Materialien zu meinem provokanten Diktum stellt Tantner in seinem Lehrveranstaltungsblog zusammen:
http://tantner.twoday.net/stories/42993509/
Seine Studierenden müssen ein eigenes Weblog aufsetzen. Im Vorgriff auf einen ausführlicheren Beitrag möchte ich jetzt schon zu bedenken geben: Es ist nicht nur zumutbar, sondern auch geboten, dass sich Dozenten insoweit medienkompetenzvermittlungskompetent zeigen müssen, dass sie mit dem Medium Blog Erfahrung sammeln. Als Blog definiere ich jegliche über RSS abgreifbaren regelmäßige oder sporadische Unterrichtung über wissenschaftliche Themen im Internet (dazu kann auch Twitter, Facebook und Google+ gehören). De facto zählen Medien des Mitmachwebs 2.0 zu den Informationsquellen der Studierenden, wenngleich bei der fachlichen Informationen fast ausschließlich die Wikipedia im Vordergrund stehen dürfte. Dass ein Dozent angemessen über Blogs oder Twitter usw. als mögliche fachliche Informationsquellen sprechen kann, ohne dazu eigene Erfahrungen zu haben, erscheint mir unwahrscheinlich. Und die Unterrichtung der Studierenden über Informationsquellen gehört nicht nur in eine Medienkompetenzveranstaltung, sondern in JEDE Veranstaltung, auch wenn diese sich ganz altmodisch mit der Kaiserkrönung Karls des Großen beschäftigt. Wie bringt man Studierenden bei, sich den neuesten Forschungsstand abgesehen von dem, was der Dozent in seine Literaturangaben schreibt, zu erschließen? In der Schule oder im Beruf kriegt ja niemand zu einem Recherchethema eine handliche kleine Literaturliste ausgehändigt, deren Lektüre ihm jegliche eigene Anstrengungen (im Buchzeitalter: bibliographischer Art) erspart. Jeder, nicht nur wir Newsjunkies muss "auf dem laufenden" sein, sonst ist er ein schlechter Wissenschaftler. Und dass man das ohne Nutzung von dem neumodischen Internet hinkriegen kann, kann mir niemand erzählen.
Angenommen jemand arbeitet zur Karolingerzeit (ich wähle absichtlich ein Beispiel, das von meinen eigenen Forschung weit entfernt ist). Er bekommt Mailbenachrichtigungen und bezieht RSS-Feeds der einschlägigen mittelalterlichen Fachzeitschriften, soweit er diese nicht automatisch in gedruckter Form auf den Tisch bekommt oder in der Bibliothek sichtet. Daneben gibt es natürlich Monographien oder Aufsätze in Sammelbänden, von denen er entweder elektronisch oder konventionell erfährt. Rezensionen liest er in H-SOZ-U-KULT, den Sehepunkten oder auf Recensio.net.
Innerhalb von 5 Minuten hat er ein Blog bei Tumblr eingerichtet. Sagen wir: Carolingian Musings oder meinetwegen auch Neues aus der Welt der Karolinger. Hinein kommen: Hinweise auf die wenigen Publikationen einschließlich Rezensionen, die er pro Jahr veröffentlicht. Das macht den Kohl nicht fett, ist aber trotzdem informativ. Also Schriftenverzeichnis mit Tag z.B. #ownpublication (Tags können leider soweit ich weiss bei Tumblr nicht als RSS bezogen werden.) Sodann alles, was er als relevante Publikation zu seinem Forschungsgebiet einschätzt. Verknüpfung mit einem Literaturverwaltungsprogramm wäre toll, aber da ich das selbst nicht praktiziere, mag das auf sich beruhen. Bei gedruckten Publikationen muss er einen Link raussuchen, wenn er das Tumblr-Bookmarklet in seiner Lesezeichenleiste einsetzen will. Wenn die automatisch erfassten Angaben nicht ausreichen oder wenn er besonders sorgfältig sein will, schreibt er die bibliographischen Angaben ins Feld und vergibt passende Schlagworte (Tags). Geht wirklich schnell. Wenn er ein passendes Zitat findet, braucht er es bei Tumblr nur mit der Maus markieren, es wird dann automatisch als Quote ins Eingabefeld kopiert.
Dieser Grundbestand kann beliebig angereichert werden: durch das "Carolingian Picture of the Month" (Urheberrechte achten!), durch einen Link "Digital Codex of the Month" (gibt ja inzwischen genügend karolingerzeitliche Handschriften im Netz), durch Reflexionen zu den eigenen Themen (Vom allmählichen Verfertigen von Publikationen während des Bloggens), Kommentare zu den Publikationen, Reblogging anderer Beiträge von Tumblr oder Hinweis auf andere Blogs mit Einträgen zur Karolingerzeit (dürften noch kaum vorhanden sein, allenfalls auf englisch), Pressefundstücke (z.B. http://archiv.twoday.net/stories/38784716/ ) Oder Veranstaltungsankündigungen/Berichte (ich mag es nicht, wenn diese in einem Blog überhand nehmen, aber das braucht ja niemand zu kümmern - Bloggen muss sich nicht an Archivalia orientieren).
