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Stevan Harnad, einer der Köpfe der Open Access (OA)-Bewegung hat in seinem Weblog OA Archivangelism
http://openaccess.eprints.org/index.php?/archives/60-Open-Access-vs.-Back-Access.html
gegen die Bezeichnung OA für zurückliegende Zeitschriftenjahrgänge Einspruch erhoben.

Harnad definiert OA als
" free, IMMEDIATE, permanent online access to any would-be user webwide" (meine Hervorhebung).

Und: "If a work is worth publishing today, it is worth accessing today, not just in 6 months, 12 months, or still longer. "

Zugriff auf vorangegangene Jahrgänge mag, so Harnad, für Historiker oder Lehrer wichtig sein, aber nicht für Forscher, die unmittelbaren und möglichst raschen Zugriff auf die wissenschaftlichen Artikel brauchen.

Harnads zentraler Punkt ist der Impact-Gesichtspunkt, der vor allem aus den Erfahrungen des naturwissenschaftlichen Publikationswesens abgeleitet ist.

Die von den gültigen OA-Definitionen (BOAI, Berlin Declaration) und Peter Suber aufgestellte zusätzliche Bedingung, dass frei nicht nur kostenfrei bedeutet, sondern sich auf die Beseitigung der "permission barriers" bezieht (was konsequenterweise die Benutzung von CC-Lizenzen nahelegt), wird von Harnad nicht geteilt, da sie für den Impact-Aspekt nicht wichtig ist.

Harnad und Suber lehnen beide die Washingtoner Free-Access-Prinzipien
http://www.dcprinciples.org/
als unzureichend ab, obwohl der Forscher nach dem sog. Embargo-Zeitraum bei den beteiligten Zeitschriften kostenfreien und offenbar dauernden Zugriff auf die Zeitschriften hat.

Suber bewirbt das DOAJ http://www.doaj.org, obwohl bei den wenigsten Zeitschriften "permission barriers" beseitigt sind, die Zeitschriften also nicht gemäß den angeführten OA-Kriterien OA sind. Auch bei den Inhalten der meisten OAI-Archive liegt keine entsprechende Freigabe urheberrechtlicher Befugnisse vor.

Dies erscheint mir widersprüchlich, denn ein älterer Artikel, der z.B. über HighWire kostenfrei verfügbar ist, ist ebenso "OA" wie ein Artikel in einem DOAJ-Journal oder OAI-Dokumentenserver. Wenn ein Autor bei dem Self-Archiving bummelt und erst ein Jahr nach Erscheinen archiviert - ist dann der Artikel nicht OA?

Wir müssen offenkundig unterscheiden zwischen OA als wissenschaftspolitischer Forderung und OA bezogen auf den einzelnen Artikel (oder bei Kulturgut das im Internet präsentierte Objekt). Über die Gültigkeit der folgenden Kriterien auf Artikel-Ebene wird gestritten:

Aktualität
* Der Artikel ist unmittelbar nach Erstellung verfügbar.
* Der Artikel ist unmittelbar nach Erstellung einer endgültigen Fassung verfügbar
* Der Artikel ist unmittelbar nach Vorliegen einer im traditionellen Sinn zitierfähigen Fassung (Druckfassung, Verlags-PDF) verfügbar.
*Der Artikel ist nach einem Embargo-Zeitraum verfügbar.

Permission Barriers
*Der Artikel ist mit einer CC-Lizenz versehen
*Der Artikel genügt den OA-Kriterien der genannten Definitionen
*Der Artikel unterliegt dem normalen Urheberrecht

Speicherungsort
*Der Artikel ist auf der Homepage des Autors oder einer vergleichbaren Website verfügbar
*Der Artikel ist frei auf der Website einer Nicht-OA-Zeitschrift verfügbar
*Der Artikel ist auf der Website einer OA-Zeitschrift verfügbar
*Der Artikel ist auf einem Nicht-OA-kompatiblen Dokumentenserver verfügbar
*Der Artikel ist auf einem OAI-Dokumentenserver verfügbar

Langzeitarchivierung
*Der Artikel ist ohne derzeit erkennbare Befristung verfügbar
*Der Artikel ist auf einem Server verfügbar, der die Langzeitarchivierung garantiert.

Anhang: Werke, die unter OA fallen können
*Wissenschaftliche Zeitschriftenartikel
*Wissenschaftliche Daten
*Monographien, Public-Domain-Books/Journals, Dissertationen, Lehrbücher
*Kulturgüter in Archiven, Bibliotheken und Museen

Das Problem ist, dass je nach Fachgebiet und Einstellung diese Kriterien höchst unterschiedlich gewichtet werden. Außerdem sind die Kriterien aufeinander bezogen. Beispielsweise erhöht eine CC-Lizenz die Möglichkeit des langfristigen Zugriffs, da nach Aufgabe einer Zeitschriften-Website die Artikel anderswo gespiegelt werden können.

Peter Suber hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass er die Langzeitarchivierung (unter der Bibliotheken heisst Langzeitarchivierung schon mal: 5 Jahre) durchaus nicht für ein zentrales OA-Thema hält.

Aber was nützt eine OA-Zeitschrift, wenn sie in 10 Jahren bankrott geht und die Artikel vom Netz verschwinden?

Harnad legt auf den "permanent access" Wert, da die Artikel dauerhaft für die wissenschaftliche Überprüfung und vor allem als Ausgangspunkt für Impact zur Verfügung stehen müssen.

Zur Aktualität: Ein möglichst rascher Zugriff ist sicher wünschenswert, aber wenn ein Zeitschriftenartikel nach einer Frist (aus welchen Gründen auch immer: Embargo, Abwarten einer zitierfähigen Fassung, urheberrechtliche Restriktionen - Einjahresfrist des § 38 I UrhG, Säumigkeit des Autors) unbefristet (also dauerhaft) kostenfrei zur Verfügung steht, halte ich es für problematisch, den Artikel NICHT als OA zu bezeichnen.

Geisteswissenschaftliche Arbeitsweisen, die auf 100 Jahre alte Artikel zurückgreifen, Monographien, Daten, Kulturgut als weitere OA-Themen interessieren Harnad nicht. Suber dagegen ist in seinem Weblog durchaus offen für die anderen Werkkategorien. Die Berlin Declaration hat ausdrücklich Kulturgüter miteinbezogen.

ie die verschiedenen Personen, die OA unterstützen, die genannten Kriterien kombinieren wollen, ist schwer einzuschätzen, da es keinen OA-Verband gibt, der durch Mehrheitsbeschluss verbindlich die Auslegung von OA regelt.

So einflussreich und anregend Harnads Überlegungen auch sind, OA ist nicht nur das, was Harnad (oder Suber) dafür hält.
 

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