Darf ein Blogger auf einer wissenschaftlichen Konferenz fotografieren und die Bilder der Teilnehmenden dann in seinem Blog veröffentlichen?
Blogger sind keine Paparazzi. Daher sind die meisten Urteile, die sich mit dem Recht der Presse befassen, Bilder von Prominenten oder Straftätern zu veröffentlichen, für sie nicht einschlägig. Das betreffende Rechtsgebiet nennt sich "Recht am eigenen Bild" (siehe etwa Wikipedia) und ist im "Kunsturheberrechtsgesetz" (KG) aus dem Jahr 1907 geregelt, dessen Paragraphen 22, 23, 24 und 33 weiterhin gelten, während der Rest des Gesetzes durch das geltende Urheberrechtsgesetz ersetzt wurde.
Auch ohne Rechtskenntnisse dürfte klar sein, was in § 22 KUG unmissverständlich formuliert wird: "Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden." Dies gilt auch noch bis 10 Jahre nach dem Tod des Abgebildeten.
Das Anfertigen von Bildern in der Öffentlichkeit ist nur in Ausnahmefällen verboten. (Seit 2004 untersagt § 201a Strafgesetzbuch das unbefugte Fotografieren in geschützten Räumen.) Ein Forscher darf also für wissenschaftliche Zwecke Personenfotos ohne Zustimmung der Fotografierten erstellen, doch für ihre Veröffentlichung braucht er die Genehmigung der so Porträtierten.
Daher gilt als Faustregel: Konflikte lassen sich vermeiden, wenn man sich die geplante Veröffentlichung vom Abgebildeten genehmigen lässt.
Fotografieren bei einer Tagung Pressefotografen und Blogger einen Referenten, hat der Blogger wenig zu befürchten, da dem Referenten klar sein muss, dass Fotos von ihm veröffentlicht werden. Duldet er das Fotografieren, erteilt er implizit die Veröffentlichungserlaubnis.
Neben dem sogenanten "Beiwerk" (z.B. Personen als unwesentlicher Teil des Stadtbilds oder einer Landschaft) ist vor allem die Ausnahme für "Versammlungen" hier relevant. Private Veranstaltungen sind zwar nicht erfasst, aber auch kleinere wissenschaftliche Tagungen darf man als öffentlich ansehen. Gruppenfotos und Fotos vom Auditorium sind also, wenn nicht gezielt eine einzelne Person in den Blick genommen wird, unproblematisch.
Wie sieht es mit den Referenten aus? Wenn man die Tagung als "Ereignis der Zeitgeschichte" ansieht, darf man auch die Referenten ablichten. Die Bildberichterstattung der Presse darf "grundsätzlich alle Geschehnisse von gesellschaftlicher Relevanz" erfassen (Dreier in: Dreier/Schulze 3. Aufl. 2008, S. 1854). Die frühere Unterscheidung zwischen "absoluten Personen der Zeitgeschichte" (vulgo A-Promis) und "relevativen Personen der Zeitgeschichte", die nur vorübergehend vom Scheinwerfer der Öffentlichkeit erfasst werden (z.B. Täter oder Opfer eines spektakulären Verbrechens), wurde von der Rechtsprechung aufgegeben.
In jedem Fall ist das Interesse der Öffentlichkeit an der Bildberichterstattung mit dem Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten abzuwägen. Respektvolle Fotos von öffentlichen Veranstaltungen sind daher kaum riskant. Kann ein seriöses Informationsinteresse der Öffentlichkeit zum Thema bejaht werden, darf man auch Personenbilder ohne Zustimmung veröffentlichen, die nicht in der ersten Reihe der gesellschaftlichen Leistungssträger stehen. Ist die Person in der Wikipedia seit längerem mit einem Foto vertreten oder hat sie Fotos von sich auf Facebook usw. veröffentlicht, kann sie sich gegen eine Bildberichterstattung schlecht wehren, auch wenn es um eine kritische Auseinandersetzung geht.
