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Im Dezember 2004 jährt sich die Gründung des ”Archivs der sozialen Bewegungen” Bremen das fünfte Mal. Das überwiegend von ehrenamtlicher Arbeit getragene Archiv wurde im Dezember 1999 gegründet, als sich der Infoladen der “Bremer BürgerInneninitiative gegen Atomanlagen” (BBA) und der Infoladen “Umschlagplatz” zum Infoladen Bremen zusammenschlossen. Ihre seit Mitte der 1970er Jahre gesammelten Dokumente bildeten den Anfangsbestand, hinzu kamen einige Privatsammlungen. Seit 2001 wird kontinuierlich Material von anderen Bewegungsarchiven, von Bremer politischen Gruppen und von Privatpersonen aufgenommen. Unter dem Motto ”Von der Bewegung – für die Bewegung” wird in diesem selbstverwalteten Archiv Material aus den vielfältigen Widerstands- und Protestbewegungen der letzten Jahrzehnte bis zur Gegenwart zusammengetragen und aufbewahrt. Das Archiv ist ein ”Gedächtnis für die Linke” und stellt sein Material gerne für Geschichtsarbeit zur Verfügung.

Sammelgebiete
Das Archiv sammelt vor allem zu folgenden Themen: Geschichte Bremens; kritische Geschichtsarbeit und Methoden (Alltagsgeschichte etc.); Zeitgeschichte Deutschlands; Nationalsozialismus; APO/SDS/StudentInnenbewegung; Frauen- und Lesbenbewegung; ArbeiterInnen/Gewerkschaften; kommunistische Gruppen; Bildung/Pädagogik/SchülerInnen; bewaffneter Kampf; Justiz/Polizei; Häuserkampf/Stadtentwicklung; Friedensbewegung/Antimilitarismus; Radikale Linke; Autonome; Anti-Atom-Bewegung; Internationalismus/Antiimperialismus; Soziales/Gesundheit; Männer/Schwule; Bevölkerungspolitik/Gen- und Reproduktionstechnologien; Flüchtlinge/Migration/Rassismus/Antisemitismus; traditionelle Linke/Demokratischer Sozialismus; Grüne Partei; PDS; Neue Technologien; Ökologie/Alternativbewegung.

Bestand
Dank zahlreicher Zugänge, ua. von (ehemaligen) AktivistInnen konnte der Gründungsbestand des Archivs von ca. 150 Regalmetern mittlerweile mehr als verdoppelt werden. Der Bestand ist breit angelegt, geht vom heterogenen Material der heterogenen Bewegungen selbst aus und orientiert sich eher an den selbst entwickelten Strukturen der Bewegungen als an wissenschaftlicher Einteilung.
Das Archiv gliedert sich in:
Bücher: Vorhanden sind etwa 2000 Bände, vor allem aus den 1970er und 1980er Jahren. Weitere ca. 1000 Bände sind momentan noch privat untergebracht. Die Bücher sind grob thematisch sortiert, aber nicht katalogisiert oder gar elektronisch erfasst.
Zeitungen und Zeitschriften: Die nach Titeln gegliederte Zeitungs- und Zeitschriftensammlung ist das Herz des Archivs und umfaßt aktuell über 750 Titel (in ca. 700 Archivboxen). Hinzu kommen geschätzt über 1000 weitere Titel als Einzel- oder in sehr wenigen Exemplaren. Viele überregionale Periodika seit den 1980er Jahren sowie ausländische Titel sind zu finden. Knapp zehn Prozent der Titel sind aus Bremen und Umgebung. Über 120 Titel werden laufend bezogen. Seit Sommer 2003 ist eine BISMAS-Datenbank für die Zeitschriften in Arbeit (http://www.bestand.archivbremen.de).
Broschüren, graue Literatur, Flugblätter, Zeitungsartikel: Sie sind in ca. 200 Stehsammlern und Archivboxen aus dem Zeitraum seit den 1960er Jahren zusammengefaßt, wobei zwei Drittel des Materials sortiert sind. Die Erfassung erfolgt nach Themen, innerhalb dieser ggf. auch nach Eingang bzw. chronologisch. Ca. 15 laufende Regalmeter harren noch der Sortierung.
Plakate: Das Archiv verfügt über eine umfangreiche, jedoch noch nicht sortierte oder erschlossene Plakatsammlung.
Sondersammlung Landwirtschaft und Provinz: Sie enthält Material zu den Themen Regionalentwicklung, Bio-Landbau, Landwirtschaft, Provinzarbeit und ländliche Sozialgeschichte mit einem Umfang von ca. 20 Regalmetern.
Sondersammlung Grufties gegen rechts: Sie besteht aus dem Archiv übergebenem Material über die Arbeit der Bremer Initiative “Grufties gegen rechts”, die von 1998 bis 2003 in Bremen und bundesweit agierte.
Das Archiv sucht alle Dokumente (Broschüren Plakate, Flugblätter, Zeitungen etc.) zu Protest und Widerstand, linker Theorie und Praxis in den letzten Jahrzehnten. Besonderes Interesse besteht an Büchern aus den letzten zehn bis 15 Jahren, an Zeitschriften aus den 1960er und 1970er Jahren, an Stadt- und Regionalzeitungen sowie Dokumenten aller Art aus Bremen.
Das ”Archiv der sozialen Bewegungen” bietet Führungen durch das Archiv, Hilfe bei der Suche nach Material für die politische Arbeit, bei Recherchen und Referaten sowie Informationen zu kritischer Geschichtsarbeit und Bewegungsarchiven

