Reiner Ruf in der Stuttgarter Zeitung vom 25. Oktober 2006
Die Württembergische Gemeindeversicherung (WGV) hat ein neues Anlageziel entdeckt: die Kulturschätze des Adelshauses derer von Baden. Bis zu 1,5 Millionen Euro stellt WGV-Vorstandschef Hans-Joachim Haug zur Rettung der gefährdeten Kulturgüter bereit. Ob er damit alte Handschriften, frühneuzeitliche Buchdrucke oder vielleicht doch eher ein Gemälde erwerben möchte, ließ der Versicherungschef gestern bei einem Auftritt mit Ministerpräsident Günther Oettinger erst einmal dahingestellt. In erfrischender Offenheit bemühte sich Haug gar nicht erst, den Kunstkenner zu mimen. Stattdessen sprach er von einem "nachhaltigen und langfristigen Investment".
Manchem Kunstliebhaber sträubten sich wohl die Nackenhaare, wenn er denn verstünde, was Haug denn meint, wenn er beiläufig von einer neuen Assetklasse raunt. Nun ja, sagen wir es einmal so: die WGV stößt ein paar Aktien ab oder löst eine Festgeldanlage auf und schichtet damit ihr Vermögen um. Keine große Sache, sagt Haug. "Unser Investment in Kunst wird 0,1 Prozent unserer Kapitalanlagen ausmachen." [...]
Wirtschaftsanwalt Oettinger kann diesen Ausführungen mühelos folgen. [...]
Hans-Joachim Haug darf sich in Karlsruhe etwas Schönes aussuchen. Er muss es nur dort lassen. Als Leihgabe. Das ist Bedingung.
Kommentar
Es sieht ganz danach aus, als ob es zu einer skandalösen Privatisierung von Landeseigentum kommt.
Denn die historischen Handschriftenbestände der Badischen Landesbibliothek gehören überwiegend dem Land - über die "Hinterlegungen" des Hauses Baden, zu denen genau eine wertvolle mittelalterliche Handschrift gehört, könnte man reden - wenn diese nicht der "Zähringer-Stiftung" gehörten!
Aber wenn sich der Versicherungs-Chef nach Art einer Losbude auf dem Rummelplatz etwas "Schönes" aussuchen darf, dann werden einige spektakuläre Stücke des Landeseigentums daran glauben müssen.
Man braucht nicht darauf hinzuweisen, dass solche Ankäufe nicht insolvenzfest sind. Es genügt, wenn die Versicherung ihre Anlagen in ein paar Jahren umschichten will und dann die Handschrift auf den Markt wirft. Wenn dann - leider, leider! - das Land immer noch klamm ist und sein Eigentum nicht zurückkaufen möchte und der neue Eigentümer an einer Dauerleihgabe an die Bibliothek kein Interesse hat - was dann? Dann verschwindet die Handschrift - selbst wenn sie auf der Liste national wertvollen Kulturguts gelandet ist - eben in einem Hamburger Tresor.
Die Württembergische Gemeindeversicherung (WGV) hat ein neues Anlageziel entdeckt: die Kulturschätze des Adelshauses derer von Baden. Bis zu 1,5 Millionen Euro stellt WGV-Vorstandschef Hans-Joachim Haug zur Rettung der gefährdeten Kulturgüter bereit. Ob er damit alte Handschriften, frühneuzeitliche Buchdrucke oder vielleicht doch eher ein Gemälde erwerben möchte, ließ der Versicherungschef gestern bei einem Auftritt mit Ministerpräsident Günther Oettinger erst einmal dahingestellt. In erfrischender Offenheit bemühte sich Haug gar nicht erst, den Kunstkenner zu mimen. Stattdessen sprach er von einem "nachhaltigen und langfristigen Investment".
Manchem Kunstliebhaber sträubten sich wohl die Nackenhaare, wenn er denn verstünde, was Haug denn meint, wenn er beiläufig von einer neuen Assetklasse raunt. Nun ja, sagen wir es einmal so: die WGV stößt ein paar Aktien ab oder löst eine Festgeldanlage auf und schichtet damit ihr Vermögen um. Keine große Sache, sagt Haug. "Unser Investment in Kunst wird 0,1 Prozent unserer Kapitalanlagen ausmachen." [...]
Wirtschaftsanwalt Oettinger kann diesen Ausführungen mühelos folgen. [...]
Hans-Joachim Haug darf sich in Karlsruhe etwas Schönes aussuchen. Er muss es nur dort lassen. Als Leihgabe. Das ist Bedingung.
Kommentar
Es sieht ganz danach aus, als ob es zu einer skandalösen Privatisierung von Landeseigentum kommt.
Denn die historischen Handschriftenbestände der Badischen Landesbibliothek gehören überwiegend dem Land - über die "Hinterlegungen" des Hauses Baden, zu denen genau eine wertvolle mittelalterliche Handschrift gehört, könnte man reden - wenn diese nicht der "Zähringer-Stiftung" gehörten!
Aber wenn sich der Versicherungs-Chef nach Art einer Losbude auf dem Rummelplatz etwas "Schönes" aussuchen darf, dann werden einige spektakuläre Stücke des Landeseigentums daran glauben müssen.
Man braucht nicht darauf hinzuweisen, dass solche Ankäufe nicht insolvenzfest sind. Es genügt, wenn die Versicherung ihre Anlagen in ein paar Jahren umschichten will und dann die Handschrift auf den Markt wirft. Wenn dann - leider, leider! - das Land immer noch klamm ist und sein Eigentum nicht zurückkaufen möchte und der neue Eigentümer an einer Dauerleihgabe an die Bibliothek kein Interesse hat - was dann? Dann verschwindet die Handschrift - selbst wenn sie auf der Liste national wertvollen Kulturguts gelandet ist - eben in einem Hamburger Tresor.