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In der SZ vom 11.10.2006 S. 13 geht Gottfried Knapp auf die Unterhaltungskosten des Klosterkomplexes Salem ein:

Wie bei allen Kulturdenkmalen waren auch in Salem immer wieder aufwändige Sanierungs- und Restaurierungsmaßnahmen fällig. Für die gründlichen Pflegemaßnahmen am Klosterkomplex, die in den letzten Jahren vorgenommen wurden, hat der heutige Eigner der Anlage, Prinz Bernhard von Baden, mit 30 Millionen Euro berechnet, was beim Umfang des Ensembles als akzeptabler Betrag gelten kann. Ob aber die 40 zusätzlichen Millionen, die das Land ebenfalls durch den Verkauf wertvoller Handschriften aus der Karlsruher Landesbibliothek herbeischaffen sollte, nötig sind, um den Kloster- oder Schlosskomplex von Salem auch in Zukunft zu sichern, darf bezweifelt werden.

Das mit Abstand bedeutendste Monument im Ensemble ist das hochgotische Münster, das um 1285 begonnen und um 1425 vollendet worden ist, eine dreischiffige Basilika, die mit ihrem prächtig instrumentierten Maßwerkfenster in der Querschiffwand und ihrem geraden Umgangschor die linienhaft elegante, wunderbar feingliedrige Gotik der Zisterzienser in besonderer Reinheit verkörpert. [...] Natürlich kann ein solches Schatzhaus nur mit öffentlichen Denkmalgeldern kunsthistorisch sinnvoll betreut werden.

Doch beim "Schloss", das ja von der Schule privat genutzt wird, und bei den Wirtschaftsgebäuden, in denen der Markgraf seinen Weinhandel betreibt, aber auch ein Feuerwehrmuseum eingerichtet und Kunsthandwerker angesiedelt hat, verhält sich die Sache ein wenig anders. Zwar enthalten die nach dem verheerenden Klosterbrand 1697 völlig neu errichteten "Schloss"-Gebäude einige der schönsten Raumkunstwerke der Region: etwa den von F. J. Feuchtmayer um 1710 üppig mit Standbildern, Büsten und Stuckreliefs ausgestatteten Kaisersaal, das prachtvoll spätbarocke Sommerrefektorium oder den zweigeschossigen klassizistischen Bibliothekssaal. Auch die beiden mehrgeschossigen mächtigen Torgebäude gehören zu den charakterstarken Bauten des Bodenseebarocks. An Qualität und Bedeutung fehlt es dem privaten Teil des Salemer Klosterensembles also keineswegs. Doch dass 40 Millionen Euro auf die hohe Kante gelegt werden müssen, um dieses Baudenkmal weiter zu erhalten, kann uns niemand weismachen.


Am gleichen Tag machte sich auch Rüdiger Soldt in der FAZ seine Gedanken zur Bauunterhaltung von Schloss Salem (S. 4):

Wer in Baden-Württemberg ein historisches Schloß besucht, der wird zwangsläufig darauf aufmerksam gemacht, wie reichhaltig das Land mit Kulturdenkmälern gesegnet ist [...]. Was dem Kunstfreund gefällt, ist den Finanzpolitikern eine Last: 11,2 Millionen Euro nehmen die Schlösser pro Jahr ein, die Betriebskosten belaufen sich aber auf etwa 16 Millionen Euro. Das heißt: Das Land muß mindestens fünf Millionen Euro dazugeben. Außerdem fallen im Jahr Sanierungs- und Renovierungskosten in Höhe von 20 Millionen Euro an. [...]

