stuttgart geführte Nachtragskartei. Die dort registrierten 416 Neufunde (präsentiert als Kurzregesten) wurden zu einem virtuellen zwölften Band vereint.
Die Volltextrecherche in den überwiegend lateinischen Texten ist ohne jeden Zweifel ein großartiger Schritt nach vorne. Die manuelle Texterfassung ist anscheinend sehr sorgfältig erfolgt. Man kann in den Bänden blättern oder eine Suchanfrage stellen. In der Expertensuche können die einzelnen Suchfelder durchsucht, und die Treffer können auf eine Zeitspanne eingegrenzt werden. Ein besonderes Lob verdient die Ortssuche, bei der man in Baden-Württemberg über die verschiedenen Verwaltungsebenen (vom Regierungsbezirk bis hinunter zu den einzelnen Wohnplätzen) suchen kann. Dies ermöglicht es, nach benachbarten Orten
Ausschau zu halten.
Wichtig ist auch die Möglichkeit, die Lagerorte der meisten Urkunden nunmehr sofort verifizieren zu können. Gelegentlich wird sogar ein Link zum jeweiligen Findbuch im Internetangebot des Landesarchivs gegeben. Dankbar werden nicht nur Heimatforscher für die vielfältigen Aktualisierungen sein, die einen gegenüber dem alten WUB neueren Forschungsstand einbringen.
Trotz dieser unbestreitbar positiven Eigenschaften halte ich das WUB Online für missglückt. Das liegt nicht nur an den unzähligen Fehlern und Schlampigkeiten, es liegt vor allem an dem respektlosen Umgang mit dem alten WUB (im folgenden einfach WUB), der den wissenschaftlichen Benutzer in inakzeptabler Weise bevormundet und ihm wichtige Informationen aus dem WUB vorenthält.
Es sollte bei Retrodigitalisierungen sich eigentlich inzwischen herumgesprochen haben, dass weder der reine E-Text, für eine Volltextsuche unentbehrlich, noch das digitale Faksimile für sich allein genommen wissenschaftlichen Anforderungen genügen. Die Kombination beider Darbietungsformen stiftet im wissenschaftlichen Kontext den meisten Nutzen.
Es wirkt bereits arrogant, wenn sich das WUB Online jeglichen Hinweises auf die - wie sich zeigen wird: unentbehrliche - "Konkurrenz" der Google-Digitalisate des WUB enthält. Da deutsche Nutzer ohne US-Proxy nur zwei Bände in der Vollansicht genießen dürfen, hat sich das deutsche Wikisource-Projekt im Juli 2007 entschlossen, die bei Google vorhandenen neun Bände (es fehlen aus urheberrechtlichen Erwägungen Googles die Bände 10 und 11) im Rahmen des Multimedia-Repositoriums der Wikimedia-Projekte "Wikimedia
Commons" auch für deutsche Nutzer bereitzustellen. (Leider sind die Scans nicht selten schlecht, etliche Seiten fehlen.) In Wikisource wurden überdies die Vorrede Rudolf Kauslers zu Band 1 sowie eine Rezension zu Band 10 von Siegfried Rietschel transkribiert [2].
Das WUB ist mehr als nur eine Sammlung von Urkundentexten. Als eines der besten territorialen Urkundenbücher des 19. Jahrhunderts, um das viele deutsche Länder Württemberg beneidet haben, ist es zugleich ein wissenschaftsgeschichtliches Monument. Die Art und Weise, wie das Landesarchiv mit ihm verfährt, ist freilich alles andere als pietätvoll. Geboten werden nur die reinen Urkundentexte, Vorworte, Register, andere Verzeichnisse und Nachträge fallen weg. Bereits diese Entscheidung ist nicht nachvollziehbar, denn damit erfährt der Benutzer des WUB Online nichts über die Auswahlkriterien und die Editionsrichtlinien des WUB. Es gibt - anders als bei den Projekten des deutschsprachigen Wikisource-Projekt - auch keine Editionsrichtlinien für die Textwiedergabe und die Kommentargestaltung des WUB Online. Beispielsweise erfährt man nicht, dass sich die Bearbeiter entschieden haben, die Kennzeichnung des Wechsels der ersten drei Zeilen bei Ausfertigungen durch zwei senkrechte Striche einfach wegzulassen.
Wer wissenschaftlich mit dem WUB arbeiten will, muss nach wie vor die dickleibigen Bände der Buchausgabe wälzen (für die Bände 10 und 11 helfen ja auch die Google-Digitalisate nicht weiter). WUB Online verzichtet darauf, den Seitenwechsel der Vorlage zu markieren. Was an Beiwerk weggelassen wurde, liefert nicht selten unentbehrliche Informationen und zwar auch solche, die nicht nur aus wissenschaftsgeschichtlichen Gründen von Interesse sind.
