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Ein neuer Plan erregt die Gemüter. Der Berliner Verleger Hans J. Heinrich möchte mit 20.000 Ein-Euro-Jobs Kulturgut in Museen, Archiven, Bibliotheken usw. digitalisieren. Die Kulturstaatsministerin Christina Weiss ist bislang Meldungen, sie unterstütze das Projekt, nicht entschieden entgegengetreten. Kritik kam zunächst vom Deutschen Kulturrat:

Der Deutsche Kulturrat befürchtet, dass in diesem Projekt die mit einer Digitalisierung von Kulturgut verbundenen urheberrechtlichen Fragen nicht geklärt sind, dass das Vorhaben fachlich nicht ausgereift ist und dass die im Umgang mit kostbarem Kulturgut selbstverständlichen Standards nicht eingehalten werden können. Überdies befürchtet der Deutsche Kulturrat, dass der ohnehin fragile Arbeitsmarkt Kultur durch dieses Vorhaben gefährdet werden kann.

Presse-Echo:

http://morgenpost.berlin1.de/content/2005/01/05/feuilleton/726430.html
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,335492,00.html

Das Kulturgut soll aber nicht nur digitalisiert, sondern die Digitalisate sollen vermarktet werden. Näher unterrichtet ist vor allem die BZ:

Denn mit den Bildrechten soll das Museum oder das Archiv schließlich Geld verdienen. Erwartet werden 20 bis 50 Millionen Euro Jahresumsatz. Verglichen mit Corbis - 140 Millionen Dollar nach 15 Jahren - ist das sicher eine optimistische Schätzung. Doch verweist Heinrich auf weitere Potenziale, etwa die Museumsshops. Mit den neuen Datensätzen ließen sich günstig hochwertige Duplikate jeder Größe herstellen, so dass keine Nofretete aus dem Museum mehr wie Plastikkitsch aussehen muss.

Rainer Klemke, in der Berliner Kulturverwaltung zuständig für Museen, glühender Befürworter der Digitalisierung, nennt noch ein Beispiel: Ein Architekt, der erkunden muss, was für eine Geschichte sein Bauprojekt in der Pariser Straße 6 hat, muss zum Grundbuchamt, zum Landesarchiv, zum Bildarchiv, zum Bundesarchiv, zum Landesdenkmalschutz und das reicht noch nicht. Nach der digitalen Erfassung könnte er alle Daten unter dem Stichwort Pariser Straße 6 abrufen. Er wäre dankbar, so Klemke, wenn er für den Mausklick 200 Euro bezahlen dürfte, und nicht vier Wochen auf Ämtern anstehen müsste. Andererseits werden Internet-Zugriffe auch kostenlos möglich sein, wofür die Datenbank sehr übersichtlich eingerichtet wird. Sie kann auch ohne besondere Kenntnisse genutzt werden.

[...] Hans J. Heinrich und die Gedido wollen in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer und dem Herder Institut eine professionelle Umsetzung nach internationalen Standards garantieren. Die Datenmenge bei der Erfassung soll 1:1-Reproduktionen ermöglichen (2000 mal 3000 Pixel oder mehr). 80 Prozent der Kulturgüter soll so digitalisiert werden, die besonders wertvollen übrigen Schätze, zum Beispiel die Gutenberg-Bibel, bleiben Spezialisten vorbehalten. Ein Fünftel des Arbeitsberges könnte in zwei Jahren abgetragen sein, schätzt Heinrich. Die Rechte der Kulturgüter bleiben bei den Einrichtungen, die Verwertung erfolgt über eine gemeinnützige Gesellschaft. Viele Museen, darunter die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, haben bereits Interesse bekundet, die Kulturstaatsministerin vermittelt.

Aber hat das Projekt eine Chance? Wendelin Bieser aus der Behörde von Christina Weiss sagt: Die Digitalisierung soll an den üblichen Strukturen, Hierarchien und Gremien vorbei gelenkt werden, weil es sich zeitlich und inhaltlich um ein begrenztes Projekt handelt. Es könnte also etwas werden.


Dem DeutschlandRadio gab Heinrich telefonisch Auskunft:

March: Stoßen Sie bei der Digitalisierung von Kulturgut nicht auch auf urheberrechtliche Probleme, wenn da auf einmal Leute Zugriff haben, die den sonst nicht hatten?