Finanzpolitiker wissen, daß sich auch Schlösser, die ein gutes Nutzungskonzept haben und ständig für Veranstaltungen vermietet werden, im Grunde nicht ohne staatliche Zuschüsse bewirtschaften lassen. Deshalb ist es in fast allen Bundesländern Ziel einer vorausschauenden Finanzpolitik, nicht weitere Schlösser in das Portfolio der staatlichen Verwaltung aufzunehmen. Nach Schätzungen der Landesregierung kosten Betrieb und Instandhaltung von Salem jährlich etwa 1,5 Millionen Euro. Insofern ist es verständlich, wenn die Landesregierung bei dem Vergleich mit dem Haus keinen Präzedenzfall schaffen will und für die Schloßanlage deshalb eine eigene Stiftung gegründet werden soll. Sie soll ein Stiftungskapital von etwa 30 Millionen Euro haben, der Zeitpunkt der Gründung der Stiftung steht noch nicht fest.

Den Vorschlag einiger Kulturpolitiker, das Schloß Salem in die staatliche Schlösserverwaltung einzugliedern und dafür zwei oder drei mediokre Schlösser zu verkaufen, hält man im Finanzministerium für nicht realistisch. [...]

Zur 900 Jahre alten Schloßanlage Salem gehört das gotische Münster mit der Abtei und einigen Ökonomiegebäuden, die zum Teil auch an das Internat Salem verpachtet sind. Die Schloßanlage umfaßt 42 000 Quadratmeter.


Am 30.9.2006 hatte Wolfgang Messner in der Stuttgarter Zeitung eine Home- bzw. Castle-Story geboten:

Die Schlossanlage von Salem ist so groß wie die halbe Stuttgarter Innenstadt, behauptet Erbprinz Bernhard von Baden. [...] Ganze 25 Hektar ist Salem groß, mehr als 42 000 Quadratmeter genutzte Fläche hat allein das Schloss. "Das müssen wir jeden Tag auf unsere Kosten in Schuss halten", sagt der Prinz. Es gehört den Badenern schon mehr als 200 Jahre, aber jetzt wird der Unterhalt zu teuer. Deshalb der Verkauf. So einfach ist das, sagt Prinz Bernhard.

[...] 30 Millionen Euro braucht der Markgraf zur Tilgung aufgelaufener Schulden, 40 Millionen sollen in eine Stiftung zum Erhalt der Anlage in Salem fließen. Dafür überlassen die Markgrafen dem Land bedeutende Sammlungen und Preziosen [...]

Soll also die Allgemeinheit das marode Zuhause des badischen Herrscherhauses sanieren? Keinesfalls, beschwichtigt Bernhard, und zeigt aus dem Fenster des markgräflichen Rentamtes auf das weißgelbe Schloss. "Alles ist in einem Topzustand", verkündet er und breitet die Arme aus. Die Markgrafen haben hier Millionen Euro vergraben, seit sie das Schloss durch Napoleon und die Säkularisierung 1803 zugesprochen bekamen. 1980 begann die umfassende Renovierung des Areals. Zwischen 1992 und 2002 investierte das ehemalige badische Herrschergeschlecht allein 26 Millionen Euro in die Anlage.

"Es hat kein Ende, es geht immer weiter", erklärt der Prinz und deutet auf ein Gerüst an der imposanten Südfassade des Schlosses. Dort hat die Dachsanierung begonnen. Das sind 35 000 Quadratmeter Fläche. Sie wird Millionen kosten, Millionen, die die Badener nicht mehr haben. Die Sanierung des Münsterdaches von 1997 bis 2002 verschlang allein 3,5 Millionen Euro. Mit 1,2 Millionen Euro war der Eigentümer dabei, der Rest der Summe wurde mit Zuschüssen des Landesdenkmalamtes, von Stiftungen und von der katholischen Kirche gedeckt.

Jedes Jahr geben die Markgrafen gut eine Million Euro für den Erhalt Salems aus. "Das ist nicht mehr zu schultern", sagt Prinz Bernhard. Salem ist eine Kleinstadt mit der weltbekannten Schlossschule Salem, einem katholischen Münster und einem evangelischen Betsaal. [...] Fast 500 Menschen arbeiten in den historischen Gemäuern. [...] Von 40 Mietern erhalten die Markgrafen Pachtzins. Die Schlossschule ist darunter der prominenteste. Mit 16 000 Quadratmetern nimmt sie aber nur ein Drittel der Nutzfläche ein. "Die Einnahmen decken gerade mal die Betriebskosten", sagt Bernhard. "Und das ist schon gut so."