Ein manuell erstelltes Register kann mit einer Volltextsuche, zumal wenn sie Verknüpfungen von Suchbegriffen wie beim WUB Online (UND wie bei Google voreingestellt) erlaubt, nie konkurrieren. Umgekehrt gilt aber auch, dass traditionelle Register einen erheblichen Mehrwert gegenüber einer bloßen Volltextsuche aufweisen. Die sichtende und zusammenfassende Arbeit des WUB-Herausgebers ist nach wie vor eine Arbeitsgrundlage, auf die der Forscher nicht verzichten kann. Wenn der WUB-Bearbeiter etwa bei einer Stadt wie Esslingen im Bandregister [3] nicht nur die Haupt-Namensformen auflistet, sondern auch die Flurnamen, die Personen und Institutionen und dies zumindest zum Teil mit normalisierten Namensformen, so ist diese wertvolle Erschließungsleistung dem heutigen
Benutzer schlicht und einfach nicht vorzuenthalten. Alle Ortsnamen in Baden-Württemberg
liegen zwar in normalisierter Form im WUB Online vor, aber eben nicht die Personennamen. Wer nach einem Adelsnamen wie Hack sucht, muss im WUB Online die genauen Namensformen kennen. Im gedruckten WUB braucht er lediglich im Register den Buchstaben H zu sichten und erhält dort nützliche Querverweise auf Hoheneck und Wöllstein.
Dass man versucht hat, das WUB an den modernen Forschungsstand heranzuführen, ist überhaupt nicht zu tadeln - im Gegenteil! Es liegt aber weder eine vollständige Neubearbeitung vor (die wäre innerhalb der angegebenen fünf Jahre Projektlaufzeit wohl nicht zu leisten gewesen) noch eine Darbietung der historischen Vorlage mit deutlich abgesetzten modernen Änderungen. Geschaffen hat man stattdessen einen unbrauchbaren Bastard, der den ständigen kontrollierenden Rückgriff auf das WUB erfordert.
Sehen wir uns nun die unechte Urkunde Ludwig des Deutschen aus dem Jahr 856 für Worms näher an. Bereits im Kopfregest greift WUB Online [4] in den Wortlaut des WUB [5] durch den Zusatz zum Herrschernamen "(der Deutsche)" ein. Im Anschluss an den lateinischen Text sind im WUB zwei Zeilen Überlieferungsangaben und 15 Anmerkungen zu finden. Diesen
Teil hat WUB Online - teilweise in Anlehnung an die Formulierungen des WUB - neu geschrieben.
Die Überlieferungsangaben zu den Abschriften entstammen offenkundig einem Blick in die
maßgebliche Diplomataausgabe, die ja auch online vorliegt [6]. Wie auch bei anderen Urkunden, die aus dem Wormser Chartular in Hannover entstammen, wurde die exakte Fundstelle, also die heutige Signatur, nicht ermittelt. Wenn man schon aktualisiert, dann bitte nicht auf dem Stand der MGH-Ausgabe, als die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek noch „Provinzialbibliothek“ hieß!
Über den ebenfalls nicht mit moderner Signatur aufgeführten Liber privilegiorum ecclesiae Wormatiensis heißt es:„Ein Vergleich dieser Abschrift mit der hier abgedruckten Urkunde zeigt mehrere kleinere Wortabweichungen.“ Ein expliziter Hinweis, dass die Varianten in den Nachträgen WUB Bd. 2, S. 445 [7] verzeichnet wurden, fehlt. Den ins Auge gefassten Nutzer haben sie ganz offenkundig nicht zu interessieren. Was aus den Nachträgen in den Kommentarteil übernommen wurde, wurde von den Bearbeitern nach Gutdünken, also ohne nachvollziehbares Konzept entschieden.
Aus den 15 Anmerkungen des WUB wurden neun im WUB Online, indem Ortsnamenidentifizierungen, die im angehängten Ortsindex gegeben werden, nicht mehr als Anmerkungen erscheinen. An Informationen fallen weg: in Anmerkung 1-2: „der Bach bei Biberach führt noch jetzt den gleichen Namen“; Anm. 3 zur Wüstung Eichhausen (dem Ortsindex kann man nicht entnehmen, dass es sich um einen abgegangenen Ort handelt, man findet ihn aber als solchen in der Wikipedia); in Anm. 4 die Entfernungsangabe 1/8 Stunde.
„Ohnzweifelhaft“ in Anm. 3 ist ohnzweifelhaft ein archaisierendes Späßchen des Bearbeiters, denn im WUB steht ohnzweifelhaft „Ohne Zweifel“.
Deutlich abgesetzt ist ein Abschnitt „Überlieferung und Publikationen“, unterteilt in: Signatur/Titel des Originals, Überlieferungen und Textkritik, Editionen, Regesten, Literatur, Links zu dieser Urkunde.