Wer sich auf brisantem Terrain wie der Stasi-Geschichte bewegt, sollte sich über juristischen Gegenwind nicht wundern, wenn er ehemalige Stasi-Mitarbeiter outet oder sogar abbildet. Bei einem eindeutigen zeithistorischen Dokument musste das Oberlandesgericht München im Dezember 2010 für Rechtssicherheit sorgen: Ein ehemaliger IM war neben einem Militärstaatsanwalt bei der Versiegelung der Räumlichkeiten des MfS 1989 zu sehen. Die Internetseite stasi-in-erfurt.de durfte ihn zeigen (ich empfehle die Lektüre des Urteils (PDF)). Bemerkenswert ist, dass das Gericht dem Anbieter dieser Seite, der eine ernsthafte Auseindersetzung mit dem Thema attestiert wurde, das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 GG) neben der Informations- und Meinungsfreiheit zugute kommen ließ.
Wer seriös wissenschaftlich berichtet, braucht sich bei der Veröffentlichung von Bildern lebender oder noch nicht 10 Jahre toter Personen also auch dann nur wenig Sorgen zu machen, wenn das Bild keine herausragende Persönlichkeit betrifft.
Das Risiko, dass ein Wissenschaftsblogger Ärger wegen des "Rechts am eigenen Bild" bekommt, schätze ich als eher gering ein.
Es gibt zum Recht am eigenen Bild unzählige Gerichtsentscheidungen, Literatur und Internetquellen. Daher sollte es sich von selbst verstehen, dass dieser Beitrag keine Rechtsberatung leisten und das Thema nur allzu holzschnitthaft in den Blick nehmen kann. Hoffentlich überflüssiger Hinweis: Wer ein fremdes Foto benutzt, braucht immer auch die Zustimmung des Rechteinhabers nach dem Urheberrechtsgesetz. Aber das ist ein anderes Thema.
***
Tipp: Instruktive Bildergalerie auf Wikiversity von Ralf Roletschek:
http://de.wikiversity.org/wiki/Kurs:Urheberrecht_im_Internet/Recht_am_eigenen_Bild
Fortsetzung Blog&Recht: http://archiv.twoday.net/stories/156272358/
Viele Urteile zum Recht am eigenen Bild erstritt Caroline von Monaco (hier bei einem öffentlichen Vortrag) . Foto: simone.brunozzi CC-BY-SA
Blogger sind keine Paparazzi. Daher sind die meisten Urteile, die sich mit dem Recht der Presse befassen, Bilder von Prominenten oder Straftätern zu veröffentlichen, für sie nicht einschlägig. Das betreffende Rechtsgebiet nennt sich "Recht am eigenen Bild" (siehe etwa Wikipedia) und ist im "Kunsturheberrechtsgesetz" (KG) aus dem Jahr 1907 geregelt, dessen Paragraphen 22, 23, 24 und 33 weiterhin gelten, während der Rest des Gesetzes durch das geltende Urheberrechtsgesetz ersetzt wurde.
Auch ohne Rechtskenntnisse dürfte klar sein, was in § 22 KUG unmissverständlich formuliert wird: "Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden." Dies gilt auch noch bis 10 Jahre nach dem Tod des Abgebildeten.
Das Anfertigen von Bildern in der Öffentlichkeit ist nur in Ausnahmefällen verboten. (Seit 2004 untersagt § 201a Strafgesetzbuch das unbefugte Fotografieren in geschützten Räumen.) Ein Forscher darf also für wissenschaftliche Zwecke Personenfotos ohne Zustimmung der Fotografierten erstellen, doch für ihre Veröffentlichung braucht er die Genehmigung der so Porträtierten.
Daher gilt als Faustregel: Konflikte lassen sich vermeiden, wenn man sich die geplante Veröffentlichung vom Abgebildeten genehmigen lässt.
Fotografieren bei einer Tagung Pressefotografen und Blogger einen Referenten, hat der Blogger wenig zu befürchten, da dem Referenten klar sein muss, dass Fotos von ihm veröffentlicht werden. Duldet er das Fotografieren, erteilt er implizit die Veröffentlichungserlaubnis.
Neben dem sogenanten "Beiwerk" (z.B. Personen als unwesentlicher Teil des Stadtbilds oder einer Landschaft) ist vor allem die Ausnahme für "Versammlungen" hier relevant. Private Veranstaltungen sind zwar nicht erfasst, aber auch kleinere wissenschaftliche Tagungen darf man als öffentlich ansehen. Gruppenfotos und Fotos vom Auditorium sind also, wenn nicht gezielt eine einzelne Person in den Blick genommen wird, unproblematisch.