Salem sei auch sein eigenes Denkmalamt, seine Bauhütte und Archiv, meint Prinz Bernhard. Das Münster, das auf das Jahr 1300 zurückgeht, ist nach Ulm und Freiburg das drittgrößte im Land. Das muss man sich erst mal leisten können. "Wir sind nur ein mittelständisches Unternehmen", sagt Erbprinz Bernhard. Schwerpunkt seiner unternehmerischen Tätigkeit ist wie vordem die Land- und Forstwirtschaft. Das Adelshaus besitzt 3700 Hektar Wald. Durch stetige Expansion haben es die Badener mit 130 Hektar Rebfläche zum größten privaten Weingut Deutschlands gebracht. Markgrafenwein wächst in Bermatingen und Birnau am Bodensee und in der Ortenau, wo der Sippe auf dem Ortenberg ein kleines Schloss gehört. Andere Besitztümer haben sie verkauft - zuletzt das von 1573 bis 1578 errichtete Neue Schloss in Baden-Baden für eine unbekannte Summe an eine kuwaitische Familie. Zwischen 1993 und 1995 hatte sich das Haus von den meisten seiner Liegenschaften und Immobilien getrennt.

Damals stand der Markgraf vor einem Schuldenberg von rund 132 Millionen Euro. Schloss Kirchberg am Bodensee samt Campingplatz und Yachthafen, Schloss Eberstein im Murgtal, alles musste weg. Auch eine Maschinenfabrik in Eimeldingen und der florierende Granulathersteller Bergmann in Gaggenau (Kreis Rastatt) wurden versilbert, außerdem ein Medizintechnik- und ein Ladenbauunternehmen. Die Mitarbeiterzahl sank von 1500 auf 400. Heute hat der Markgraf noch 50 Angestellte. Höhepunkt des Ausverkaufs war die Versteigerung von 25 000 Kunstwerken und Alltagsdingen, die im Jahr 1995 auch dank Sotheby's in Baden-Baden zur Auktion des Jahrhunderts wurde und dem Haus Baden einen Reingewinn von 27 Millionen Euro bescherte. Künftig soll das Geld für Salem von der Stiftung kommen, die mit 40 Millionen Euro ausgestattet werden soll. Dann gehört die Anlage der Stiftung, die Markgrafen haben nur noch Wohnrecht. Davon macht der Erbprinz schon lange keinen Gebrauch mehr. Er lebt mit seiner Frau Stephanie und seinen drei kleinen Söhnen in einem Reihenhaus, nahe beim Schloss.


Siehe auch die Stellungnahme des Erbprinzen
http://archiv.twoday.net/stories/2877201/

Kommentar:

Man darf nicht verkennen, dass die ehemalige Standesherrschaft Salem (mit Petershausen) auf höchst dubiose Art und Weise in den Privatbesitz der Markgrafenfamilie gekommen ist.

Die Abteien Salem und Petershausen waren Reichsstände, die auf rechtlich fragwürdige Weise im § 5 des Reichsdeputationshauptschluss dem Markgrafen zugesprochen wurden:
http://de.wikisource.org/wiki/Hauptschlu%C3%9F_der_ausserordentlichen_Reichsdeputation

Eine Sonderstellung dieser beiden Klöster geht aus dieser Rechtsnorm keinesfalls hervor, die es rechtfertigen würde, dem Gebiet einen anderen staatsrechtlichen Charakter zuzusprechen.

Bis 1919 hat man aber unkritisch in Baden die Darlegungen des Abgeordneten Mittermaier nachgebetet, der sich im Kommissionsbericht zum Entwurf eines Apanagengesetzes ausführlich äußerte (Beilage 1 zum Protokoll der Sitzung der II. Kammer vom 4.7.1839, hier Beilagenheft S. 298-302). Danach seien Salem und Petershausen Entschädigungen der unter privatrechtlichem Titel erhaltenen elsässischen Herrschaft Kutzenhausen für ie badischen Prinzen friedrich und Ludwig. Diese erhielten Salem am 15. November 1802 (ebd., S. 300). 1813 wurde die Standesherrschaft Salem dem Apanagial-Fideikommiss (später: Bodensee-Fideikommiss) einverleibt.