Dass man seit geraumer Zeit in der Diplomatik aus guten Gründen nicht mehr von „Originalen“ spricht, ficht die Bearbeiter des WUB Online nicht an. Der bei der vorliegenden Urkunde als „Original“ angegebene Schannat-Druck ist aber nun einmal kein Original, sondern die Druckvorlage. Die Belegung dieses Felds ist völlig inkonsistent. Hier findet man auch Ausfertigungen, die dem WUB gar nicht bekannt waren (z.B. bei Nr. 696).
Von den bereits genannten Abschriften wird unter „Überlieferungen und Textkritik“ nur die Darmstädter (und auch diese ohne moderne Signatur) nachgewiesen. Das WUB formulierte über den Muratori-Abdruck, er „strotze“ von Druckfehlern, während sich das WUB Online (in weiser Voraussicht?) im Abschnitt „Editionen“ dezenter ausdrückt: „mit vielen Druckfehlern“. Bei den Internetlinks hat man auf Direktlinks zu den Regesta Imperii und zur dMGH leider verzichtet.
Regelmäßig bevormundet das WUB Online den Nutzer, indem es aufschlussreiche Informationen aus den Anmerkungen weglässt. Dies betrifft beispielsweise die Notizen über die abgegangenen Albuch-Orte (vor allem aus dem Lagerbuch von Anhausen von 1474) in der Urkunde des Klosters Anhausen von 1143 (Nr. 318). Aus den 62 Anmerkungen wurden 19. Wieso man ausgerechnet die Notiz zu „Honerloch“ (mit WUB-Fehler Mädlingen statt Medlingen) für bewahrenswert hielt, kann man nur raten.
Gerade bei den doch häufig schwierigen Ortsnamenidentifizierungen hätte ein methodisch sauberes Vorgehen nahe gelegen: Dokumentation der Identifizierung(en) des WUB, Literaturangaben zur Absicherung (insbesondere aus den Ortsnamenbüchern von Lutz Reichardt). Verschlimmbesserungen des WUB Online dürften keine extremen Ausnahmen darstellen. So sprechen die Ausführungen von Rainer Jooß [8] doch sehr dafür, dass sich Wito von Gröningen um 1100 nach Gröningen bei Crailsheim nannte. Dies ist auch die Identifizierung in Nr. 264, während die gleiche Person im Komburger Schenkungsbuch (Bd. 1, S. 400f.) „wahrscheinlich Untergröningen, Abtsgmünd, AA“ zugewiesen wird. Das WUB hatte hier das Gröningen bei Crailsheim!
Völlige Beliebigkeit regiert auch die Nachträge. Konsequent eingearbeitet wurden anscheinend nur die Diplomata/Regesta Imperii. Obwohl die meisten Urkunden des ersten Bandes aus St. Gallen stammen und die maßgebliche Edition später durch Wartmann im St. Galler Urkundenbuch erfolgte, findet man nur gelegentlich einen Hinweis auf dieses Werk. Auch das „Corpus der altdeutschen Originalurkunden“ wurde beispielsweise nicht berücksichtigt. Darf man nicht erwarten, dass man zur „Gründungsurkunde“ des Klosters Murrhard (Nr. 78) den maßgeblichen Aufsatz von Heinrich Wagner (mit Neuedition) im Deutschen Archiv 2001 zitiert und auswertet?
Bei näherem Hinwesen erweist sich das WUB Online als riesige Baustelle. Fehler, Lücken und Schlampigkeiten begegnen ständig. Kann man vor dem Freischalten eines solchen Angebots nicht erwarten, dass wenigstens alle Fußnoten ordentlich kodiert sind, dafür müsste es doch eine automatische Kontrolle geben („Fehler: Nicht zuzuweisende Fußnote“)? Etliche im WUB nur abgekürzt zitierte Werke (z.B. Huillard-Bréholles) sind noch nicht in das Literaturverzeichnis aufgenommen worden (dieses kann man leider auch nicht am Stück einsehen). Abbildungen und Übersetzungen der Urkunden wurden nur sporadisch vermerkt.
Hätte man etwa bei den Adelberger Urkunden die Links zum Online-Findbuch konsequent gesetzt, müsste man bei Nr. 516 nicht rätseln: „Wo ist diese Handschrift von Glaser?“, denn im Findbuch ist der Lagerort in einer Handschrift des Bestands J 1 genau nachgewiesen.
Wenn man bei der Lorcher Urkunde Nr. 264 schon die neueste Literatur angibt, hätte man dann nicht auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass das „Rote Buch“ keineswegs, wie bei mehreren Urkunden angegeben, 1944 verbrannt ist, sondern unter der alten Signatur restauriert benutzbar ist (wenngleich schwer beschädigt)? Völlig inakzeptabel ist bei der – seit dem Jahr 2000 im Internet als Text mit hinlänglichen Erläuterungen präsenten [9] – Lorcher Urkunde von 1162 die im Kopfregest nach wie vor befindliche falsche Identifizierung Uttenhofen, die bereits im WUB Bd. 3, S. 495 korrigiert wurde.
