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Nach Ausweis von www.bloglines.com schrieb [...] (der Beitrag ist bei [...] nicht auffindbar):

Ich finde die Frage, ob man Wikipedia in einer wissenschaftlichen Arbeit zitieren darf oder nicht, je länger je mehr bedenklich. Im Grunde genommen verstehe ich gar nicht, wie Dozierende auf die Idee kommen können, Wikipedia als Grundlage für eine wissenschaftliche Arbeit zuzulassen. [...] Grundsätzlich ist kein Allgemeinlexikon zitierfähig, auch nicht in einer Proseminararbeit. Wenn es nun aber Themenbereiche geben soll, die in Wikipedia besonders gut abgeckt sein sollen, so mag dies ja zutreffen. Aber um das beurteilen zu können, muss man die restliche Literatur, die den wissenschaftlichen Regeln entspricht, kennen. Und wenn man diese Literatur kennt, dann kann man genauso gut diese zitieren. Das einzige Argument, das für Wikipedia spricht, ist das, was man neudeutsch “convenience” nennt.

Der zitierte Autor legt Wert auf die Feststellung, dass sein Beitrag versehentlich von ihm veröffentlicht wurde und nicht seiner derzeitigen Meinung entspricht. Da es sich um ein weit verbreitetes Argument handelt, setzen wir uns trotzdem damit auseinander. Mehr in den Kommentaren.

Weil [...] unsauber argumentiert, müssen wirs ihm mal ausführlich erklären.

Nicht alle Titel, die im Literaturverzeichnis einer Hausarbeit oder einer Fußnote auftauchen, sind die "Grundlage" der Arbeit. Wenn man eine besonders gelungene oder mißlungene Definition oder andere Formulierung aus der Wikipedia wörtlich zitieren möchte, kann man das tun. Das hat mit der grundsätzlichen Qualitätsproblematik der Wikipedia nichts zu tun.

Sodann: Zu zitieren sind meines Erachtens alle Artikel, die einen wesentlichen Beitrag bei der Erarbeitung der Arbeit leisten. Das ergibt sich aus der guten wissenschaftlichen Praxis. Das verschiebt das Problem: Gibt es gute Gründe, Wikipedia-Artikel einen solchen Beitrag leisten zu lassen?

Ohne jeden Zweifel.

Wenn der Artikel einen Gedankengang aufweist, der hinreichend nicht-trivial ist und den die dem Bearbeiter zugängliche Sekundärliteratur (wir gehen davon aus, dass er nicht lediglich zu faul ist, diese einzusehen) nicht aufweist, dann ist er zitierfähig.

[...] hat immer noch nicht begriffen, dass die Wikipedia hinsichtlich eines kleinen Bruchteils von Artikeln alles andere als ein Allgemeinlexikon ist. (Wenn man keine Ahnung von den Inhalten eines Projekts hat, sollte man einfach mal stille sein.) Es gibt in der Wikipedia sehr spezielle Inhalte auf dem Niveau eines speziellen Nachschlagewerks. Es gibt angesehene Historiker, die oft und gern das "Lexikon des Mittelalters" zitieren, und ich selbst würde nie auf den Gedanken kommen, einen Artikel aus dem Verfasserlexikon oder der Enzyklopädie des Märchens oder der Enzyklopädie der Neuzeit (an denen ich selbst mitgearbeitet habe) nicht zu zitieren, wenn ich ihn als Bereicherung einer Fußnote empfinde.

Bietet die Wikipedia einen Mehrwert gegenüber der gedruckten Literatur oder eine besonders gelungene Zusammenfassung derselben, so darf sie zitiert werden. Ich verweise dazu immer gern auf Artikel, an denen ich selbst maßgeblich mitgearbeitet habe:

http://de.wikipedia.org/wiki/Felix_Fabri
http://de.wikipedia.org/wiki/Judensau

Wenn man die Sau "Original Research" nicht durch virtuelle Dorf treiben will, kann man nicht daran zweifeln, dass es sich dabei um wissenschaftlich zitierfähige Darstellungen handelt, die sehr wohl als Grundlage einer Hausarbeit - neben der gedruckten Literatur selbstverständlich - dienen können. Würden diese Artikel von einem Studi in einer gedruckten Quelle vorgefunden, würde kein Dozent auf die Idee kommen, sie nicht zu akzeptieren.

Sodann gibt es bei entlegenen Themen genügend Beispiele dafür, dass mit zumutbarem Aufwand oder aufgrund von Sprachbarrieren die maßgebliche Literatur, die Eingang in den Wikipedia-Artikel fand oder zu berücksichtigen wäre, vom Studi nicht zu beschaffen ist.