Niemand kann mir weißmachen, dass selbst gremienächzende vielbeschäftigte Professoren wie Gerd S. ein solches anspruchsloses und zeitlich kaum zusätzlich belastendes Blog nicht ein Semester lang ausprobieren könnten.
Dieser Vorschlag stellt das digitale Kuratieren, das man auch bei Zotero oder Delicios/Connotea/Diigolet usw. betreiben könnte, in den Vordergrund und zielt auf Einsteiger ab.Denn das Sichten von neuen Informationen zum eigenen Fachgebiet gehört ja zu dem, was der Wissenschaftler ohnehin tut. Nun schreibt er aber keinen Forschungsbericht alle paar Jahre (was viel zu wenige tun), sondern kommuniziert zeitnah per Internet.
Der "Wissenschaftsblogger" kann sich so weder groß zum Narren machen und braucht, wenn er nicht populäre Inhalte wie spektakuläre Müstair-Bilder mitteilt, auch nicht eine größere Öffentlichkeit zu fürchten. Er braucht eigentlich nur ein paar Leute aus dem Kreis seiner Peers, denen er die Adresse mitteilen kann, ohne schief angesehen zu werden. Oder er nimmt seine Studierenden als primäre Adressaten und in Kauf, dass auch sonst jemand reinschauen kann. (Wohlgemerkt: ein lehrveranstaltungsbegleitendes Blog ist etwas anderes.)
Beim Thema Karolingerzeit ist an ein größeres oder auch nur kleineres Kommentaraufkommen derzeit nicht zu denken. Das ist bedauerlich, aber es wäre Unsinn zu suggerieren, dass der Blogger mit irgendwelchen nützlichen Reaktionen per Kommentar rechnen darf (abgesehen davon, dass Tumblr standardmäßig keine Kommentare vorsiegt).
Update:
http://archiv.twoday.net/stories/49589153/
Karl der Goße im Kloster St. Johann Müstair. Foto: Wladyslaw Sojka http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
http://tantner.twoday.net/stories/42993509/
Seine Studierenden müssen ein eigenes Weblog aufsetzen. Im Vorgriff auf einen ausführlicheren Beitrag möchte ich jetzt schon zu bedenken geben: Es ist nicht nur zumutbar, sondern auch geboten, dass sich Dozenten insoweit medienkompetenzvermittlungskompetent zeigen müssen, dass sie mit dem Medium Blog Erfahrung sammeln. Als Blog definiere ich jegliche über RSS abgreifbaren regelmäßige oder sporadische Unterrichtung über wissenschaftliche Themen im Internet (dazu kann auch Twitter, Facebook und Google+ gehören). De facto zählen Medien des Mitmachwebs 2.0 zu den Informationsquellen der Studierenden, wenngleich bei der fachlichen Informationen fast ausschließlich die Wikipedia im Vordergrund stehen dürfte. Dass ein Dozent angemessen über Blogs oder Twitter usw. als mögliche fachliche Informationsquellen sprechen kann, ohne dazu eigene Erfahrungen zu haben, erscheint mir unwahrscheinlich. Und die Unterrichtung der Studierenden über Informationsquellen gehört nicht nur in eine Medienkompetenzveranstaltung, sondern in JEDE Veranstaltung, auch wenn diese sich ganz altmodisch mit der Kaiserkrönung Karls des Großen beschäftigt. Wie bringt man Studierenden bei, sich den neuesten Forschungsstand abgesehen von dem, was der Dozent in seine Literaturangaben schreibt, zu erschließen? In der Schule oder im Beruf kriegt ja niemand zu einem Recherchethema eine handliche kleine Literaturliste ausgehändigt, deren Lektüre ihm jegliche eigene Anstrengungen (im Buchzeitalter: bibliographischer Art) erspart. Jeder, nicht nur wir Newsjunkies muss "auf dem laufenden" sein, sonst ist er ein schlechter Wissenschaftler. Und dass man das ohne Nutzung von dem neumodischen Internet hinkriegen kann, kann mir niemand erzählen.
Angenommen jemand arbeitet zur Karolingerzeit (ich wähle absichtlich ein Beispiel, das von meinen eigenen Forschung weit entfernt ist). Er bekommt Mailbenachrichtigungen und bezieht RSS-Feeds der einschlägigen mittelalterlichen Fachzeitschriften, soweit er diese nicht automatisch in gedruckter Form auf den Tisch bekommt oder in der Bibliothek sichtet. Daneben gibt es natürlich Monographien oder Aufsätze in Sammelbänden, von denen er entweder elektronisch oder konventionell erfährt. Rezensionen liest er in H-SOZ-U-KULT, den Sehepunkten oder auf Recensio.net.
