Der Kunsthistoriker Volker Himmelein war Leiter des Württembergischen Landesmuseums und zuvor des Badischen Landesmuseums. Maria Wetzel interviewte ihn für die Stuttgarter Nachrichten vom 4.11.2006 S. 8.
Auszüge:
Die Landesregierung will die badischen Kunstschätze retten, hat aber offenbar keinen genauen Überblick darüber, was wem gehört. Gibt es jemanden, der diesen hat?
H: Nein, es gibt niemanden, der einen genauen Überblick hat. Um diesen Überblick zu gewinnen, müsste zunächst geprüft werden, welchen Rechtsstatus die Zähringer-Stiftung hat, in die der letzte Großherzog seinen Kunstbesitz eingebracht wissen wollte. Und es müsste im Einzelnen geprüft werden, ob die in Frage stehenden Gegenstände Privatbesitz oder Hofbesitz waren.
Die Zähringer-Stiftung wurde 1954 gegründet. Warum wurden diese Fragen denn nicht längst geklärt?
H: Die Stiftung hat manche Aufgaben, die ihr satzungsgemäß vorgegeben waren, nicht erfüllt, etwa die genaue listenmäßige Erfassung der Bestände. Es gab auch keinen dringenden Anlass, die Eigentumsrechte zu klären, solange die Zähringer-Stiftung als rechtmäßiger Eigentümer gelten konnte. Denn ihre Bestände waren in öffentlicher Hand, die Familie hatte keine Verfügung darüber, und dem Anliegen der Öffentlichkeit war damit eigentlich Genüge getan. Das Problem stellte sich erst durch die Geldverlegenheiten der markgräflichen Familie und die Sorge um den Erhalt von Salem. Deshalb wurde die Frage nach den Eigentumsverhältnissen an den Beständen der Stiftung neu gestellt, um gegebenenfalls Kunstobjekte verwerten zu können um die Erhaltung von Salem ohne große Zusatzkosten für den Staat zu finanzieren.
[...]
Sind die Fachleute im Staatsministerium, im Kunstministerium und im Finanzministerium mit der Aufgabe überfordert?
H: Man könnte den Eindruck haben. Es scheint, dass bei dem vorgesehenen Vergleich zwischen Land und dem Haus Baden bestimmte Rechtspositionen nicht so sorgfältig geprüft wurden wie das nötig gewesen wäre. Und es drängt sich der Eindruck auf, dass das Land an einer Stabilisierung der Zähringer-Stiftung im Augenblick kein allzu großes Interesse hat.
Welche Nachteile hätte die Landesregierung denn davon?
Die Landesregierung wollte ursprünglich Bücher verkaufen, um den Erhalt von Salem zu finanzieren. Wenn die Bücher (und die anderen Kunstgegenstände) der Zähringer-Stiftung gehören würden, wie man das bisher angenommen hat, dann könnte das Land (und der Markgraf) nicht darüber verfügen.
Ist die Drei-Säulen-Lösung mit Sponsoren der falsche Weg?
H: Er ist problematisch, denn wer eines der Kunstwerke erwirbt, ist kein Sponsor sondern ein Investor. Er erwirbt ein Objekt, das er dem Land zwar als Dauerleihgabe überlässt, das aber zum Anlagevermögen des Investors gehört, und das er auch weiterverkaufen kann. Zwar ist ein Vorkaufsrecht des Landes vorgesehen, aber wenn das Land von diesem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machen kann oder will, ist das Kunstwerk weg.
Wie beurteilen Sie das Krisenmanagement der Landesregierung?
H: Es ist einigermaßen irritierend, wie unbedarft und unbedacht in diesem Lande mit Kulturgütern umgegangen wird. Die Verwalter des staatlichen Kunstbesitzes können nicht mehr sicher sein, dass die Landesregierung der Verpflichtung, diesen Kunstbesitz auf jeden Fall zu erhalten, in gleichem Maß wie bisher nachkommt. Schwierig nachzuvollziehen ist vor allem die Bereitschaft, ohne Rücksprache mit den Betroffenen Kulturgüter zur Disposition zu stellen. Damit hat das Land seinen guten Ruf, besonders kunst- und kulturfreundlich zu sein, nachhaltig beschädigt.
