Internet-Auktion - Historische Polizeiberichte verkauft.
Von Otto Hostettler und Bild Andreas Blatter.
23 April 2003
Berner Zeitung
Es war eine Internetauktion, wie sie von den einschlägigen Anbietern täglich zu Tausenden stattfinden: Jemand bietet eine Ware an, verlangt einen Preis. Stimmt das Angebot, wechselt die Ware den Besitzer. So wurden kürzlich beim weltgrössten Onlineauktionshaus Ebay eine Reihe historischer Schriftstücke versteigert, die eigentlich in bernischen Archiven lagern müssten. Etwa 45 einzelne Positionen waren auf Ebay aufgeführt; fast ausschliesslich amtliche Korrespondenz von Polizeistellen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Schriftstücke trugen etwa den Briefkopf der damaligen Zentralpolizei Bern, Ligerz, Meikirch, Moutier oder Sonvilier. Sie enthielten Angaben über Personen und/oder handelten von Kriminalia. Kostenpunkt der wegen ihrer Stempel bei Prä-philatelisten beliebten Dokumente: Der unbekannte Besitzer forderte zwischen 5 und 80 US-Dollars pro Dokument. [...] Staatsarchivar Peter Martig bestätigt auf Anfrage, dass es sich bei den Schriftstücken tatsächlich um Dokumente handelt, die «wahrscheinlich teilweise aus dem Staatsarchiv stammen». Möglicherweise wurden die Polizeiberichte auch aus Gemeinde-oder Bezirksarchiven entwendet, meint Martig. Mit absoluter Sicherheit lasse es sich aber nicht feststellen, ob die Schriftstücke gestohlen wurden. «Vielleicht wurden die Akten nach ihrer gesetzlichen Aufbewahrungsfrist nicht ordnungsgemäss vernichtet.» Damit könnte es gut möglich sein, dass diese amtliche Polizeikorrespondenz bereits vor Jahren oder Jahrzehnten entwendet, gefunden, dann auf einem Estrich gelagert und jetzt entdeckt wurde. Trotzdem: Für Staatsarchivar Martig ist klar, dass die Polizeidokumente «ganz sicher nicht in den Handel gehören». Martig: «Das ist nicht rechtens. Diese Schriftstücke gehören dem Kanton Bern.» Für den Staatsarchivar ist die Situation alles andere als befriedigend. Weil es offensichtlich aussichtslos ist, in den USA auf juristischem Weg die Dokumente wieder in die Schweiz zurückzuholen, müsse er in solchen Fällen hilflos zusehen, sagt er.
[...] Selbst in der Schweiz ist es schwierig, gestohlenes Kulturgut - und als solches gelten Archivalien - das im Handel auftaucht, zurückzuholen. In einem Fall forderte Martig in Basel vier Gerichtsprotokollbände des Amtes Wangen zurück. Absurderweise musste schliesslich der Kanton Bern die Amtsgerichtsprotokolle - sein Eigentum - zurückkaufen. Pro Band zahlte der Kanton Bern damals zwischen 1500 und 2500 Franken. Staatsarchivar Martig betont, dass zumindest im Kanton Bern die rechtliche Situation klar sei. Dank des neuen Denkmalpflegegesetzes werden die Bestände der Archive als so genannte bewegliche Denkmäler bezeichnet, die damit als Kulturgut gelten und dem Handel entzogen sind. [...]
Von Otto Hostettler und Bild Andreas Blatter.
23 April 2003
Berner Zeitung
Es war eine Internetauktion, wie sie von den einschlägigen Anbietern täglich zu Tausenden stattfinden: Jemand bietet eine Ware an, verlangt einen Preis. Stimmt das Angebot, wechselt die Ware den Besitzer. So wurden kürzlich beim weltgrössten Onlineauktionshaus Ebay eine Reihe historischer Schriftstücke versteigert, die eigentlich in bernischen Archiven lagern müssten. Etwa 45 einzelne Positionen waren auf Ebay aufgeführt; fast ausschliesslich amtliche Korrespondenz von Polizeistellen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Schriftstücke trugen etwa den Briefkopf der damaligen Zentralpolizei Bern, Ligerz, Meikirch, Moutier oder Sonvilier. Sie enthielten Angaben über Personen und/oder handelten von Kriminalia. Kostenpunkt der wegen ihrer Stempel bei Prä-philatelisten beliebten Dokumente: Der unbekannte Besitzer forderte zwischen 5 und 80 US-Dollars pro Dokument. [...] Staatsarchivar Peter Martig bestätigt auf Anfrage, dass es sich bei den Schriftstücken tatsächlich um Dokumente handelt, die «wahrscheinlich teilweise aus dem Staatsarchiv stammen». Möglicherweise wurden die Polizeiberichte auch aus Gemeinde-oder Bezirksarchiven entwendet, meint Martig. Mit absoluter Sicherheit lasse es sich aber nicht feststellen, ob die Schriftstücke gestohlen wurden. «Vielleicht wurden die Akten nach ihrer gesetzlichen Aufbewahrungsfrist nicht ordnungsgemäss vernichtet.» Damit könnte es gut möglich sein, dass diese amtliche Polizeikorrespondenz bereits vor Jahren oder Jahrzehnten entwendet, gefunden, dann auf einem Estrich gelagert und jetzt entdeckt wurde. Trotzdem: Für Staatsarchivar Martig ist klar, dass die Polizeidokumente «ganz sicher nicht in den Handel gehören». Martig: «Das ist nicht rechtens. Diese Schriftstücke gehören dem Kanton Bern.» Für den Staatsarchivar ist die Situation alles andere als befriedigend. Weil es offensichtlich aussichtslos ist, in den USA auf juristischem Weg die Dokumente wieder in die Schweiz zurückzuholen, müsse er in solchen Fällen hilflos zusehen, sagt er.
[...] Selbst in der Schweiz ist es schwierig, gestohlenes Kulturgut - und als solches gelten Archivalien - das im Handel auftaucht, zurückzuholen. In einem Fall forderte Martig in Basel vier Gerichtsprotokollbände des Amtes Wangen zurück. Absurderweise musste schliesslich der Kanton Bern die Amtsgerichtsprotokolle - sein Eigentum - zurückkaufen. Pro Band zahlte der Kanton Bern damals zwischen 1500 und 2500 Franken. Staatsarchivar Martig betont, dass zumindest im Kanton Bern die rechtliche Situation klar sei. Dank des neuen Denkmalpflegegesetzes werden die Bestände der Archive als so genannte bewegliche Denkmäler bezeichnet, die damit als Kulturgut gelten und dem Handel entzogen sind. [...]
KlausGraf - am Donnerstag, 22. April 2004, 02:54 - Rubrik: Archivrecht