Der Staat musste für die mit der Landeshoheit verbundenen Rechte den Prinzen 12000 Gulden zahlen.

Obwohl die Fideikommisskonstitution von 1792 den Charakter des Fideikommisses als Apanagial-Fideikommiss deutlich zu erkennen gibt (so auch bezeichnet siehe http://archiv.twoday.net/stories/2837017/ ), konnte sich die Ansicht Mittermaiers, dass die Erträge des Fideikommisses nicht in den Apanageanspruch einzurechnen seien, im Apanagialgesetz von 1839 durchsetzen.

Indem Mittermaier einen öffentlichrechtlichen Charakter des Fideikommisses verneinte, ergriff der einseitig die Partei des Großherzogs. Aus heutiger Sicht erweist sich die Zuweisung der beiden Reichsabteien an eine Sekundogenitur als klarer Willkürakt des Fürsten, der das von der Kirche unredlich erlangte Raubgut für private Zwecke mißbrauchte. Obwohl das Hausgesetz von 1792 klar vorsah, dass sich Fideikommissbesitz und Apanageanspruch ausschlossen, musste der badische Steuerzahler indirekt für die fürstlichen Schmarotzer aufkommen, die Apanage bezogen und zugleich stattliche Einkünfte aus dem Fideikommiss erhielten (zu dem auch teurer Schmuck und Silbergeschirr gehörten http://archiv.twoday.net/stories/2837017/).

Woher kam das Geld, über das der Fürst im 19. Jahrhundert verfügen konnte? Ute Daniel, Hoftheater, Stuttgart 1995, S. 119 macht auf den hohen Anteil der Hofausgaben an den staatlichen Gesamtausgaben in Baden aufmerksam: "In Baden, wo die Hofausgaben im ausgehenden 18. Jahrhundert relativ zu den insgesamt niedrigen Staatsausgaben sehr hoch gelegen hatten - bei etwa 50 bis gut 60 % der Gesamtausgaben, von denen sie vor der Einführung der Zivilliste immer noch 16 bis 24 % beanspruchten -, sanken sie zwischen 1820 und 1850 nach und nach von 16 auf gut 9 % der Gesamtausgaben und gingen auch in ihrer absoluten Höhe zurück".

Mit anderen Worten: Das Volk bezahlte den Fürsten und seinen Hof, es musste aufbringen, was der Fürst für seine höfische Repräsentation für erforderlich hielt. Auch das zur privaten Verfügung des Fürsten stehende Schatullgut wurde über die Zivilliste vom Staat finanziert.

Das Privatvermögen, mit dessen Mitteln der Fürst Kunstschätze oder Bücher erwerben konnte, war so "privat" nicht. Dies gilt es zu bedenken, wenn es um eigentumsrechtliche Ansprüche aufgrund "Privateigentums" der damals regierenden Dynastie geht.

Salem durfte die markgräfliche Familie über 200 Jahre lang aussaugen. Da erscheint es nur recht und billig, wenn sie sich auch mit nennenswerten eigenen Beiträgen an der Bauunterhaltung beteiligt.

Verfassungsrechtlich sieht es für das Haus Baden an sich nicht schlecht aus, denn das Bundesverfassungsgericht hat am 2. März 1999 "unverhältnismäßige Belastungen des Eigentümers" im Denkmalschutzrecht kategorisch ausgeschlossen:
http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv100226.html

Niemand muss nach dieser Entscheidung "gleichheitswidrige Sonderopfer" ohne Ausgleich dulden. Die Privatnützigkeit des Eigentums muss erhalten bleiben.

