Badische Neueste Nachrichten, 5.12.2006 (Faksimile bei der BLB)
Ein Mantel ohne Inhalt im Brennpunkt des Interesses
Der Direktor des Badischen Landesmuseums äußert sich zum Kulturgüterstreit und zur Zähringer-Stiftung. / Michael Hübl
Im Streit um den geplanten Ausverkauf von Kulturgütern zu Gunsten der Familie von Baden ist neuerdings die Zähringer-Stiftung in den Brennpunkt des Interesses gerückt. (...) Zu den drei Mitgliedern des Stiftungsrates gehört neben Bernhard von Baden und dem Grafen Douglas der Direktor des Badischen Landesmuseums, Harald Siebenmorgen. Befragt, wo für ihn die Bedeutung der Zähringer- Stiftung liege, verweist der engagierte Kunsthistoriker zunächst auf deren Geschichte: "Die Zähringer-Stiftung ist aufgrund des Testaments von Friedrich II. eingerichtet worden, der verfügt hat, dass eine Reihe von Sammlungskomplexen, die er als sein Eigentum bezeichnet hat, nach dem Tod seiner Gattin in das Eigentum einer Stiftung übergehen soll. Bis dahin sollte die Familie nur in einer Notlage Teile der Sammlungen verkaufen dürfen. "1930 war durch die Folgen der Inflation eine solche Notlage entstanden, und man hat sich an das Land Baden gewandt", referiert Siebenmorgen und fügt hinzu: "Daraufhin hat das Land etwas sehr Sinnvolles getan. Es hat gesagt: Wenn Ihr Geld wollt, müsst Ihr etwas hergeben." Das Ergebnis war der noch im gleichen Jahr vereinbarte Vertrag. Damals erwarb das Land Baden für vier Millionen Reichsmark (zuzüglich Zinsen) rund 450 Kunstobjekte, die bis dato als Privateigentum des letzten Großherzogs gegolten hatten.
(...) Nach der Revolution von 1918 (...) habe man dem Großherzog immerhin einen Bestand von rund 20000 Objekten, zu denen allerdings auch zahlreiche Münzen und Medaillen gehörten, als "freies Eigentum" zugestanden. Siebenmorgen ist in diesem Punkt überzeugt: "Dadurch, dass der badische Staat 1930 bereit war, Gemälde von der großherzoglichen Familie zu kaufen, hat er den Eigentumsanspruch anerkannt."
[Zur Strittigkeit der Inhalte der Bestandteile der Zähringer-Stiftung nach ihrer Errichtung 1954:] "Man hat sich in den 50er Jahren durchaus strittig darüber unterhalten, was in dem Komplex hofeigenen Staatsbesitz und was Privatbesitz darstellt", betont der Direktor des Landesmuseums und macht darauf aufmerksam, dass in dieser Zeit seitens seines Hauses umfangreiche Recherchen hinsichtlich der Herkunft strittiger Stücke angestellt worden seien. In diesem Zusammenhang sei vom zuständigen Ministerium in Stuttgart Weisung ergangen, im Zweifelsfalle die Stücke vorerst als Eigentum des ehemaligen Herrscherhauses zu betrachten.
(...) Zudem habe sich nach 1945 einiges Sammlungsgut "selbständig" gemacht; so seien etwa 200 Waffen, die in einem von den Nationalsozialisten eingerichteten militärgeschichtlichen Museum im ehemaligen Marstall des Karlsruher Schlosses untergebracht waren, nach Salem gelangt und dort einfach einbehalten worden.
[Zur Expertenkommission der Landesregierung:] Trotz dieser Ansammlung von Sachverstand meint Siebenmorgen: "Das kriegen wir alles nicht gelöst."