Eine gründliche Überarbeitung der in einem Band 12 zusammengefassten Nachträge ist nicht erfolgt. So erfährt man bei Nr. 5729 nur „Salzhandel zwischen Stift Kempten und Hall durch Srbik und Zößmayer auf Schwäbisch Hall bezogen“ und dass die Urkunde von 972/73 irgendwo in den Monumenta Boica gedruckt ist. Überhaupt darf man sich von diesem Nachtragsband nicht zu viel versprechen. Eine systematische Pflege des Datenbestands ist nie erfolgt, nicht einmal die in der „Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte“ edierten oder angezeigten Urkunden wurden aufgenommen. Es fehlen etwa die ungedruckten Urkunden des 13. Jahrhunderts aus dem ältesten Kopialbuch des Klosters Gotteszell, das vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart erworben werden konnte und auf dessen Existenz ich 1984 hingewiesen hatte.
Keine glückliche Hand beweist das WUB Online auch bei Regionalbezeichnungen: Rießgau, Mortenau oder Littauen im Ortsindex sind nicht hilfreich. Wenn Bd. 6, S. 429 der Flussname Blies eine Anmerkung „Vielleicht Blesa, Aragonien, Spanien“ erhält, ist das einfach nur noch peinlich.
Das Fazit fällt deprimierend aus. Es wurden öffentliche Gelder in erheblichem Umfang in den Sand gesetzt (das Landesarchiv sah sich nicht in der Lage, eine entsprechende Anfrage nach den Kosten zu beantworten). Ohne erhebliche Reparaturarbeiten ist das WUB Online kein wissenschaftlich brauchbares Werkzeug. Das gute alte WUB hat diese erbärmliche „Renovierung“ nicht verdient.
Das WUB müsste als Ganzes im Faksimile und als E-Text der Forschung zur Verfügung stehen und nicht nur in der kastrierten, die Forschung bevormundenden Fassung des WUB Online. Den einzelnen Urkunden könnten im Lauf der Zeit Quellen-Faksimiles und neu erstellte Transkriptionen [10] zugeordnet werden. Für Transkriptionen und Ergänzungen empfiehlt sich die Beteiligung von Nutzern („Web 2.0“), die insbesondere wertvolles lokales Wissen einbringen könnten. Bewährt hat sich dafür das Prinzip „Wiki“ [11] – erinnert sei einmal mehr an das Projekt Wikisource.
[1] Siehe die Kurzvorstellung in den Archivnachrichten
http://www.landesarchiv-bw.de/sixcms/media.php/25/Archivnachrichten_36.pdf
[2] http://de.wikisource.org/wiki/Wirtembergisches_Urkundenbuch
[3] Für Band 9:
http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:De_Wirtembergisches_Urkundenbuch_9_511.jpg
[4] Noch nicht dauerhafte Adresse:
http://www.wubonline.de/index.php?wubid=210
[5] http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:De_Wirtembergisches_Urkundenbuch_1_147.jpg
[6] http://mdz10.bib-bvb.de/~db/bsb00000362/images/index.html?&seite=300
[7] http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:De_Wirtembergisches_Urkundenbuch_2_421.jpg
[8] Kloster Komburg im Mittelalter, Sigmaringen 1987, S. 39.
[9] http://www.histsem.uni-freiburg.de/mertens/graf/urk1162.htm
[10] Auf Transkriptionen von den archivalischen Vorlagen setzen die beiden virtuellen deutschen Urkundenbücher im Internet:
http://www1.uni-hamburg.de/hamburgisches_ub/HambUB.html Virtuelles Hamburgisches Urkundenbuch
http://www1.uni-hamburg.de/Landesforschung/orden.html Virtuelles Preußisches Urkundenbuch
[11] Vgl. etwa Gautier Poupeau, Du livre électronique au wiki. Comprendre les enjeux techniques de l’édition électronique. In: Archiv für Diplomatik 52 (2006), S. 467-478.
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2093
Gleichzeitig steht auf H-SOZ-U-KULT eine kritische Rezension zur Verfügung:
http://www.wubonline.de/
Klaus Graf: Web-Rezension zu: Württembergisches Urkundenbuch Online. In: H-Soz-u-Kult, 03.05.2008, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=151&type=rezwww
Am 19. März 2008 wurde der Vorschlag für eine WWW-Rezension durch H-SOZ-U-KULT akzeptiert, die Abgabe der Rezension erfolgte am 1. April 2008. Am 15. April wurde mir eine erheblich gekürzte und entschärfte Fassung zugeleitet, deren Publikation zum 2. Mai 2008 in Aussicht gestellt und realisiert wurde. Es versteht sich für mich von selbst, den Lesern von Archivalia die ungekürzte Erstfassung, deren Wertungen um einiges deutlicher sind, zur Verfügung zu stellen. Ob die redigierte Fassung einen Gewinn oder einen Verlust oder beides darstellt, mögen die Leser durch einen detaillierten Vergleich selbst feststellen.