Die Gerichte haben sich oft zur "Zumutbarkeit" denkmalschutzrechtlicher Regelung geäußert. Die Lösung des Salem-Problems liegt somit in der Auslegung des Denkmalschutzrechts im Licht des Art. 14 GG. Sofern Ausgleichsansprüche des Eigentümers hinsichtlich des denkmalpflegerisch bedingten Mehraufwands bei einer Gesamtbetrachtung, die seine finanziellen Verhältnisse, aber auch die Einbindung des Münsters und des Schlosskomplexes in den historisch gewachsenen Gesamtbesitz berücksichtigt, bestehen, sind diese gegenüber dem Land geltend zu machen. Es ist daher eine irreführende Darstellung, als könne dem Haus Baden von Rechts wegen zugemutet werden, an Salem "kaputt zu gehen". Sobald die Belastung unverhältnismäßig wird, steht dem Eigentümer der Rechtsschutz der Gerichte zur Seite.

Die Idee einer Salem-Stiftung ist vernünftig, wenngleich die vorgesehenen Regelungen zu sehr den Interessen der Markgrafen entgegenkommen. "Organe der Stiftung wären der Stiftungsrat und der Vorstand. Beabsichtigt ist, dass dem Stiftungsrat zwei vom Haus Baden zu benennende Mitglieder, zwei Vertreter des Landes sowie eine weitere durch Kooptation des Stiftungsrates
mit 2/3 Mehrheit zu bestimmende Persönlichkeit als Vorsitzender angehören. Damit würde gesichert, dass wesentliche Entscheidungen im Stiftungsrat nur mit dem Einverständnis des Landes erfolgen könnten. Vorstand der Stiftung soll der jeweilige Chef des Hauses Baden bzw. ein von diesem benanntes Mitglied seiner Familie sein." (Finanzministerium, DS 14/341).

Es ist dem Eigentümer sehr wohl zuzumuten, in diese Stiftung erhebliche Eigenmittel einzubringen, die durch Verkäufe von Archivgut oder von nicht auf Salem bezüglichen Kunstschätzen , die sich in Salem befinden (z.B. Zähringer-Bildnisgalerie), erzielt werden könnten. Dazu braucht man weder die Handschriften der BLB anzutasten noch Bilder verkaufen, die dem Land bereits gehören.

Update: Unklar ist, welche Schätze die Markgrafen noch in Schloss Salem aufbewahren. Ein großer Teil des Schlosses entzieht sich als angebliche "Privatgemächer" der Erfassung durch das Landesdenkmalamt, das 2005 lediglich den öffentlich zugänglichen Bereich inventarisieren durfte.

Die 1995 ins Denkmalbuch eingetragene Porträtgalerie mit Familienbildern aus dem Neuen Schloss wurde vor einigen Jahren im Zusammenhang mit dem Verkauf des Schlosses mit Zustimmung des Landesdenkmalamts nach Salem verbracht.

Laut http://archiv.twoday.net/stories/2804774/#2897038
wurden auch nach 1995 ständig Kulturgüter verkauft, was den steuerrechtlichen Schluss nahelegt, dass die Markgrafenfamilie einen Kunsthandel betreibt. Angesichts des mutmaßlich noch bestehenden gesetzlichen Vorkaufsrechts und der 1919 abgegebenen Erklärung, dem Land die historisch wertvolle Gegenstände vor dem Verkauf anzubieten, erscheint das nicht akzeptabel.
BCK meinte am 2006/12/26 02:02:
Salem. Vom Kloster zum Fürstensitz 1770-1830

[Ausstellung zur Säkularisation veranstaltet von Schloß Salem und dem Generallandesarchiv Karlsruhe in Schloss Salem - Bibliothek, 22.6.-22.9.2002] / Förderverein des Generallandesarchivs Karlsruhe. Hrsg. von Rainer Brüning ... - Karlsruhe, 2002. - 204 S. : zahlr. Ill.