Zumal das entscheidende Problem offenbar doch bei der Zähringer-Stiftung liegt. So heißt es in einer Stellungnahme des baden-württembergischen Fianzministeriums zu einer Anfrage der SPD-Fraktion im Landtag: "Die zwischen 1918 und 2003 vorgelegten Gutachten zur Frage der eigentumsrechtlichen Zuordnung der streitigen Sammlungen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen." Diese wollte Bernhard von Baden in einer Zusammenschau gegenüberstellen lassen. Auf diese Weise kam das sogenannte Dolzer-Gutachten zustande, wobei, so Siebenmorgen, "Rudolf Dolzer feststellte, dass die Zähringer-Stiftung nicht rechtskräftig zustande gekommen ist. Sie ist ein Mantel ohne Inhalt, denn es fehlt ein Verzeichnis mit dem Stiftungsgut. Wenn ihr aber kein Stiftungsgut unterlegt ist, dann ist sie nicht arbeitsfähig."
Siebenmorgen plädiert dafür, die Einrichtung einer solchen Stiftung nachzuholen, zumal sich seiner Ansicht nach die entscheidenden Differenzen nicht in einer grundsätzlichen Weise lösen lassen. Befragt, ob es denn nicht intelligentere Lösungen gebe, als durch Spendensammlung und Einsparungen im Kulturbereich Geld für einen Ausgleich mit der Familie von Baden zusammenzubringen, gibt er allerdings nur eine Antwort als Privatperson: Auf Schloss Salem gebe es noch eine Menge Kulturgüter, die dem Haus Baden gehören und die zum Verkauf gebracht werden könnten, darunter der sogenannte Feldschreibtisch des Türkenlouis, eine kostbare Taufschale aus dem 16. Jahrhundert und die Fidelitas-Pokale, die kurzfristig auch schon einmal im Badischen Landesmuseum zu sehen waren. Ein Gutes hat der Streit um die badischen Kulturgüter für Siebenmorgen immerhin bereits erbracht: "Er hat gezeigt, wie wichtig die Kultur innerhalb der gesellschaftlichen Diskussion ist und wie ernst sie genommen wird."
Ein Mantel ohne Inhalt im Brennpunkt des Interesses
Der Direktor des Badischen Landesmuseums äußert sich zum Kulturgüterstreit und zur Zähringer-Stiftung. / Michael Hübl
Im Streit um den geplanten Ausverkauf von Kulturgütern zu Gunsten der Familie von Baden ist neuerdings die Zähringer-Stiftung in den Brennpunkt des Interesses gerückt. (...) Zu den drei Mitgliedern des Stiftungsrates gehört neben Bernhard von Baden und dem Grafen Douglas der Direktor des Badischen Landesmuseums, Harald Siebenmorgen. Befragt, wo für ihn die Bedeutung der Zähringer- Stiftung liege, verweist der engagierte Kunsthistoriker zunächst auf deren Geschichte: "Die Zähringer-Stiftung ist aufgrund des Testaments von Friedrich II. eingerichtet worden, der verfügt hat, dass eine Reihe von Sammlungskomplexen, die er als sein Eigentum bezeichnet hat, nach dem Tod seiner Gattin in das Eigentum einer Stiftung übergehen soll. Bis dahin sollte die Familie nur in einer Notlage Teile der Sammlungen verkaufen dürfen. "1930 war durch die Folgen der Inflation eine solche Notlage entstanden, und man hat sich an das Land Baden gewandt", referiert Siebenmorgen und fügt hinzu: "Daraufhin hat das Land etwas sehr Sinnvolles getan. Es hat gesagt: Wenn Ihr Geld wollt, müsst Ihr etwas hergeben." Das Ergebnis war der noch im gleichen Jahr vereinbarte Vertrag. Damals erwarb das Land Baden für vier Millionen Reichsmark (zuzüglich Zinsen) rund 450 Kunstobjekte, die bis dato als Privateigentum des letzten Großherzogs gegolten hatten.
