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http://de.wikisource.org/wiki/Bayerisches_Oberstes_Landesgericht_-_Kulturgutsicherung

BayObLG Fideikommisssenat, Beschluß vom 27. 10. 2004 - FkBR 1/03

Die Entscheidung betrifft auch das Thurn und Taxis Zentralarchiv in Regensburg.

Auszug: a) Das Bayerische Denkmalschutzgesetz vom 25. 6. 1973 (BayRS 2242-1-K) hat keine Veränderung bewirkt, die eine Aufhebung der Sicherungsbeschlüsse rechtfertigen könnte (vgl. Beschl. des OLG Frankfurt a.M. v. 22. 6. 1982 - FS 66 - für das HessDenkmalschutzG, Denkmalschutzinformation [DSI] 1985, H. 5, S. 28ff.; vgl. ferner die dagegen eingelegte und nicht angenommene Verfassungsbeschwerde, BVerfG, Beschl. v. 15. 5. 1985 - 1 BvR 942/82). Bei der Normierung des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes wurde das Fideikommissgesetz nicht angetastet, vgl. Art. 27, 28 BayDenkmSchG. Die in den Sicherungsbeschlüssen vorgesehenen Maßnahmen werden durch das Bayerische Denkmalschutzgesetz auch nicht überholt (Eberl/Martin/Petzet, BayDenkmSchG, 5. Aufl., Art. 4 Rdnr. 19). Dem Denkmalschutz unterfallen bewegliche Denkmäler, zu denen die Bibliotheken und Archive gehören (Eberl/Martin/Petzet, Art. 1 Rdnr. 68), nämlich nur, wenn sie - was hier nicht der Fall ist - in die Denkmalliste eingetragen sind (vgl. Art. 10 BayDenkmSchG). Anders als nach Art. 10 II BayDenkmSchG bedarf nach den Bestimmungen der Sicherungsbeschlüsse die Veräußerung der geschützten Gegenstände der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Außerdem eröffnen die Sicherungsbeschlüsse auch die Möglichkeit, Bestimmungen über die Benutzungsmöglichkeit zu Forschungszwecken zu treffen. Das Bayerische Denkmalschutzgesetz enthält demgegenüber keine entsprechenden Regelungen. Die Verpflichtungen nach Denkmalrecht und Fideikommissgesetz stehen somit nebeneinander (so Kleeberg/Eberl, Kulturgüter im Privatbesitz, Rdnr. 670). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Senatsentscheidung vom 8. 2. 1989 (BayObLGZ 1989, 22 [25]). Der Senat hat dort ausgeführt, dass eine vom Fideikommissgericht im Zusammenhang mit dem Erlöschen der fideikommissrechtlichen Bindungen auferlegte Reallast zu Gunsten des Staates zur Sicherung etwaiger aus der Instandsetzung und Instandhaltung eines Baudenkmals entstehender Ersatzansprüche im Hinblick auf Art. 4 BayDenkmSchG nicht mehr nötig ist und die Belastung deshalb aufzuheben ist. Eine Vergleichbarkeit mit dem vorliegenden Fall ist nicht gegeben.

b) Eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse könnte auch dadurch eingetreten sein, dass die getroffenen Schutz- und Sicherungsmaßnahmen mit heutigem Verfassungsrecht nicht mehr im Einklang stehen. Dies ist jedoch nicht der Fall.

aa) Ein Verstoß gegen Art. 14 GG liegt nicht vor.

(1) Die Beschlüsse des OLG aus dem Jahr 1943 stellen keine Enteignung dar, weil sie keine konkreten Eigentumspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben entziehen, sondern die Nutzungsmöglichkeiten nur generell und abstrakt beschränken. Sie bestimmen damit Inhalt und Schranken des Eigentums i.S. von Art. 14 I 2 GG. Diese Einordnung der Beschränkungen ist von der Intensität der den Rechtsinhaber betreffenden Belastung unabhängig. Sie behalten ihre Gültigkeit selbst in den Fällen, in denen der Eingriff in seinen Auswirkungen für den Betroffenen einer Enteignung nahe- oder gleichkommt (BVerfGE 100, 226 [240] = NJW 1999, 2877).

(2) Bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums sind die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Begrenzungen der Eigentümerbefugnisse sind in diesem Rahmen als Ausfluss der Sozialgebundenheit des Eigentums (Art. 14 II GG) grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen (BVerfGE 100, 226 [241] = NJW 1999, 2877).

(3) Der Schutz von Kulturgütern ist eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang, der einschränkende Regelungen i.S. von Art. 14 I 2 GG rechtfertigt. Die in den Beschlüssen des OLG angeordneten Maßnahmen sind geeignet und erforderlich, den Zweck des Kulturgüterschutzes zu erfüllen. Ein anderes, gleich wirksames, aber das Eigentum weniger beeinträchtigendes Mittel ist nicht erkennbar.