Eine Rezension von Martin Burkhardt erschien in: Der Archivar. - 56. 2003. - S. 359 - 360 (Martin Burkhardt) (link)

Der Wechsel irdischer Güter aus weltlichem in kirchliches Eigentum und umgekehrt durchzieht die gesamte abendländischchristliche Geschichte. Zunehmend zahlreiche Veranstaltungen nun gedachten und gedenken jener Ereignisse vor 200 Jahren, die als die Säkularisation in unsere Geschichtsbücher eingingen. Der anzuzeigende Begleitband mit einem Aufsatz- und einem Katalogteil dokumentiert die Ausstellung des Generallandesarchivs Karlsruhe und der Verwaltung von Schloss Salem, die, schon vor dem großen Säkularisations-»Boom«, vom 22. Juni bis 22. September 2002 in der historischen Salemer Schlossbibliothek zu sehen war.

Mit dem 60 Jahre umgreifenden Zeitraum kann die Säkularisation der Reichsabtei im engeren Sinne, die Rainer Brüning anschaulich nachzeichnet, in einen historischen Kontext eingebunden werden: Volker Rödel und Ulrich Knapp zeigen in ihren rechts- beziehungsweise personengeschichtlichen Beiträgen, wie sich die Entwicklung gegen Ende des Alten Reiches anbahnte. Hansmartin Schwarzmaier erzählt im besten, zugleich unterhaltenden und erhellenden Sinne vom Stellenwert des ehemaligen Klosters für die weitere Geschichte Badens, indem er verfolgt, wie der von Napoleon abservierte Ludwig von Baden als Standesherr seine neue abgelegene Herrschaft persönlich beziehen musste.

Das Beispiel Salem ist für eine Darstellung der südwestdeutschen Säkularisation von 1802/03 gleichermaßen hervorragend geeignet wie untypisch: Gebäude und mobile Ausstattung waren, so beschreibt Ulrich Knapp, unzerstört verblieben beziehungsweise nach der Flüchtung zurückgebracht worden. Selbst die Bibliothek überstand, wie Armin Schlechter darlegt, zwar zerstreut, aber physisch weitgehend erhalten und aufgrund ausgezeichneter Katalogisierung als Ensemble immerhin rekonstruierbar, die umstürzenden Jahre außerordentlich unbeschadet. Konrad Krimm stellt das größte Klosterarchiv im Großherzogtum vor, das in mustergültiger Ordnung von den badischen Archivaren nach Karlsruhe geholt werden konnte, und bietet damit einen spannenden Exkurs auch in die allgemeine Archivgeschichte. Eine Sentenz an der Wand des sogenannten „Inneren Archivs“ erläutert den Zweck des Raums; doch wir könnten sie auch als generelle Legitimation des Archivarsberufs auffassen: „ET DOCUMENTA DAMUS QUA SIMUS ORIGINE NATI“, „und wir liefern die Beweise, welchen Ursprungs wir sind“.

Unter den zahlreichen, durchweg interessanten Abbildungen im Katalogteil seien exemplarisch herausgegriffen die Pläne und Ansichten der Klosteranlage (S. 87–92), das erhaltene Interieur der Archivräume in Salem aus dem 18. Jahrhundert (S. 28, 33), der Eintrag des Abts Anselm auf dem Vorsatzblatt eines 1765 in Paris erworbenen aufklärerischen Buches als „liber pestilens“ (S. 142) und die Abrechnung über badische Bestechungszahlungen 1803 an französische und russische Regierungsvertreter (S. 69). Die Erläuterungen zu den Exponaten erscheinen knapp, doch kenntnis- und aufschlussreich.

In dem auch formal ansprechend gestalteten Band stört einzig ein wenig, dass einige der abgedruckten Archivalien (v. a. S. 15, 88, 107) etwas blass und klein wiedergegeben sind. Solche Schriftstücke sollten – gerade, wenn ein Archiv verantwortlich zeichnet – weniger als Dekoration abgebildet werden, sondern auch im Katalog als Erkenntnisträger gleichberechtigt neben den Texten stehen.

Der Begleitband zur Ausstellung, weit mehr als ein bloßer Katalog, belegt einmal mehr, dass Archivare nicht nur zu den profundesten Kennern, sondern zugleich zu den engagiertesten Vermittlern der Landesgeschichte gehören.

Stuttgart, Martin Burkhardt

 
 

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