Vernetzung, Bewertung und Ausblick
Das Archiv ist in Bremen Mitglied im Netzwerk Selbsthilfe Bremen/Nordniedersachsen, bei Anares. Verein zur Förderung der Lesekultur und unterrepräsentierter Kultur, im Verein ”Erinnern für die Zukunft” und in der Historischen Gesellschaft Bremen. Es arbeitet seit der Gründung im Kreis Bremer Archive (www.bremer-archive.de) mit und nahm an den beiden Bremer Tagen der Archive 2001 und 2003 teil. Überregional gehört es dem “Förderkreis Archive und Bibliotheken zur Geschichte der Arbeiterbewegung e.V.” an und arbeitet im Netzwerk und gleichnamigen Internetportal Kritische Geschichte (www.kritische-geschichte.de) mit.
Die beiden wichtigsten lokalen Kooperationspartner sind der Infoladen Bremen, der die Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung stellt, sowie der Verein ”Erinnern für die Zukunft”, der bei der Konservierung der Dokumente und der Erstellung einer Datenbank half. Überregional arbeitet das Archiv mit vergleichbaren Archiven und Bibliotheken u.a. in Oldenburg, Hamburg, Berlin, Köln, Bonn, Jena, Wien, Großhennersdorf und Gera zusammen. Materialaustausch gibt es ferner mit der Bibliothek des ”Instituts für Regional- und Sozialgeschichte” an der Universität Bremen, dem ”ECO-Archiv Arbeiterkultur und Ökologie” in Hofgeismar und der ”Dokumentationsstelle für unkonventionelle Literatur” der ”Bibliothek für Zeitgeschichte” in Stuttgart. Auch im wissenschaftlichen Umfeld der Bewegungsforschung wurde das Archiv bekanntgemacht. Seit der Gründung des Archivs wurden über 1500 kg Dubletten an andere Archive abgegeben.
Im Herbst 2003 erschien im Ergebnis eines durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung geförderten Forschungsprojekts das Buch ”Archive von unten” (3). Es gibt – erstmals wieder seit 13 Jahren – einen Überblick über Bewegungsarchive und -bibliotheken und enthält neben den Adressen eine Befragung zur deren Situation und ihrem Selbstverständnis.
Wünschenswert wäre, neue Nutzergruppen anzusprechen, z.B., indem Kontakt mit geeigneten Museen aufgenommen wird oder an interessierte LehrerInnen Angebote gemacht werden.
Finanzielle Unterstützung kommt immer wieder vom Netzwerk Selbsthilfe Bremen/Nordniedersachsen. Von der Stiftung Mitarbeit (Bonn) erhielt das Archiv im Jahre 2000 einen kleinen Starthilfezuschuß. Allerdings müssen verstärkt Möglichkeiten des Fundraising ausgelotet werden, da ohne größere finanzielle Zuwendungen nur die Bestandssicherung und der Materialeingang gewährleistet werden können. Eine öffentlichkeitswirksame Arbeit bildet die Voraussetzung (und weitergehend ein Ergebnis), um Zuschüsse oder Spenden zu erreichen. Finanzielle Spielräume müßten auch für neue, adäquate Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden, denn etwa zwei Drittel der Räumlichkeiten sind aus archivalischer Sicht völlig ungenügend, um auch nur die mittelfristige Sicherung des Materials zu erreichen (4).

Archiv der sozialen Bewegungen Bremen, St. Pauli Str. 10/12, 28203 Bremen, Öffnungszeiten: Mittwoch 16.30 bis 19.00 Uhr und nach Absprache, Fax: 0421/75682; Mail: archivbremen((ät))niatu.net; Internet: http://www.archivbremen.de.

(1) Siehe die Gründungserklärung ua. in Kassiber 43, November 2000.

(2) Einen Überblick bietet zuletzt Archive der sozialen Bewegungen, in: Forum Wissenschaft, 2002, H. 2, S. 62-65. Ältere Fassung online unter: htttp:/www.copyriot.com/unefarce/no4/archiv.html.

(3) Siehe Archive von unten. Archive und Bibliotheken der neuen sozialen Bewegungen und ihre Bestände, Neu-Ulm 2003. Unter www.leibi.de/archive sind mehrere Besprechungen und ein Nachtrag zugänglich.

(4) Weitergehende Überlegungen zur Situation und Zukunft von Bewegungsarchiven liefert eine Abschlussarbeit im Rahmen der Ausbildung zum wissenschaftlichen Dokumentar an der Fachhochschule Potsdam. Bezug als elektronische Kopie über die Archivadresse.
 

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