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Mit dem im März 2008 vorgestellten Angebot "Württembergisches Urkundenbuch Online" (WUB Online) nimmt das Landesarchiv Baden-Württemberg für sich in Anspruch, ein zentrales Quellenwerk der historischen Landesforschung für die moderne digitale Recherche erschlossen zu haben [1]. Das Wirtembergische Urkundenbuch (WUB) erschien in elf Bänden von 1849 bis 1913 und umfasst die Urkunden (bis zum Jahr 1300), die sich auf württembergische Orte beziehen: „alle, in welchen in Beziehung auf irgend einen Bestandteil des Landes in seinem heutigen Umfange eine (rechtliche) Bestimmung sich findet“.
Das WUB Online bietet den E-Text der 6148 Urkunden (Vollabdrucke oder - in den jüngeren Bänden häufig - Regesten) samt aktualisierten Überlieferungs- und Literaturangaben sowie Sachanmerkungen. Eingearbeitet ist eine überwiegend maschinenschriftlich im Hauptstaatsarchiv Stuttgart geführte Nachtragskartei. Die dort registrierten 416 Neufunde (präsentiert als Kurzregesten) wurden zu einem virtuellen zwölften Band vereint.
Die Volltextrecherche in den überwiegend lateinischen Texten ist ohne jeden Zweifel ein großartiger Schritt nach vorne. Die manuelle Texterfassung ist anscheinend sehr sorgfältig erfolgt. Man kann in den Bänden blättern oder eine Suchanfrage stellen. In der Expertensuche können die einzelnen Suchfelder durchsucht, und die Treffer können auf eine Zeitspanne eingegrenzt werden. Ein besonderes Lob verdient die Ortssuche, bei der man in Baden-Württemberg über die verschiedenen Verwaltungsebenen (vom Regierungsbezirk bis hinunter zu den einzelnen Wohnplätzen) suchen kann. Dies ermöglicht es, nach benachbarten Orten
Ausschau zu halten.
Wichtig ist auch die Möglichkeit, die Lagerorte der meisten Urkunden nunmehr sofort verifizieren zu können. Gelegentlich wird sogar ein Link zum jeweiligen Findbuch im Internetangebot des Landesarchivs gegeben. Dankbar werden nicht nur Heimatforscher für die vielfältigen Aktualisierungen sein, die einen gegenüber dem alten WUB neueren Forschungsstand einbringen.
Trotz dieser unbestreitbar positiven Eigenschaften halte ich das WUB Online für missglückt. Das liegt nicht nur an den unzähligen Fehlern und Schlampigkeiten, es liegt vor allem an dem respektlosen Umgang mit dem alten WUB (im folgenden einfach WUB), der den wissenschaftlichen Benutzer in inakzeptabler Weise bevormundet und ihm wichtige Informationen aus dem WUB vorenthält.
Es sollte bei Retrodigitalisierungen sich eigentlich inzwischen herumgesprochen haben, dass weder der reine E-Text, für eine Volltextsuche unentbehrlich, noch das digitale Faksimile für sich allein genommen wissenschaftlichen Anforderungen genügen. Die Kombination beider Darbietungsformen stiftet im wissenschaftlichen Kontext den meisten Nutzen.
Es wirkt bereits arrogant, wenn sich das WUB Online jeglichen Hinweises auf die - wie sich zeigen wird: unentbehrliche - "Konkurrenz" der Google-Digitalisate des WUB enthält. Da deutsche Nutzer ohne US-Proxy nur zwei Bände in der Vollansicht genießen dürfen, hat sich das deutsche Wikisource-Projekt im Juli 2007 entschlossen, die bei Google vorhandenen neun Bände (es fehlen aus urheberrechtlichen Erwägungen Googles die Bände 10 und 11) im Rahmen des Multimedia-Repositoriums der Wikimedia-Projekte "Wikimedia
Commons" auch für deutsche Nutzer bereitzustellen. (Leider sind die Scans nicht selten schlecht, etliche Seiten fehlen.) In Wikisource wurden überdies die Vorrede Rudolf Kauslers zu Band 1 sowie eine Rezension zu Band 10 von Siegfried Rietschel transkribiert [2].
Das WUB ist mehr als nur eine Sammlung von Urkundentexten. Als eines der besten territorialen Urkundenbücher des 19. Jahrhunderts, um das viele deutsche Länder Württemberg beneidet haben, ist es zugleich ein wissenschaftsgeschichtliches Monument. Die Art und Weise, wie das Landesarchiv mit ihm verfährt, ist freilich alles andere als pietätvoll. Geboten werden nur die reinen Urkundentexte, Vorworte, Register, andere Verzeichnisse und Nachträge fallen weg. Bereits diese Entscheidung ist nicht nachvollziehbar, denn damit erfährt der Benutzer des WUB Online nichts über die Auswahlkriterien und die Editionsrichtlinien des WUB. Es gibt - anders als bei den Projekten des deutschsprachigen Wikisource-Projekt - auch keine Editionsrichtlinien für die Textwiedergabe und die Kommentargestaltung des WUB Online. Beispielsweise erfährt man nicht, dass sich die Bearbeiter entschieden haben, die Kennzeichnung des Wechsels der ersten drei Zeilen bei Ausfertigungen durch zwei senkrechte Striche einfach wegzulassen.
