Die Herrscherhäuser wussten sehr genau zu unterscheiden zwischen ihrem Privateigentum und dem Staats- bzw. Landeseigentum, das sie qua Amt verwalteten: Sie ließen das Publikum natürlich nicht in ihre privaten Gemächer, öffneten aber Bibliotheken und Museen für ihre Untertanen und nannten diese Institutionen deshalb in Baden auch "Großherzogliche Hof- und Landesbibliothek" schreibt Rudolf Walther in der Frankfurter Rundschau vom 2. Oktober 2006. An diese lieferten Universitäten und Verlage Pflichtexemplare ab. Die wanderten nicht in die Privatbibliothek des Markgrafen. Dessen wirkliche Privatbibliothek hat die Landesbibliothek übrigens vor zehn Jahren dem Markgrafen abgekauft, um sie vor dem Verkauf ins Ausland zu retten.
Dreister Zugriff
Besonders dreist erscheint der markgräfliche Zugriff auf das landeseigene Kulturerbe im Falle der mittelalterlichen Handschriften. Sie kamen als thematisch zusammengehörende Konvolute 1803 als Raubgut in die Landesbibliothek. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurden die deutschen Fürsten mit rechtsrheinischem Grundbesitz von Klöstern, Reichsabteien, Stiften und Bistümern dafür entschädigt, was sie links des Rheins an Napoleon abtreten mussten. Die Handschriften stammen aus säkularisierten bzw. enteigneten Klosterbibliotheken. Sie bilden ein in völkerrechtliche Form gekleidetes Beutegut des Landes Baden, aber nicht Privateigentum des Herrschers. Baden "erbte" damals auch Heidelberg mit der Bibliothek, die beide zur Kurpfalz gehörten. Diese regierte Maximilian Joseph, der 1799 bayerischer Kurfürst und 1806 erster bayerischer König wurde - aber selbstverständlich konnte er die Heidelberger Bibliothek nicht als Privateigentum nach München mitnehmen.
1918 dankte der Großherzog Friedrich II. ab. Nach zähem Ringen mit der republikanischen Regierung des Landes Baden kam 1924 ein Vertrag zustande, wonach nach dem Tod des Großherzogs alle großherzoglichen Bibliotheksbestände und Gemäldesammlungen in Landesbesitz übergehen sollten. Die dubiosen Rechtsansprüche, die das Haus Baden jetzt formuliert, haben ihre Basis in einem Formfehler, als 1954 nach dem Tod der Witwe des letzten Großherzogs die "Zähringer Stiftung" geschaffen wurde.
Mit der Stiftungsurkunde wurde kein Übergabeprotokoll, das die Bestände einzeln auflistet, erstellt. Dadurch entstand die Lage, dass zwar nach übereinstimmender Rechtsauffassung eine Stiftung besteht, aber eine Seite nach über 80 Jahren auf die winkeladvokatorische Idee kam zu behaupten, es sei ungeklärt, was materiell zum Stiftungsbesitz gehöre. Das Land Baden-Württemberg hätte demnach 1954 mit der "Zähringer Stiftung" gleichsam ein Blatt Papier, aber sonst nichts übernommen - außer die Kosten für die Pflege des kulturellen Erbes.
In der Stuttgarter zeitung kommentiert Julia Schröder:
Dass Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger und sein Finanzminister Gerhard Stratthaus zu glauben scheinen, sie könnten Teile aus einem historischen Handschriftenbestand in der Badischen Landesbibliothek herauslösen, ohne diesen in seiner Gesamtheit zu beschädigen, ist schlimm genug. Aber dass der Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Peter Frankenberg, auf dem Standpunkt steht, die "wissenschaftliche Nutzbarkeit" der Landesbibliothek würde "nicht beeinträchtigt" durch die Verkäufe von Stücken, die, wie er sagt, für die badische Landesgeschichte nicht bedeutsam seien, das ist nicht nur schlimm, sondern peinlich. Man fragt sich, wie weit die Ahnung des Ministers, seine Ressorts betreffend, reicht - vorausgesetzt, die philologischen Disziplinen gelten noch als Wissenschaft.