Innerhalb von 5 Minuten hat er ein Blog bei Tumblr eingerichtet. Sagen wir: Carolingian Musings oder meinetwegen auch Neues aus der Welt der Karolinger. Hinein kommen: Hinweise auf die wenigen Publikationen einschließlich Rezensionen, die er pro Jahr veröffentlicht. Das macht den Kohl nicht fett, ist aber trotzdem informativ. Also Schriftenverzeichnis mit Tag z.B. #ownpublication (Tags können leider soweit ich weiss bei Tumblr nicht als RSS bezogen werden.) Sodann alles, was er als relevante Publikation zu seinem Forschungsgebiet einschätzt. Verknüpfung mit einem Literaturverwaltungsprogramm wäre toll, aber da ich das selbst nicht praktiziere, mag das auf sich beruhen. Bei gedruckten Publikationen muss er einen Link raussuchen, wenn er das Tumblr-Bookmarklet in seiner Lesezeichenleiste einsetzen will. Wenn die automatisch erfassten Angaben nicht ausreichen oder wenn er besonders sorgfältig sein will, schreibt er die bibliographischen Angaben ins Feld und vergibt passende Schlagworte (Tags). Geht wirklich schnell. Wenn er ein passendes Zitat findet, braucht er es bei Tumblr nur mit der Maus markieren, es wird dann automatisch als Quote ins Eingabefeld kopiert.
Dieser Grundbestand kann beliebig angereichert werden: durch das "Carolingian Picture of the Month" (Urheberrechte achten!), durch einen Link "Digital Codex of the Month" (gibt ja inzwischen genügend karolingerzeitliche Handschriften im Netz), durch Reflexionen zu den eigenen Themen (Vom allmählichen Verfertigen von Publikationen während des Bloggens), Kommentare zu den Publikationen, Reblogging anderer Beiträge von Tumblr oder Hinweis auf andere Blogs mit Einträgen zur Karolingerzeit (dürften noch kaum vorhanden sein, allenfalls auf englisch), Pressefundstücke (z.B. http://archiv.twoday.net/stories/38784716/ ) Oder Veranstaltungsankündigungen/Berichte (ich mag es nicht, wenn diese in einem Blog überhand nehmen, aber das braucht ja niemand zu kümmern - Bloggen muss sich nicht an Archivalia orientieren).
Niemand kann mir weißmachen, dass selbst gremienächzende vielbeschäftigte Professoren wie Gerd S. ein solches anspruchsloses und zeitlich kaum zusätzlich belastendes Blog nicht ein Semester lang ausprobieren könnten.
Dieser Vorschlag stellt das digitale Kuratieren, das man auch bei Zotero oder Delicios/Connotea/Diigolet usw. betreiben könnte, in den Vordergrund und zielt auf Einsteiger ab.Denn das Sichten von neuen Informationen zum eigenen Fachgebiet gehört ja zu dem, was der Wissenschaftler ohnehin tut. Nun schreibt er aber keinen Forschungsbericht alle paar Jahre (was viel zu wenige tun), sondern kommuniziert zeitnah per Internet.
Der "Wissenschaftsblogger" kann sich so weder groß zum Narren machen und braucht, wenn er nicht populäre Inhalte wie spektakuläre Müstair-Bilder mitteilt, auch nicht eine größere Öffentlichkeit zu fürchten. Er braucht eigentlich nur ein paar Leute aus dem Kreis seiner Peers, denen er die Adresse mitteilen kann, ohne schief angesehen zu werden. Oder er nimmt seine Studierenden als primäre Adressaten und in Kauf, dass auch sonst jemand reinschauen kann. (Wohlgemerkt: ein lehrveranstaltungsbegleitendes Blog ist etwas anderes.)
Beim Thema Karolingerzeit ist an ein größeres oder auch nur kleineres Kommentaraufkommen derzeit nicht zu denken. Das ist bedauerlich, aber es wäre Unsinn zu suggerieren, dass der Blogger mit irgendwelchen nützlichen Reaktionen per Kommentar rechnen darf (abgesehen davon, dass Tumblr standardmäßig keine Kommentare vorsiegt).
Update:
http://archiv.twoday.net/stories/49589153/
Karl der Goße im Kloster St. Johann Müstair. Foto: Wladyslaw Sojka http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
ms (Gast) meinte am 2011/10/13 11:51:
Da kann ich nur zustimmen. Außerdem würde ich noch betonen, dass das ganze richtig Spaß macht.(ich würde übrigens Wordpress als Plattform empfehlen. Tumblr ist zwar nett, aber bietet eben nicht alle Funktionen an und außerdem ist man von einem Anbieter abhängig. Ein eigenes Wordpress-Blog ist da deutlich flexibler, im Zweifelsfall geht auch wordpress.com)
KlausGraf antwortete am 2011/10/13 13:52:
Wordpress ist nichts für Einsteiger
Ein Tumblr-Blog kann man wirklich in 5 Minuten aufsetzen, bei Wordpress muss man, denke ich, schon erheblich mehr investieren. Wenn man mehr Erfahrung hat kann man ja immer noch wechseln.
ms (Gast) antwortete am 2011/10/14 10:40:
Ein Blog bei Wordpress.com ist auch innerhalb von 5 Minuten eingerichtet. Account erstellen, URL überlegen, Theme auswählen, fertig. Probier's einfach mal aus.