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Das von Max Markgraf von Baden unterschriebene Protokoll der Sitzung der Zähringer Stiftung vom 2. Dezember 1983 hat folgenden Wortlaut:

Am 2. Dezember 1983 trat um 0830 Uhr in den Räumen des Generallandesarchivs in Karlsruhe der Stiftungsrat der Zähringer Stiftung zu einer Sitzung zusammen.

Es waren anwesend:

S.K.H. Max Markgraf von Baden als Vorsitzender
Herr Professor Dr. Volker Himmelein
Herr Dr. Hans Georg Zier

Es wurden folgende Beschlüsse gefaßt:

1) Herr August Herb, Vizepräsident des OLG Karlsruhe, wird mit sofortiger Wirkung zum Geschäftsführer der Stiftung bestellt.

2) Der zuletzt gemachte Kompromißvorschlag des Landes Baden-Württemberg bezüglich der Bestände der Zähringer Stiftung wird einstimmig abgelehnt.

3) Es wird beschlossen, zur nächsten Sitzung Herrn Römer von der Badischen Landesbibliothek einzuladen.

4) Es soll ein Staatsbeitrag von DM 1.000,-- p.a. für den laufenden Geschäftsbetrieb angefordert werden.

5) Die bisherige Tätigkeit von Fräulein von Lentzke soll fortgesetzt werden, falls Fräulein von Lentzke dazu bereit ist.

6) Herr Professor Dr. Himmelein ist der Meinung, daß die gegenwärtige Unterbringung der Wessenberg-Stiftung nicht befriedigend ist, daß aber eine Chance für eine Neuaufstellung besteht, nachdem die Stadt Konstanz Petershausen angekauft hat.
Es wird beschlossen, sich in dieser Angelegenheit mit der Stadt Konstanz in Verbindung zu setzen.

7) Aus der Sammlung Kopf könnte eine Büste der Königin Olga gegen eine Büste der Großherzogin Stephanie von Dannecker ausgeliehen werden.
Herr Professor Himmelein wird die Sache weiter besprechen.

8) Das Museum für Kunsthandwerk in Frankfurt hat um Leihgaben aus der Türkenbeute gebeten.
Es wurde beschlossen, diesem Wunsche zu entsprechen, wobei aber keine Weitergabe in Räume außerhalb [Vorlage: außerhald] des Museums für Kunsthandwerk erfolgen darf.

9) Der Termin der nächsten Sitzung wird für den 2. Februar 1984 um 1100 Uhr im Generallandesarchiv Karlsruhe festgelegt.

Die Sitzung schloß um 0930 Uhr.

Salem, den 8. Dezember 1983


Kommentar:

Wie die Sitzung einer mangels Vermögensmasse bedeutungslosen Stiftung liest sich dieses Protokoll gewiss nicht. Als Bestandteile der Sitzung werden explizit erwähnt: Wessenberg-Stiftung in Konstanz, Sammlung Kopf, Türkenbeute. Außerdem lässt die Einladung an den Leiter der Landesbibliothek darauf schliessen, dass dort ebenfalls Stiftungseigentum lokalisiert wurde.

Von den drei Anwesenden waren zwei Landesbeamte: Himmelein als Direktor des Badischen Landesmuseums, Zier als Direktor des Generallandesarchivs. Gleichwohl wurde ein Kompromißvorschlag des Landes zu den strittigen Eigentumsfragen "einstimmig" abgelehnt.

Himmelein hatte als Leiter des Landesmuseums die Ausleihe von Stücken aus der Türkenbeute zu verantworten, da sie sich in seinem Gewahrsam befanden. Aufgrund seiner beamtenrechtlichen Treuepflicht hatte er alles zu vermeiden, was die Rechtsposition des Landes (die er als Mitglied des Stiftungsrats nicht akzeptierte) gefährdete. Hinsichtlich der Entscheidung über eine Leihgabe besteht kein Grund, die Anwendbarkeit des öffentlichen Rechts anzuzweifeln (auch wenn der Leihvertrag privatrechtlichen Charakter haben sollte), es handelt sich eindeutig um einen Verwaltungsakt, für den das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Baden-Württemberg galt. Die Leihgabe war mit einer von der Zähringer Stiftung verfügten Auflage versehen (§ 36 Abs. 2 VwVfG). Zur Besorgnis der Befangenheit bestimmt § 21:

"Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Mißtrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, oder wird von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, so hat, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder den von diesem Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten. Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Leiter der Behörde, so trifft diese Anordnung die Aufsichtsbehörde, sofern sich der Behördenleiter nicht selbst einer Mitwirkung enthält."
http://dejure.org/gesetze/LVwVfG/21.html

Ein solcher Grund lag vor bei allen Verfügungen über Bestände der Zähringer Stiftung, über deren Umfang Land und Stiftung unterschiedlicher Ansicht waren. Himmelein hatte also seinerzeit einerseits die Interessen der Stiftung und die von ihr verfügte Auflage zu beachten, andererseits als Landesbeamter nach pflichtgemäßem Ermessen über die erbetene Leihgabe zu entscheiden. Es leuchtet ein, dass er sich nicht zweiteilen konnte und ein Interessenskonflikt bestand.

Die Aufsichtsbehörde, also das Ministerium, hätte seit der Stiftungsgründung 1954 sicherstellen müssen, dass sich der jeweilige Leiter des Landesmuseums, der kraft Sitzungssatzung im Stiftungsrat saß, jeglichen Verwaltungshandeln hinsichtlich der strittigen Bestände der Zähringer Stiftung enthielt. Als Stiftungsratsmitglied unterliegt der Direktor keiner dienstlichen Weisung.

Die Amtsführung des Leiters konnte nie und nimmer nach den - hier offensichtlich mit Füßen getretenen - Grundsätzen des öffentlichen Rechts "unparteiisch" erfolgen, da er zugleich Vertreter der Zähringer Stiftung und zur Loyalität verpflichteter Landesbeamter war.

Durch die Stiftungssatzung ist dieser Interessenkonflikt bis auf weiteres vorgegeben. Eine strikt gesetzliche Lösung könnte nur darin bestehen, dass ein anderer Mitarbeiter des Landesmuseums mit der fachlichen Bearbeitung der in die potentiellen Rechte der Stiftung eingreifenden Maßnahmen (insbesondere Leihgaben) betraut wird, die dann von der Aufsichtsbehörde, dem Ministerium, erlassen werden.

Zur Zähringer Stiftung siehe
http://archiv.twoday.net/stories/2834592/ (Materialien zur Zähringer Stiftung, Haupteintrag)
http://archiv.twoday.net/stories/2836746/ (Wessenberg-Galerie in Konstanz)
http://archiv.twoday.net/stories/2835396/ (Stiftung von Louis Jüncke in Baden-Baden)
http://archiv.twoday.net/stories/2823247/ (Klagebefugnis im Stiftungsrecht; erbrechtliches Problem bei der Zähringer Stiftung)
http://archiv.twoday.net/stories/2770378/ (Auszug aus Testament von 1927)
http://archiv.twoday.net/stories/2750198/ (Text der Stiftungssatzung von 1954)
http://archiv.twoday.net/stories/2740166/ (Eintrag im Stiftungsverzeichnis)
Ladislaus meinte am 2006/11/27 09:05:
Also meine Lieblingsstelle ist ja "Es soll ein Staatsbeitrag von DM 1.000,-- p.a. für den laufenden Geschäftsbetrieb angefordert werden." ... :-) 
 

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