Wer wissenschaftlich mit dem WUB arbeiten will, muss nach wie vor die dickleibigen Bände der Buchausgabe wälzen (für die Bände 10 und 11 helfen ja auch die Google-Digitalisate nicht weiter). WUB Online verzichtet darauf, den Seitenwechsel der Vorlage zu markieren. Was an Beiwerk weggelassen wurde, liefert nicht selten unentbehrliche Informationen und zwar auch solche, die nicht nur aus wissenschaftsgeschichtlichen Gründen von Interesse sind.
Ein manuell erstelltes Register kann mit einer Volltextsuche, zumal wenn sie Verknüpfungen von Suchbegriffen wie beim WUB Online (UND wie bei Google voreingestellt) erlaubt, nie konkurrieren. Umgekehrt gilt aber auch, dass traditionelle Register einen erheblichen Mehrwert gegenüber einer bloßen Volltextsuche aufweisen. Die sichtende und zusammenfassende Arbeit des WUB-Herausgebers ist nach wie vor eine Arbeitsgrundlage, auf die der Forscher nicht verzichten kann. Wenn der WUB-Bearbeiter etwa bei einer Stadt wie Esslingen im Bandregister [3] nicht nur die Haupt-Namensformen auflistet, sondern auch die Flurnamen, die Personen und Institutionen und dies zumindest zum Teil mit normalisierten Namensformen, so ist diese wertvolle Erschließungsleistung dem heutigen
Benutzer schlicht und einfach nicht vorzuenthalten. Alle Ortsnamen in Baden-Württemberg
liegen zwar in normalisierter Form im WUB Online vor, aber eben nicht die Personennamen. Wer nach einem Adelsnamen wie Hack sucht, muss im WUB Online die genauen Namensformen kennen. Im gedruckten WUB braucht er lediglich im Register den Buchstaben H zu sichten und erhält dort nützliche Querverweise auf Hoheneck und Wöllstein.
Dass man versucht hat, das WUB an den modernen Forschungsstand heranzuführen, ist überhaupt nicht zu tadeln - im Gegenteil! Es liegt aber weder eine vollständige Neubearbeitung vor (die wäre innerhalb der angegebenen fünf Jahre Projektlaufzeit wohl nicht zu leisten gewesen) noch eine Darbietung der historischen Vorlage mit deutlich abgesetzten modernen Änderungen. Geschaffen hat man stattdessen einen unbrauchbaren Bastard, der den ständigen kontrollierenden Rückgriff auf das WUB erfordert.
Sehen wir uns nun die unechte Urkunde Ludwig des Deutschen aus dem Jahr 856 für Worms näher an. Bereits im Kopfregest greift WUB Online [4] in den Wortlaut des WUB [5] durch den Zusatz zum Herrschernamen "(der Deutsche)" ein. Im Anschluss an den lateinischen Text sind im WUB zwei Zeilen Überlieferungsangaben und 15 Anmerkungen zu finden. Diesen
Teil hat WUB Online - teilweise in Anlehnung an die Formulierungen des WUB - neu geschrieben.
Die Überlieferungsangaben zu den Abschriften entstammen offenkundig einem Blick in die
maßgebliche Diplomataausgabe, die ja auch online vorliegt [6]. Wie auch bei anderen Urkunden, die aus dem Wormser Chartular in Hannover entstammen, wurde die exakte Fundstelle, also die heutige Signatur, nicht ermittelt. Wenn man schon aktualisiert, dann bitte nicht auf dem Stand der MGH-Ausgabe, als die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek noch „Provinzialbibliothek“ hieß!
Über den ebenfalls nicht mit moderner Signatur aufgeführten Liber privilegiorum ecclesiae Wormatiensis heißt es:„Ein Vergleich dieser Abschrift mit der hier abgedruckten Urkunde zeigt mehrere kleinere Wortabweichungen.“ Ein expliziter Hinweis, dass die Varianten in den Nachträgen WUB Bd. 2, S. 445 [7] verzeichnet wurden, fehlt. Den ins Auge gefassten Nutzer haben sie ganz offenkundig nicht zu interessieren. Was aus den Nachträgen in den Kommentarteil übernommen wurde, wurde von den Bearbeitern nach Gutdünken, also ohne nachvollziehbares Konzept entschieden.
Aus den 15 Anmerkungen des WUB wurden neun im WUB Online, indem Ortsnamenidentifizierungen, die im angehängten Ortsindex gegeben werden, nicht mehr als Anmerkungen erscheinen. An Informationen fallen weg: in Anmerkung 1-2: „der Bach bei Biberach führt noch jetzt den gleichen Namen“; Anm. 3 zur Wüstung Eichhausen (dem Ortsindex kann man nicht entnehmen, dass es sich um einen abgegangenen Ort handelt, man findet ihn aber als solchen in der Wikipedia); in Anm. 4 die Entfernungsangabe 1/8 Stunde.