Neulich habe ich dies meinen Studenten am Beispiel von
http://de.wikipedia.org/wiki/Finnische_Ostkriegsz%C3%BCge_1918%E2%80%931920
demonstriert. Wenn man der Ansicht ist, dass es legitim ist, eine akademische Veranstaltung anzubieten, die dieses Thema berührt, ohne dass die Teilnehmer Finnisch können müssen, wird man es ihnen nicht verwehren können, sich auf Literatur auf Deutsch, Englisch oder Französisch zu stützen. Wenn der Wikipedia-Artikel die einzige greifbare Auskunftsquelle ist und eine Bewertung keine offenkundigen Zweifel weckt, steht er einem gedruckten Aufsatz gleich, wobei der gedruckte Aufsatz wesentlich schlechter sein kann als der Wikipedia-Artikel ...

Studis lernen mehr, wenn sie Wikipedia-Artikel kritisch sichten und bewerten, als wenn man ihnen diese Quelle "verbietet". In Ausnahmefällen ist das Zitieren der Wikipedia sehr wohl legitim (und zwar nicht nur von Studenten.)
AndreasP meinte am 2007/11/24 00:13:
Ich wiederhole in diesem Zusammenhang gerne noch einmal einen älteren eigenen Kommentar (damals bei http://weblog.histnet.ch/archives/363 abgegeben):

Es gibt m. E. durchaus Wikipedia-Artikel, die das Niveau von Fachlexika erreichen, ihre Quellen ausführlich darlegen und genauso zitierfähig sind wie etwa das “Lexikon des Mittelalters”. Dass in vielen Fällen ein Wikipedia-Artikel in wissenschaftlicher Abwägung besseren Quellen unterliegen dürfte, ist sonnenklar.

Nur: Niemand kann mir erzählen, dass ein Student heute nicht zuallererst einmal sein Thema googelnd umkreist, bevor er anfängt zus schreiben oder auch nur in Bibliothekskatalogen zu recherchieren. Alles andere wäre auch grob fahrlässig: vielleicht gibt es die ultimative Quellenedition online, vielleicht einen neuen Fachaufsatz, eine neue Rezension, eine neue wissenschaftliche Entwicklung, den entscheidenden Hinweis auf andere Forscher. Wenn dieser Student dann den Wikipediaartikel zum Thema findet und ihn nicht mal anschaut, vergibt er eine Möglichkeit, gewisse Literaturangaben, Volltexte, Websites zur Kenntnis zu nehmen. Natürlich kann der Artikel Schrott sein. Aber auch ein Fachaufsatz zu einem bestimmten Thema kann ziemlicher Schrott sein, und trotzdem sollte man wenigstens mal drübergelesen haben.

Nun kommt ein weiterer Aspekt in die Diskussion hinzu: die wissenschaftliche Lauterkeit. Wenn mir der Wikipedia-Artikel nicht nur durch einen marginalen Quellenhinweis, sondern wirklich entscheidend weitergeholfen hat, dann wäre es unlauter, ihn nicht zu zitieren. Das Zitierverbot wird dann zum Plagiatsgebot. Es wäre aber auch unwissenschaftlich, einen Denkanstoß gar nicht erst aufzunehmen. Dann ist das Zitierverbot plötzlich gar ein Denkverbot.

Wenn ein Professor etwas “für grundsätzlich nicht zitierfähig erklärt”, behindert er damit letztlich die Freiheit der Wissenschaft und traut seinen Studenten die Quellenkritik, immerhin eine der wichtigsten Kompetenzen, von vornherein nicht zu. Das apodiktische Verbieten ohne Ansehen des Einzelfalls fördert wohl wie jede Zensur das Versteckespielen (beim Regelübertreter) oder die Selbstbeschränkung in vorauseilendem Gehorsam (beim Regelbefolger). 
haber meinte am 2007/12/02 23:12:
Eine Panne mit Folgen?
Der Text ist nicht mehr bei hist.net, weil er nie publiziert wurde. Dass Bloglines diesen Text aufgegriffen hat, hat damit zu tun, dass wir gehackt wurden und dass beim Wiedereinspielen der Daten auch einige Textentwürfe kurzzeitig online waren, die ich einmal geschrieben, aber doch für nicht besonders gelungen gehalten habe. Es ist also nicht so, dass der Haber nichts begriffen hat, wie Herr Graf charmant wie immer mir um die Ohren haut, sondern dass hier etwas zitiert wurde, das eigentlich im Papierkorb hätte landen sollen. Freundlich wäre es, den Text auch hier zu löschen. Aber vielleicht ist das ja etwas zu viel verlangt, schliesslich sind wir ja selber schuld, dass wir gehackt wurden und beim Einspielen der Daten geschlampt wurde ... 
KlausGraf antwortete am 2007/12/03 00:22:
Veröffentlicht ist veröffentlicht
Auch eine versehentliche Veröffentlichung durch den Urheber ist eine Veröffentlichung. Hier geht es um eine bestimmte Gesinnung, mit der wir uns auseinandersetzen dürfen und müssen. 
haber antwortete am 2007/12/03 15:50:
Irritiert
Sehr geehrter Herr Graf,

