Die Berliner Staatsbibliothek präsentiert das digitalisierte Archiv des Aufbau-Verlags, steht als Untertitel über einem längeren Beitrag im Berliner Tagesspiegel.
jp - am Donnerstag, 30. November 2006, 13:07 - Rubrik: Digitale Unterlagen
KlausGraf meinte am 2006/12/02 22:22:
Meldung ist irreführend
Danke für den Beitrag, aber leider wird, wenn von Digitalisierung die Rede ist, munter Verschiedenstes durcheinandergeworfen:HAB und Weimarer Stiftung digitalisierten Luther-Drucke bzw. Goethe-Gedichte. Das heisst auf deutsch: sie schufen eine im Internet zugängliche Nachweisdatenbank, einen Katalog, dem gelegentlich Digitalisate in Form von Titelblättern (so bei der HAB) beigegeben sind.
Stabi digitalisierte Aufbau-Verlag heisst: Die Schriftstücke wurden intern digitalisiert und können womöglich vor Ort in digitaler Form genutzt werden, aber nicht im WWW.
Auszüge aus dem Tagesspiegel-Artikel machen deutlich, dass sich eine so bedeutende Stiftung wie der Preuß. KB längst nicht die Serverkapazitäten des Internetarchivs leisten kann, was nach einem Schildbürgerstreich aussieht:
Die schiere Menge der Dokumente ist erdrückend. Das materielle Archiv besteht aus 1 145 101 Blatt Papier in 7004 Mappen, die in 1350 Archivkästen auf 450 Regalmetern im erdbeben- und bombensicheren Objektschutz-Magazin der Staatsbibliothek am Potsdamer Platz untergebracht sind. Die Rohdaten der von der Berliner Firma Mikro-Univers eingescannten Seiten beanspruchten 50 Terrabyte – mehr als zehnmal so viel Speicherplatz, wie die Staatsbibliothek für ihre digitalisierten Sammlungen momentan zur Verfügung hat. Sie mussten schlicht gelöscht werden. Stattdessen lagern auf den Servern nun 500 Gigabyte Nutzdaten in Form von stark komprimierten Bildern – ein Kompromiss, der, da es sich nicht um Gemälde oder mittelalterliche Handschriften handelt, jedoch vertretbar erscheint. Das Verwaltungsarchiv ist leider nicht alles. Es fehlt das aus 100 000 Blatt bestehende, in 700 Aktenordnern untergebrachte Pressearchiv, von dem sich der jetzige Aufbau-Verleger Bernd F. Lunkewitz dringend wünscht, dass es gleichfalls digitalisiert wird, bevor es am Säurefraß zugrunde geht. Und es fehlen, aus Gründen des Persönlichkeitsrechts, die Kaderakten der Mitarbeiter.
Die Digitalisierung ist dabei nur ein Abfallprodukt der Mikroverfilmung im Auftrag des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Das Programm zum „Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten“, wie es die Behörde (www.bbk.bund.de) in einer ihrer Broschüren beschreibt, mit einem Jahresetat von drei Millionen Euro nur ein Aspekt der behördlichen Arbeit, ist damit zum ersten Mal einem Verlagsarchiv zugutegekommen. Nun, spottet Lunkewitz, könne ja auch Ulla Berkéwicz das Suhrkamp-Archiv als Westpendant freigeben.
Die technische Abwicklung des Scannens nahm rund zwei Jahre in Anspruch, wobei die Aufbereitung des Materials drei Viertel des Aufwands ausmachte: Heftklammern entfernen, Klebungen lösen. Eine Mönchsarbeit. Daraus entstanden 362 Rollfilme, die nun im „zentralen Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland“, dem Barbarastollen im breisgauischen Oberried lagern: in luftdichten Fässern aus Edelstahl und in enger Nachbarschaft zu Mikrofilmen mit den Bauplänen des Kölner Doms oder Hitlers Gerichtsakten aus den zwanziger Jahren. Sicherungsverwahrung für die Ewigkeit. Sie dauert, so die Haltbarkeitsprognose, immerhin 500 Jahre.
[...]
Ob durch die Digitalisierung nun ein Ansturm auf das Aufbau-Archiv einsetzt? Andere Bibliotheken haben durch den Medienwechsel schon Wunder erlebt. Der noch stark eingeschränkte, auch bei den urheberrechtsfreien Dokumenten nicht internetöffentliche Zugang, spricht einstweilen dagegen.
steffens80 meinte am 2006/12/05 08:35:
Archiv Aufbau-Verlag bei der Stabi
Schildbürgerstreich ist vielleicht etwas hoch gegriffen. Der gewählte technische Ablauf entspricht lediglich den aktuellen technischen Gegebenheiten. Die klassische Mikroverfilmung mit Mikrofilmkamera stirbt aus, da die Kamera von einigen Herstellern nicht mehr hergestellt wird so bspw. Kodak als Marktführer. Mikro Univers hat hier lediglich das sog. Hybridverfahren gewählt, wo Dokumente gescannt werden und die digitale Information im Nachgang auf Mikrofilm ausbelichtet wird - die aktuell einzige Möglichkeit zur Langzeitarchivierung schutzwürdigen Kulturguts auf Mikrofilm ohne eine Mikrofilmkamera benutzen zu müssen. (Vgl. auch ARCHE-Projekt der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg) Sofern bei dieser Vorgehensweise nur der Mikrofilm beabsichtigt ist, wie im vorliegenden Fall der Stabi, ist das Digitalisat tatsächlich ein "Abfallprodukt". Angesichts der Speichermengen und der damit verbundenen Kosten (trotz rapide gesunkener Storagekosten erzeugen 50 Terrabyte allein aufgrund der Masse exorbitante Kosten, zum Vergleich: ein Centerra Hochleistungs- Festplattenspeicher kostet bei 19 TB Kapazität ca. 45 - 50.000 € und ist für den ständigen Zugriff wie bei der Nutzung von Digitalisaten in der Bibliothek notwendig erforderlich) ist die Entscheidung der Stabi zwar hinsichtlich der aktuellen technischen Entwicklung hin zur Digitalisierung bibliothekarischer Dienstleistungen zwar schwer verständlich, nur angesichts des finanziellen Aufwands für die langzeitarchivgerechte Speicherung der Digitalisate (und diese würde mindestens eine Zweitsicherung von wie es den Anschein hat noch einmal 50 TB bedürfen) durchaus nachvollziehbar.