(...) Nach der Revolution von 1918 (...) habe man dem Großherzog immerhin einen Bestand von rund 20000 Objekten, zu denen allerdings auch zahlreiche Münzen und Medaillen gehörten, als "freies Eigentum" zugestanden. Siebenmorgen ist in diesem Punkt überzeugt: "Dadurch, dass der badische Staat 1930 bereit war, Gemälde von der großherzoglichen Familie zu kaufen, hat er den Eigentumsanspruch anerkannt."
[Zur Strittigkeit der Inhalte der Bestandteile der Zähringer-Stiftung nach ihrer Errichtung 1954:] "Man hat sich in den 50er Jahren durchaus strittig darüber unterhalten, was in dem Komplex hofeigenen Staatsbesitz und was Privatbesitz darstellt", betont der Direktor des Landesmuseums und macht darauf aufmerksam, dass in dieser Zeit seitens seines Hauses umfangreiche Recherchen hinsichtlich der Herkunft strittiger Stücke angestellt worden seien. In diesem Zusammenhang sei vom zuständigen Ministerium in Stuttgart Weisung ergangen, im Zweifelsfalle die Stücke vorerst als Eigentum des ehemaligen Herrscherhauses zu betrachten.
(...) Zudem habe sich nach 1945 einiges Sammlungsgut "selbständig" gemacht; so seien etwa 200 Waffen, die in einem von den Nationalsozialisten eingerichteten militärgeschichtlichen Museum im ehemaligen Marstall des Karlsruher Schlosses untergebracht waren, nach Salem gelangt und dort einfach einbehalten worden.
[Zur Expertenkommission der Landesregierung:] Trotz dieser Ansammlung von Sachverstand meint Siebenmorgen: "Das kriegen wir alles nicht gelöst."
Zumal das entscheidende Problem offenbar doch bei der Zähringer-Stiftung liegt. So heißt es in einer Stellungnahme des baden-württembergischen Fianzministeriums zu einer Anfrage der SPD-Fraktion im Landtag: "Die zwischen 1918 und 2003 vorgelegten Gutachten zur Frage der eigentumsrechtlichen Zuordnung der streitigen Sammlungen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen." Diese wollte Bernhard von Baden in einer Zusammenschau gegenüberstellen lassen. Auf diese Weise kam das sogenannte Dolzer-Gutachten zustande, wobei, so Siebenmorgen, "Rudolf Dolzer feststellte, dass die Zähringer-Stiftung nicht rechtskräftig zustande gekommen ist. Sie ist ein Mantel ohne Inhalt, denn es fehlt ein Verzeichnis mit dem Stiftungsgut. Wenn ihr aber kein Stiftungsgut unterlegt ist, dann ist sie nicht arbeitsfähig."
Siebenmorgen plädiert dafür, die Einrichtung einer solchen Stiftung nachzuholen, zumal sich seiner Ansicht nach die entscheidenden Differenzen nicht in einer grundsätzlichen Weise lösen lassen. Befragt, ob es denn nicht intelligentere Lösungen gebe, als durch Spendensammlung und Einsparungen im Kulturbereich Geld für einen Ausgleich mit der Familie von Baden zusammenzubringen, gibt er allerdings nur eine Antwort als Privatperson: Auf Schloss Salem gebe es noch eine Menge Kulturgüter, die dem Haus Baden gehören und die zum Verkauf gebracht werden könnten, darunter der sogenannte Feldschreibtisch des Türkenlouis, eine kostbare Taufschale aus dem 16. Jahrhundert und die Fidelitas-Pokale, die kurzfristig auch schon einmal im Badischen Landesmuseum zu sehen waren. Ein Gutes hat der Streit um die badischen Kulturgüter für Siebenmorgen immerhin bereits erbracht: "Er hat gezeigt, wie wichtig die Kultur innerhalb der gesellschaftlichen Diskussion ist und wie ernst sie genommen wird."
BCK - am Dienstag, 5. Dezember 2006, 10:37 - Rubrik: Kulturgut