„Ohnzweifelhaft“ in Anm. 3 ist ohnzweifelhaft ein archaisierendes Späßchen des Bearbeiters, denn im WUB steht ohnzweifelhaft „Ohne Zweifel“.
Deutlich abgesetzt ist ein Abschnitt „Überlieferung und Publikationen“, unterteilt in: Signatur/Titel des Originals, Überlieferungen und Textkritik, Editionen, Regesten, Literatur, Links zu dieser Urkunde.
Dass man seit geraumer Zeit in der Diplomatik aus guten Gründen nicht mehr von „Originalen“ spricht, ficht die Bearbeiter des WUB Online nicht an. Der bei der vorliegenden Urkunde als „Original“ angegebene Schannat-Druck ist aber nun einmal kein Original, sondern die Druckvorlage. Die Belegung dieses Felds ist völlig inkonsistent. Hier findet man auch Ausfertigungen, die dem WUB gar nicht bekannt waren (z.B. bei Nr. 696).
Von den bereits genannten Abschriften wird unter „Überlieferungen und Textkritik“ nur die Darmstädter (und auch diese ohne moderne Signatur) nachgewiesen. Das WUB formulierte über den Muratori-Abdruck, er „strotze“ von Druckfehlern, während sich das WUB Online (in weiser Voraussicht?) im Abschnitt „Editionen“ dezenter ausdrückt: „mit vielen Druckfehlern“. Bei den Internetlinks hat man auf Direktlinks zu den Regesta Imperii und zur dMGH leider verzichtet.
Regelmäßig bevormundet das WUB Online den Nutzer, indem es aufschlussreiche Informationen aus den Anmerkungen weglässt. Dies betrifft beispielsweise die Notizen über die abgegangenen Albuch-Orte (vor allem aus dem Lagerbuch von Anhausen von 1474) in der Urkunde des Klosters Anhausen von 1143 (Nr. 318). Aus den 62 Anmerkungen wurden 19. Wieso man ausgerechnet die Notiz zu „Honerloch“ (mit WUB-Fehler Mädlingen statt Medlingen) für bewahrenswert hielt, kann man nur raten.
Gerade bei den doch häufig schwierigen Ortsnamenidentifizierungen hätte ein methodisch sauberes Vorgehen nahe gelegen: Dokumentation der Identifizierung(en) des WUB, Literaturangaben zur Absicherung (insbesondere aus den Ortsnamenbüchern von Lutz Reichardt). Verschlimmbesserungen des WUB Online dürften keine extremen Ausnahmen darstellen. So sprechen die Ausführungen von Rainer Jooß [8] doch sehr dafür, dass sich Wito von Gröningen um 1100 nach Gröningen bei Crailsheim nannte. Dies ist auch die Identifizierung in Nr. 264, während die gleiche Person im Komburger Schenkungsbuch (Bd. 1, S. 400f.) „wahrscheinlich Untergröningen, Abtsgmünd, AA“ zugewiesen wird. Das WUB hatte hier das Gröningen bei Crailsheim!
Völlige Beliebigkeit regiert auch die Nachträge. Konsequent eingearbeitet wurden anscheinend nur die Diplomata/Regesta Imperii. Obwohl die meisten Urkunden des ersten Bandes aus St. Gallen stammen und die maßgebliche Edition später durch Wartmann im St. Galler Urkundenbuch erfolgte, findet man nur gelegentlich einen Hinweis auf dieses Werk. Auch das „Corpus der altdeutschen Originalurkunden“ wurde beispielsweise nicht berücksichtigt. Darf man nicht erwarten, dass man zur „Gründungsurkunde“ des Klosters Murrhard (Nr. 78) den maßgeblichen Aufsatz von Heinrich Wagner (mit Neuedition) im Deutschen Archiv 2001 zitiert und auswertet?
Bei näherem Hinwesen erweist sich das WUB Online als riesige Baustelle. Fehler, Lücken und Schlampigkeiten begegnen ständig. Kann man vor dem Freischalten eines solchen Angebots nicht erwarten, dass wenigstens alle Fußnoten ordentlich kodiert sind, dafür müsste es doch eine automatische Kontrolle geben („Fehler: Nicht zuzuweisende Fußnote“)? Etliche im WUB nur abgekürzt zitierte Werke (z.B. Huillard-Bréholles) sind noch nicht in das Literaturverzeichnis aufgenommen worden (dieses kann man leider auch nicht am Stück einsehen). Abbildungen und Übersetzungen der Urkunden wurden nur sporadisch vermerkt.