Auszüge:
Die Landesregierung will die badischen Kunstschätze retten, hat aber offenbar keinen genauen Überblick darüber, was wem gehört. Gibt es jemanden, der diesen hat?
H: Nein, es gibt niemanden, der einen genauen Überblick hat. Um diesen Überblick zu gewinnen, müsste zunächst geprüft werden, welchen Rechtsstatus die Zähringer-Stiftung hat, in die der letzte Großherzog seinen Kunstbesitz eingebracht wissen wollte. Und es müsste im Einzelnen geprüft werden, ob die in Frage stehenden Gegenstände Privatbesitz oder Hofbesitz waren.
Die Zähringer-Stiftung wurde 1954 gegründet. Warum wurden diese Fragen denn nicht längst geklärt?
H: Die Stiftung hat manche Aufgaben, die ihr satzungsgemäß vorgegeben waren, nicht erfüllt, etwa die genaue listenmäßige Erfassung der Bestände. Es gab auch keinen dringenden Anlass, die Eigentumsrechte zu klären, solange die Zähringer-Stiftung als rechtmäßiger Eigentümer gelten konnte. Denn ihre Bestände waren in öffentlicher Hand, die Familie hatte keine Verfügung darüber, und dem Anliegen der Öffentlichkeit war damit eigentlich Genüge getan. Das Problem stellte sich erst durch die Geldverlegenheiten der markgräflichen Familie und die Sorge um den Erhalt von Salem. Deshalb wurde die Frage nach den Eigentumsverhältnissen an den Beständen der Stiftung neu gestellt, um gegebenenfalls Kunstobjekte verwerten zu können um die Erhaltung von Salem ohne große Zusatzkosten für den Staat zu finanzieren.
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Sind die Fachleute im Staatsministerium, im Kunstministerium und im Finanzministerium mit der Aufgabe überfordert?
H: Man könnte den Eindruck haben. Es scheint, dass bei dem vorgesehenen Vergleich zwischen Land und dem Haus Baden bestimmte Rechtspositionen nicht so sorgfältig geprüft wurden wie das nötig gewesen wäre. Und es drängt sich der Eindruck auf, dass das Land an einer Stabilisierung der Zähringer-Stiftung im Augenblick kein allzu großes Interesse hat.
Welche Nachteile hätte die Landesregierung denn davon?
Die Landesregierung wollte ursprünglich Bücher verkaufen, um den Erhalt von Salem zu finanzieren. Wenn die Bücher (und die anderen Kunstgegenstände) der Zähringer-Stiftung gehören würden, wie man das bisher angenommen hat, dann könnte das Land (und der Markgraf) nicht darüber verfügen.
Ist die Drei-Säulen-Lösung mit Sponsoren der falsche Weg?
H: Er ist problematisch, denn wer eines der Kunstwerke erwirbt, ist kein Sponsor sondern ein Investor. Er erwirbt ein Objekt, das er dem Land zwar als Dauerleihgabe überlässt, das aber zum Anlagevermögen des Investors gehört, und das er auch weiterverkaufen kann. Zwar ist ein Vorkaufsrecht des Landes vorgesehen, aber wenn das Land von diesem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machen kann oder will, ist das Kunstwerk weg.
Wie beurteilen Sie das Krisenmanagement der Landesregierung?
H: Es ist einigermaßen irritierend, wie unbedarft und unbedacht in diesem Lande mit Kulturgütern umgegangen wird. Die Verwalter des staatlichen Kunstbesitzes können nicht mehr sicher sein, dass die Landesregierung der Verpflichtung, diesen Kunstbesitz auf jeden Fall zu erhalten, in gleichem Maß wie bisher nachkommt. Schwierig nachzuvollziehen ist vor allem die Bereitschaft, ohne Rücksprache mit den Betroffenen Kulturgüter zur Disposition zu stellen. Damit hat das Land seinen guten Ruf, besonders kunst- und kulturfreundlich zu sein, nachhaltig beschädigt.