Heinrich: Überhaupt nicht, weil die Digitalisierung selbst ein rein technischer Vorgang ist, und damit greift man nicht in Urheberrechte ein. Urheberrechte werden erst in dem Moment relevant, wo sie anfangen, diese Dateien zu verwerten. Wenn jetzt jemand herkommt und sagt, ich möchte etwas im Fernsehen einsetzen oder ich möchte ein Buch publizieren und darin so und so viele Abbildungen verwenden, über die die Verwertungsgesellschaft verfügt. Die Entscheidung liegt ausschließlich bei den Kultureinrichtungen. Die, bzw. ihre Träger, bleiben im Besitz der Rechte. Wir haben aber die Möglichkeit, und das ist das überhaupt Spannende, dass in den deutschen Sammlungen ja 90 bis 95 Prozent der Kulturgüter mangels Ausstellungsfläche überhaupt nicht gezeigt werden können, die jetzt aber die Chance haben, durch die Digitalisierung in die Öffentlichkeit transportiert werden zu können, zum Beispiel über das Internet.

March: Für die Museen und Archive ist das ja auch deshalb reizvoll, weil sie dann mit zusätzlichen Einnahmen rechnen können, eben durch diese Rechte. Können Sie das garantieren?

Heinrich: Sie können im Markt nicht garantieren, dass, wenn man ein Produkt anbietet, dass das dann auch bestimmt jemand kaufen will. Wenn man aber als Verwertungsgesellschaft alle diese - wie es so schön heißt - Digitalisate ins Netz stellt, dann ist das ein hochinteressanter Einkaufsplatz. Zum Beispiel für Medien, zum Beispiel für Schulbuchverlage, also den Bildungsbereich allgemein, wohlgemerkt natürlich immer nur die Kopie.


Wer ist Hans J. Heinrich? Er ist Verleger von IMD Cultur, der den "Gesamtcatalog Museum" (vorher: Artmemo), ein Adreßbuch, herausgab (laut ZDB: Erscheinen mit der Ausgabe von 1998 eingestellt). Er zeichnet des weiteren für culturCONTOR.com
verantwortlich und für die Zeitschrift Convention International. Eine seiner Geschäftsideen im Onlinebereich ist etwa http://www.deutschlandlexikon.de.

Siehe dazu auch
http://www.dhm.de/pipermail/demuseum/2005-January/date.html

KOMMENTAR

Weder die Person, die hinter dem Projekt steht, noch das, was man bisher darüber lesen konnte, flößen Vertrauen ein.

Es ist noch nicht einmal zutreffend, dass die Digitalisierung ein rein technischer Vorgang sei, der urheberrechtlich nicht relevant ist, wie Heinrich sagt. Wer urheberrechtlich geschütztes Material vervielfältigen will, muss sich auf eine der Schranken des § 53 UrhG berufen können. "Archivkopien" (Abs. 2 Nr. 2) dürfen nach herrschender Lehre noch nicht einmal den Präsenzbenutzern der Institutionen vorgelegt werden. Für die Einstellung ins Internet ist aber auf jeden Fall die Zustimmung des Rechteinhabers erforderlich.

Geht es aber um gemeinfreie Werke, so sollte Kulturgut, wie von der "Berliner Erklärung" gefordert, nach den Grundsätzen von "Open Access" kosten- und LIZENZFREI im Internet zur Verfügung stehen. Nach überwiegender Ansicht entsteht durch die originalgetreue Digitalisierung kein Schutzrecht im Sinne des Urheberrechts (§ 72 UrhG). Die Massendigitalisierung zweidimensionaler Vorlagen kann ein solches Recht auf keinen Fall entstehen lassen. Die Institutionen können sich also gegenüber Verwertern nur auf ihr Datenbankschutzrecht berufen, aber hinsichtlich der Entnahme einzelner gemeinfreier Bestandteile ist es fraglich, ob dieses die in Aussicht genommenen Gewinnerwartungen rechtfertigt. Online-Nutzungsverträge binden immer nur den jeweiligen Nutzer, wenn dieser die Reproduktion abdruckt, kann ein Dritter die Abbildung rechtefrei verwerten.