(4) Eigentümern dürfen keine übermäßigen und unzumutbaren Belastungen auferlegt werden. Die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit hängt von der geschichtlichen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Situation ab. Die Grenzen der Sozialbindung werden regelmäßig überschritten bei Eingriffen in bereits verwirklichte Nutzungen und beim Ausschluss von Nutzungsmöglichkeiten, die sich nach Lage der Dinge objektiv anbieten oder sogar aufdrängen (Sprecher, Beschränkungen des Handels mit Kulturgut und die Eigentumsgarantie, S. 44 m.w. Nachw.). Die vom OLG getroffenen Maßnahmen führen nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Eigentümers. Angesichts des hohen Rangs des Kulturgüterschutzes muss es der Bet. zu 1 hinnehmen, dass ihm eine rentablere Nutzung von Hofbibliothek und Zentralarchiv verwehrt wird (vgl. BVerfGE 100, 226 [242] = NJW 1999, 2877). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass es die Beschlüsse des OLG nicht ausschließen, mit Genehmigung der nach pflichtgemäßem Ermessen zur Entscheidung berufenen Aufsichtsbehörde die fraglichen Kulturgüter an einen Träger zu veräußern, der das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Kulturgüter wahrt. In diesem Zusammenhang kann auch nicht außer Betracht bleiben, dass Bibliothek und Zentralarchiv anders als bürgerliches Eigentum nicht unter marktkonformen Bedingungen, sondern unter dem Privileg einer herrschaftlichen Position geschaffen oder erworben wurden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass derzeit durch den „Betreuungsvertrag“ mit der Universität Regensburg die Belastungen durch Bibliothek und Archiv in Regensburg wesentlich gemindert werden.

(5) Ergänzend ist zu bemerken, dass die Beschlüsse des OLG keine Beschränkungen bestimmen, die nicht schon vorher bestanden haben. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die vorher im Interesse der Familie bestehenden Beschränkungen nunmehr im öffentlichen Interesse aufrechterhalten wurden (vgl. OLG Zweibrücken, OLGZ 1981, 139 [143]; BayObLGZ 1986, 382 [387]).

(6) Dem Einwand des Bet. zu 1, die fideikommissrechtlichen Beschränkungen könnten nicht „ewig“ bestehen bleiben, kann nicht durch eine Entscheidung der Fideikommissgerichte, sondern nur durch gesetzgeberische Maßnahmen entsprochen werden.

bb) Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG ist nicht verletzt. Es ist zwar richtig, dass eine Ungleichbehandlung der Eigentümer von Kulturgütern aus aufgelösten Fideikommissen und von Kulturguteigentümern anderer Herkunft besteht. Es wird aber nicht Gleiches ungleich, sondern Ungleiches entsprechend seiner Eigenart behandelt.

Ein Familienfideikommiss ist ein durch privates Rechtsgeschäft gebundenes Sondervermögen, das grundsätzlich unveräußerlich und unbelastbar ist, von bestimmten Familienmitgliedern nacheinander in einer von vornherein festgelegten Folgeordnung genutzt wird und dazu bestimmt ist, die wirtschaftliche Kraft und das soziale Ansehen einer Familie dauernd zu erhalten. Die Fideikommisse verdanken ihre Entstehung dem Wunsch der grundbesitzenden Familien, insbesondere des Adels, ihren Besitzstand geschlossen zu erhalten (Koehler-Heinemann, S. 67). Fideikommissvermögen wurde in der Regel unter dem Privileg einer herrschaftlichen Position geschaffen oder erworben. Dies war so auch im vorliegenden Fall. Der Bet. zu 1 trägt vor, das Vermögen des Hauses Thurn und Taxis sei durch unternehmerische Tätigkeit, durch die Thurn und Taxis´sche Post, erworben worden. Diese war jedoch nicht ein Privatunternehmen wie jedes andere auch, sondern war mit dem Privileg einer herrschaftlichen Position verbunden (vgl. Meyers Enzyklopädisches Lexikon XIX, S. 167).
KlausGraf meinte am 2006/10/25 00:04:
Fideikommissauflösungsrecht soll als Bundesrecht aufgehoben werden
http://www.bmj.bund.de/media/archive/1223.pdf

Artikel 66 soll der Aufhebung von Fideikommiss-Auflösungsrecht gelten.

Unter Bezugnahme auf obige Entscheidung wird aber in der Begründung ausgeführt:

Rechtsfolgen, die aufgrund des in Rede stehenden Rechts bewirkt worden sind,
bleiben von der Aufhebung dieses Rechts unberührt. Durch die Aufhebung werden
keine Widerrufs-, Rücknahme-, Wiederaufgreifens- und Wiederaufnahmetatbestände
erfüllt; ob Rechtsfolgenbewirkungen nichtig waren bzw. sind, bemisst sich nach
allgemeinen Regeln. Soweit Rechtsfolgen mit Dauerwirkung in Rede stehen, es also
beispielsweise darum gehen sollte, ob eine in der Vergangenheit (bestands- bzw.
rechtskräftig) angeordnete Schutz- und Sicherungsmaßnahme (vgl.
Koehler/Heinemann, a.a.O., S. 90 f. und 91 f.) unverändert aufrechterhalten bleiben
oder aufgehoben werden soll (vgl. BayObLG, Beschluss vom 27. Oktober 2004, NJW
2005, S. 604 m. w. N.), wären – über die Anwendung der in der Rechtsprechung hierzu
entwickelten Maßstäbe hinaus – zukünftig ausschließlich die Landesgesetzgeber
berufen, zu prüfen, ob und inwieweit der vorhandene Normenbestand zur
rechtsstaatlich genügenden Bewältigung solcher Fragen ausreicht oder
ergänzungsbedürftig ist.
(S. 127). 
 

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