Wie sieht es mit den Referenten aus? Wenn man die Tagung als "Ereignis der Zeitgeschichte" ansieht, darf man auch die Referenten ablichten. Die Bildberichterstattung der Presse darf "grundsätzlich alle Geschehnisse von gesellschaftlicher Relevanz" erfassen (Dreier in: Dreier/Schulze 3. Aufl. 2008, S. 1854). Die frühere Unterscheidung zwischen "absoluten Personen der Zeitgeschichte" (vulgo A-Promis) und "relevativen Personen der Zeitgeschichte", die nur vorübergehend vom Scheinwerfer der Öffentlichkeit erfasst werden (z.B. Täter oder Opfer eines spektakulären Verbrechens), wurde von der Rechtsprechung aufgegeben.
In jedem Fall ist das Interesse der Öffentlichkeit an der Bildberichterstattung mit dem Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten abzuwägen. Respektvolle Fotos von öffentlichen Veranstaltungen sind daher kaum riskant. Kann ein seriöses Informationsinteresse der Öffentlichkeit zum Thema bejaht werden, darf man auch Personenbilder ohne Zustimmung veröffentlichen, die nicht in der ersten Reihe der gesellschaftlichen Leistungssträger stehen. Ist die Person in der Wikipedia seit längerem mit einem Foto vertreten oder hat sie Fotos von sich auf Facebook usw. veröffentlicht, kann sie sich gegen eine Bildberichterstattung schlecht wehren, auch wenn es um eine kritische Auseinandersetzung geht.
Wer sich auf brisantem Terrain wie der Stasi-Geschichte bewegt, sollte sich über juristischen Gegenwind nicht wundern, wenn er ehemalige Stasi-Mitarbeiter outet oder sogar abbildet. Bei einem eindeutigen zeithistorischen Dokument musste das Oberlandesgericht München im Dezember 2010 für Rechtssicherheit sorgen: Ein ehemaliger IM war neben einem Militärstaatsanwalt bei der Versiegelung der Räumlichkeiten des MfS 1989 zu sehen. Die Internetseite stasi-in-erfurt.de durfte ihn zeigen (ich empfehle die Lektüre des Urteils (PDF)). Bemerkenswert ist, dass das Gericht dem Anbieter dieser Seite, der eine ernsthafte Auseindersetzung mit dem Thema attestiert wurde, das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 GG) neben der Informations- und Meinungsfreiheit zugute kommen ließ.
Wer seriös wissenschaftlich berichtet, braucht sich bei der Veröffentlichung von Bildern lebender oder noch nicht 10 Jahre toter Personen also auch dann nur wenig Sorgen zu machen, wenn das Bild keine herausragende Persönlichkeit betrifft.
Das Risiko, dass ein Wissenschaftsblogger Ärger wegen des "Rechts am eigenen Bild" bekommt, schätze ich als eher gering ein.
Es gibt zum Recht am eigenen Bild unzählige Gerichtsentscheidungen, Literatur und Internetquellen. Daher sollte es sich von selbst verstehen, dass dieser Beitrag keine Rechtsberatung leisten und das Thema nur allzu holzschnitthaft in den Blick nehmen kann. Hoffentlich überflüssiger Hinweis: Wer ein fremdes Foto benutzt, braucht immer auch die Zustimmung des Rechteinhabers nach dem Urheberrechtsgesetz. Aber das ist ein anderes Thema.
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Tipp: Instruktive Bildergalerie auf Wikiversity von Ralf Roletschek:
http://de.wikiversity.org/wiki/Kurs:Urheberrecht_im_Internet/Recht_am_eigenen_Bild
Fortsetzung Blog&Recht: http://archiv.twoday.net/stories/156272358/
Viele Urteile zum Recht am eigenen Bild erstritt Caroline von Monaco (hier bei einem öffentlichen Vortrag) . Foto: simone.brunozzi CC-BY-SA
KlausGraf - am Dienstag, 2. Oktober 2012, 18:34 - Rubrik: Archivrecht
KlausGraf meinte am 2013/07/23 23:42:
Siehe auch
http://www.rechtambild.de/2013/03/kammergericht-zur-grenze-des-bildnisschutzes/