FAZIT: Aus urheberrechtlicher Sicht eine Seifenblase, aus der Sicht der "Open Access Bewegung" eine Initiative, die mit ihrer Kommerzialisierung von Kulturgut keinerlei Unterstützung verdient.
rosawolke meinte am 2005/01/06 14:51:
Riesensauerei
.... erst werden den Museen Zuwendungen gestrichen, so dass für Aufgaben im IT-Bereich kein Personal eingestellt werden kann, die damit beauftragten Leute gründen dann Firmen ("outsourcing!"), dann kommt der Staat mit Arbeitslosen und zerstört den neuen Markt gleich wieder. Das Thema habe ich heute auch in meinem Weblog aufgegriffen...
Danke für die aufmerksame Recherche! 
KlausGraf antwortete am 2005/01/06 19:44:
Weiss distanziert sich
Kritisch berichtet Telepolis über das Projekt:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19170/1.html

Am Ende heisst es:
"Von der Unterstützung der Kulturstaatsministerin ist nicht viel geblieben. Auf die Anfrage von Telepolis bestreitet ein Sprecher die Kenntnis von konkreten Plänen: "Das ist eine Idee, die ventiliert und moderiert wird. Mit der Umsetzung hat die Kulturstaatministerin nichts zu tun."" 
KlausGraf antwortete am 2005/01/07 17:29:
Schockwellenreiter greift das Thema Open Access auf
http://blog.schockwellenreiter.de/7630 
KlausGraf meinte am 2005/01/11 12:37:
Digitalisierungsfirmen protestieren
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2005/0108/feuilleton/0023/index.html?keywords=Satz-Rechen;ok=OK%21;match=strict;author=;ressort=;von=;bis=;mark=satz%20rechen

Auszug:
"Am zweiten Arbeitstag des neuen Jahres erschien der Betriebsrat der Firma Satz-Rechen-Zentrum Berlin (SRZ) bei seinem Direktor, legte ihm einen Zeitungsartikel auf den Tisch und sagte: Wenn wir nichts unternehmen, kann uns dieser Plan ruinieren. In dem mittelständischen Informationsverarbeitungsbetrieb mit 90 Mitarbeitern sind die Beschäftigten alarmiert. Es gibt einen immer deutlicher Kontur annehmenden Plan des Unternehmers Hans J. Heinrich, mit Ein-Euro-Jobs die Bestände von Museen, Bibliotheken und Archiven digital zu erfassen (Berliner Zeitung vom 4. Januar). Das ist eine Arbeit, von der das Satz-Rechen-Zentrum lebt, ebenso sein härtester Berliner Konkurrent, die Firma Mikro Univers. Beide erhalten Aufträge von öffentlichen Bibliotheken, Sammlungen und Archiven, diese machen 30 Prozent bis 50 Prozent ihres Umsatzes aus. Sie sind die Profis. Deutschlandweit gibt es etwa 15 bis 20 auf diese Art spezialisierte Firmen, die bereits millionenfach Bestände von Museen, Sammlungen und Archiven digitalisiert haben. Zu den Arbeiten der zwei Berliner Firmen zählen zum Beispiel 26 000 Digitalisate von Originalen des Beethoven-Archives in Bonn (SRZ), außerdem von der Neunten Sinfonie in der Staatsbibliothek Berlin. Das Berliner Adressbuch von 1799 bis 1943 hat Mikro Univers digital gesichert, es ist heute vollständig im Internet recherchierbar.

Und jetzt kommen Ein-Euro-Jobber und übernehmen diese Arbeit? " 
KlausGraf antwortete am 2005/01/22 02:44:
Pressespiegel zum Thema
http://www.kulturrat.de/themen/ein-euro.job.htm

Inzwischen dürfte der Plan Heinrichs nicht mehr realisierbar sein, nachdem die Kulturstaatsministerin sich deutlich dagegen ausgesprochen hat. 
Mk aus Westfahlen (Gast) antwortete am 2010/09/28 22:33:
Die Ein Euro Jobber haben das schon!!!!
Hallo Leute,

Was in Gottes Namen erwartet Ihr von Menschen die jenseits von gut und böse Ihr da sein fristen, mit Einkommen von über 10000 € netto im Monat.
Der Realitätsverlust bei diese Klientel ist halt unbeschreiblich, wir als Empfänger von ALG2 sind in deren Augen halt nur Schmarotzer!!!!

Kleine Geschichte zu meiner Person:
Ich männlich suche Arbeit ( oh eine Hartzer der Arbeit sucht) 48 J. Alt.
Qualifikation: Gewerblich - Maschinenschlosser - Berufskraftfahrer eigenendlich gute Voraussetzungen aber nur eigentlich ( Krankheit und Berufsverbot durch Sozialgericht Verweisungstätigkeit Karten-Abreisser im Kino ).
Und nun denkt der Mensch, da gibt es doch Hartz 4 (Fordern und Fördern), falsch gedacht fordern ja aber richtig fördern nein.