Dreister Zugriff
Besonders dreist erscheint der markgräfliche Zugriff auf das landeseigene Kulturerbe im Falle der mittelalterlichen Handschriften. Sie kamen als thematisch zusammengehörende Konvolute 1803 als Raubgut in die Landesbibliothek. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurden die deutschen Fürsten mit rechtsrheinischem Grundbesitz von Klöstern, Reichsabteien, Stiften und Bistümern dafür entschädigt, was sie links des Rheins an Napoleon abtreten mussten. Die Handschriften stammen aus säkularisierten bzw. enteigneten Klosterbibliotheken. Sie bilden ein in völkerrechtliche Form gekleidetes Beutegut des Landes Baden, aber nicht Privateigentum des Herrschers. Baden "erbte" damals auch Heidelberg mit der Bibliothek, die beide zur Kurpfalz gehörten. Diese regierte Maximilian Joseph, der 1799 bayerischer Kurfürst und 1806 erster bayerischer König wurde - aber selbstverständlich konnte er die Heidelberger Bibliothek nicht als Privateigentum nach München mitnehmen.
1918 dankte der Großherzog Friedrich II. ab. Nach zähem Ringen mit der republikanischen Regierung des Landes Baden kam 1924 ein Vertrag zustande, wonach nach dem Tod des Großherzogs alle großherzoglichen Bibliotheksbestände und Gemäldesammlungen in Landesbesitz übergehen sollten. Die dubiosen Rechtsansprüche, die das Haus Baden jetzt formuliert, haben ihre Basis in einem Formfehler, als 1954 nach dem Tod der Witwe des letzten Großherzogs die "Zähringer Stiftung" geschaffen wurde.
Mit der Stiftungsurkunde wurde kein Übergabeprotokoll, das die Bestände einzeln auflistet, erstellt. Dadurch entstand die Lage, dass zwar nach übereinstimmender Rechtsauffassung eine Stiftung besteht, aber eine Seite nach über 80 Jahren auf die winkeladvokatorische Idee kam zu behaupten, es sei ungeklärt, was materiell zum Stiftungsbesitz gehöre. Das Land Baden-Württemberg hätte demnach 1954 mit der "Zähringer Stiftung" gleichsam ein Blatt Papier, aber sonst nichts übernommen - außer die Kosten für die Pflege des kulturellen Erbes.
In der Stuttgarter zeitung kommentiert Julia Schröder:
Dass Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger und sein Finanzminister Gerhard Stratthaus zu glauben scheinen, sie könnten Teile aus einem historischen Handschriftenbestand in der Badischen Landesbibliothek herauslösen, ohne diesen in seiner Gesamtheit zu beschädigen, ist schlimm genug. Aber dass der Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Peter Frankenberg, auf dem Standpunkt steht, die "wissenschaftliche Nutzbarkeit" der Landesbibliothek würde "nicht beeinträchtigt" durch die Verkäufe von Stücken, die, wie er sagt, für die badische Landesgeschichte nicht bedeutsam seien, das ist nicht nur schlimm, sondern peinlich. Man fragt sich, wie weit die Ahnung des Ministers, seine Ressorts betreffend, reicht - vorausgesetzt, die philologischen Disziplinen gelten noch als Wissenschaft.
Ladislaus meinte am 2006/10/02 20:44:
Die Argumentation mit der Kurpfalz und Bayern ist zwar richtig, aber doch etwas schief. Natürlich konnte ein paar Jahrzehnte vorher Carl Theodor (der als Kurpfälzer den bayerischen Thron erbte), die kurpfälzischen Kunstschätze nicht als "Privat"-Eigentum mit nach München nehmen. Aber er nahm sie eben doch mit, wenn auch als Staatseigentum. Eigentlich nur deshalb ist heute das bis dahin oft genug provinzielle München eine weltbekannte Kulturstadt und nicht das damals zur europäischen Avantgarde gehörende Mannheim. Deshalb ist die Alte Pinakothek so gut ausgestattet, und deshalb wurde Mozarts Idomeneo in München uraufgeführt und nicht in Mannheim. Er hätte natürlich auch die Universität Heidelberg auflösen können und nach München verlegen. Das alles ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass da eben Staatsgebiete und Regierungen verlagert wurden und mit ihnen Kulturschätze, aber nicht Staatsbesitz in Privatbesitz kam. Das schafft erst Günther I. von Gottes und Markgräflichen Gnaden.
Jommelli meinte am 2006/10/02 21:46:
Einige standesherrliche Familien, die ähnlich wie das Haus Baden Nutznießer der Säkularisation geworden sind, haben die an sie gefallenen Bibliotheksbestände freilich schon im 19. Jahrhundert zu Geld gemacht. Erinnert sei etwa an das Schicksal der zugegebenermaßen nicht mehr ins Mittelalter reichenden Bibliothek des Klosters Bronnbach.