Hätte man etwa bei den Adelberger Urkunden die Links zum Online-Findbuch konsequent gesetzt, müsste man bei Nr. 516 nicht rätseln: „Wo ist diese Handschrift von Glaser?“, denn im Findbuch ist der Lagerort in einer Handschrift des Bestands J 1 genau nachgewiesen.
Wenn man bei der Lorcher Urkunde Nr. 264 schon die neueste Literatur angibt, hätte man dann nicht auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass das „Rote Buch“ keineswegs, wie bei mehreren Urkunden angegeben, 1944 verbrannt ist, sondern unter der alten Signatur restauriert benutzbar ist (wenngleich schwer beschädigt)? Völlig inakzeptabel ist bei der – seit dem Jahr 2000 im Internet als Text mit hinlänglichen Erläuterungen präsenten [9] – Lorcher Urkunde von 1162 die im Kopfregest nach wie vor befindliche falsche Identifizierung Uttenhofen, die bereits im WUB Bd. 3, S. 495 korrigiert wurde.
Eine gründliche Überarbeitung der in einem Band 12 zusammengefassten Nachträge ist nicht erfolgt. So erfährt man bei Nr. 5729 nur „Salzhandel zwischen Stift Kempten und Hall durch Srbik und Zößmayer auf Schwäbisch Hall bezogen“ und dass die Urkunde von 972/73 irgendwo in den Monumenta Boica gedruckt ist. Überhaupt darf man sich von diesem Nachtragsband nicht zu viel versprechen. Eine systematische Pflege des Datenbestands ist nie erfolgt, nicht einmal die in der „Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte“ edierten oder angezeigten Urkunden wurden aufgenommen. Es fehlen etwa die ungedruckten Urkunden des 13. Jahrhunderts aus dem ältesten Kopialbuch des Klosters Gotteszell, das vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart erworben werden konnte und auf dessen Existenz ich 1984 hingewiesen hatte.
Keine glückliche Hand beweist das WUB Online auch bei Regionalbezeichnungen: Rießgau, Mortenau oder Littauen im Ortsindex sind nicht hilfreich. Wenn Bd. 6, S. 429 der Flussname Blies eine Anmerkung „Vielleicht Blesa, Aragonien, Spanien“ erhält, ist das einfach nur noch peinlich.
Das Fazit fällt deprimierend aus. Es wurden öffentliche Gelder in erheblichem Umfang in den Sand gesetzt (das Landesarchiv sah sich nicht in der Lage, eine entsprechende Anfrage nach den Kosten zu beantworten). Ohne erhebliche Reparaturarbeiten ist das WUB Online kein wissenschaftlich brauchbares Werkzeug. Das gute alte WUB hat diese erbärmliche „Renovierung“ nicht verdient.
Das WUB müsste als Ganzes im Faksimile und als E-Text der Forschung zur Verfügung stehen und nicht nur in der kastrierten, die Forschung bevormundenden Fassung des WUB Online. Den einzelnen Urkunden könnten im Lauf der Zeit Quellen-Faksimiles und neu erstellte Transkriptionen [10] zugeordnet werden. Für Transkriptionen und Ergänzungen empfiehlt sich die Beteiligung von Nutzern („Web 2.0“), die insbesondere wertvolles lokales Wissen einbringen könnten. Bewährt hat sich dafür das Prinzip „Wiki“ [11] – erinnert sei einmal mehr an das Projekt Wikisource.
[1] Siehe die Kurzvorstellung in den Archivnachrichten
http://www.landesarchiv-bw.de/sixcms/media.php/25/Archivnachrichten_36.pdf
[2] http://de.wikisource.org/wiki/Wirtembergisches_Urkundenbuch
[3] Für Band 9:
http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:De_Wirtembergisches_Urkundenbuch_9_511.jpg
[4] Noch nicht dauerhafte Adresse:
http://www.wubonline.de/index.php?wubid=210
[5] http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:De_Wirtembergisches_Urkundenbuch_1_147.jpg
[6] http://mdz10.bib-bvb.de/~db/bsb00000362/images/index.html?&seite=300
[7] http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:De_Wirtembergisches_Urkundenbuch_2_421.jpg
[8] Kloster Komburg im Mittelalter, Sigmaringen 1987, S. 39.
[9] http://www.histsem.uni-freiburg.de/mertens/graf/urk1162.htm
[10] Auf Transkriptionen von den archivalischen Vorlagen setzen die beiden virtuellen deutschen Urkundenbücher im Internet:
http://www1.uni-hamburg.de/hamburgisches_ub/HambUB.html Virtuelles Hamburgisches Urkundenbuch
http://www1.uni-hamburg.de/Landesforschung/orden.html Virtuelles Preußisches Urkundenbuch
[11] Vgl. etwa Gautier Poupeau, Du livre électronique au wiki. Comprendre les enjeux techniques de l’édition électronique. In: Archiv für Diplomatik 52 (2006), S. 467-478.
KlausGraf - am Freitag, 2. Mai 2008, 22:09 - Rubrik: Staatsarchive