ich fand den Dialog zwischen archivalia und hist.net bisher trotz unterschiedlicher Interessensschwerpunkte sehr anregend und interessant. Ihre Reaktion auf eine Panne, die uns passiert ist und die wir sehr bedauern, irritiert mich sehr. Ich habe den Text in einer Laune im April dieses Jahres geschrieben, dann auf die Seite gelegt und beim Wiederlesen gemerkt, dass ich das so gar nicht finde und habe vergessen, den Eintrag zu löschen. Mea culpa. Wenn Sie die anderen Beiträge von mir zum gleichen Thema gelesen haben, dann wird Ihnen ja klar, dass dieser eine, nicht veröffentlichte Text eben genau nicht meine "Gesinnung" wiedergibt - weshalb ich ihn ja auch nicht veröffentlicht habe.

Mit den besten Grüssen,

Peter Haber 
KlausGraf antwortete am 2007/12/03 16:15:
Entschuldigung
Sie haben ihn veröffentlicht. Ob versehentlich im Anschluss an einen Hackerangriff, den wir bedauern, oder nicht, er ist in der Welt und wurde von uns kritisch kommentiert. Wo kommen wir denn hin, wenn die Kritik an bestimmten Positionen unterbleiben muss, weil sich herausstellt, dass der Urheber seine zeitweilige Gesinnung versehentlich offenbart hat?

Ihre damalige Meinung ist nicht im mindesten ehrenrührig, sie wird wohl von zehntausenden akademischen Lehrern weltweit geteilt. Wenn Sie etwas versehentlich in den Druck gegeben hätten, könnten Sie es auch nicht zurückrufen.

Ich werde den Haupttext umformulieren und hoffe, dass Sie dann mit Ihrer Quengelei aufhören. 
KlausGraf meinte am 2007/12/03 23:48:
Update
http://weblog.histnet.ch/archives/725 
aristhera antwortete am 2011/08/18 19:45:
Der Begriff 'zitierfähig'
Der ganze Streit rührt IMHO einzig und allein aus dem Missverständnispotential des Begriffs zitierfähig
Max Weber hat in Wissenschaft als Beruf formuliert: Wissenschaft will veralten. Wissenschaftlich zu veralten ist nicht nur unser aller Schicksal, sondern unser aller Zweck.
Deshalb muss ich eine wiss. Arbeit so formulieren, dass der Leser nicht nur meinen Gedankengängen folgen, sondern an jeder Stelle auch nachvollziehen kann, wie und durch wen ich darauf gekommen bin, d.h. bei allem, was meine These berührt, also, s. Weber, grundsätzlich "veraltbar" ist, benutzte Quellen und Sekundärliteratur angeben - um das Veralten zu erleichtern. Nur deshalb sind Konversationslexika nicht zitierfähig, weil deren Job nunmal ist, unstrittiges Wissen anzugeben (biogr. Daten etc. - alles, was nicht veraltet).
Wenn ich aber im Zuge meiner Recherchen zur Entstehung der Jurisprudenz in Bologna in der Bild-Zeitung finde, dass Johannes Fried in Juristenstand, S. 87 behauptet, nämlicher Umstand verdanke sich praktischen Interessen der dort ansässigen Juristen und nicht Gelehrteninteressen von Irnerius & Co KG, kann ich das nicht nur, ich muss es zitieren. Dabei muss ich keineswegs auf Fried selbst zurückgreifen, wenn 99% seines Werks einen Zeitraum behandeln, der rund 100 Jahre nach der Entstehung spielt - mich interessiert/ich diskutiere lediglich die Bemerkung S. 87.
Kurz und gut: Mein Beleg muss a) sachlich richtig sein - im Beispiel: Fried muss das a.a.O. wirklich behaupten, und b) er muss für meinen Gedankengang, mein Erkentnisinteresse wesentlich sein. Mithin ist das einzige, das mich vor der Verlegenheit bewahrt, in einer wissenschaftlichen Arbeit die Bild-Zeitung zitieren zu müssen, der Umstand, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als das sowas in dieser Zeitung steht. Dass das bei Wikipedia häufig anders aussieht, wissen wir alle, wer nun deren Zitierfähigkeit bestreitet, hat nicht kapiert, worum es geht. Die Diskussion ist nicht tot zu kriegen, es nervt langsam ;-( 
 

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