Der Ein-Euro-Job kommt ( Zuversicht und Hoffnung keimt auf), ich melde mich freiwillig (2005) ich will arbeiten (Toll klappt auch), von nun an fühle ich mich gebraucht (oder ausgenutzt). Ich darf wieder Arbeiten, ist das nicht dass was mir die Politik versprochen hat? Man war ich gut drauf, endlich bin ich wieder ein Mensch mit Beschäftigung und das sogar freiwillig.

Mensch was bin ich blöd gewesen, ein ganzes Jahr (an einem Stück, einen Ein-Job) in einem städtischen Archiv gearbeitet zu haben, mit der schwammigen Aussicht auf einen 400 € Job ( eigentlich Pflichtaufgaben einer Stadt). Aber Pustekuchen, nix mit 400 € Job (der Mohr hat seine Aufgabe getan, der Mohr kann gehen). Es ist doch viel besser für die Träger, man nimmt die Betreuungspauschalen ( ca.200-500€ monatlich pro Job - Arbeitsgelegenheit) und nach uns die Sinnflut. Jetzt habe ich wieder den Finger gehoben zum Thema Bürgerarbeit (freiwillig gemeldet), ich bin jetzt in der so genannten Aktivierungsphase, gleichbedeutend Ein-Euro-Job wieder in meinem Archiv.
Es gibt aber ein Gesetz:
Gesetz über die Sicherung und Nutzung öffentlichen
Archivguts im Lande Nordrhein-Westfalen (Archivgesetz Nordrhein-Westfalen -
ArchivG NW)
Vom 16. Mai 19891
I.
Staatliches Archivgut
§ 13
Aufgaben des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen
(1) Das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen hat die Aufgabe, Unterlagen von Behörden,
Gerichten und sonstigen Stellen des Landes auf ihre Archivwürdigkeit hin zu werten und
die als archivwürdig erkannten Teile als Archivgut zu übernehmen, zu verwahren und zu
ergänzen, zu erhalten und instand zu setzen, zu erschließen und für die Benutzung
bereitzustellen sowie zu erforschen und zu veröffentlichen. Diese Aufgabe erstreckt sich
auch auf Unterlagen der Rechtsvorgänger des Landes Nordrhein-Westfalen und der
Funktionsvorgänger der in Satz 1 genannten Stellen.
(2) Das Landesarchiv kann auch Archivgut anderer Herkunft übernehmen, an dessen
Verwahrung, Erschließung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht.
(3) Es kann die Behörden, Gerichte und sonstigen Stellen des Landes bei der
Schriftgutverwaltung beraten.
(4) Es nimmt Aufgaben im Rahmen der archivarischen Aus- und Fortbildung wahr.
(5) Die Landesregierung kann dem Landesarchiv andere als in diesem Gesetz oder in
anderen Rechtsvorschriften genannte Aufgaben übertragen, die in sachlichem
Zusammenhang mit dem staatlichen Archivwesen stehen.
§ 23
Archivgut
(1) Archivgut sind alle im Archiv befindlichen Unterlagen, die bei den in § 1 Abs. 1
genannten Stellen entstanden und archivwürdig sind. Es umfaßt Akten, Schriftstücke,
Drucksachen, Karteien, Dateien, Karten, Pläne, Plakate, Siegel, Bild-, Film- und
Tondokumente sowie sonstige Informationsträger und die auf ihnen überlieferten
Informationen einschließlich der zu ihrer Auswertung erforderlichen Programme oder
vergleichbarer Hilfsmittel.
(2) Archivwürdig sind Unterlagen, die für Wissenschaft oder Forschung, für
Gesetzgebung, Regierung, Verwaltung oder Rechtsprechung oder zur Sicherung
berechtigter Belange Betroffener oder Dritter von bleibendem Wert sind. Über die
Archivwürdigkeit entscheidet das Landesarchiv unter fachlichen Gesichtspunkten.
Archivwürdig sind auch Unterlagen, die nach anderen Vorschriften dauernd
aufzubewahren sind.
(3) Archivgut sind auch archivwürdige Unterlagen, die das Landesarchiv von anderen als
den in § 1 Abs. 1 genannten Stellen oder von natürlichen oder juristischen Personen des
privaten Rechts übernommen oder erworben hat.
(4) Zwischenarchivgut sind die vom Landesarchiv zur vorläufigen Aufbewahrung
übernommenen Unterlagen, aus denen die archivwürdigen Stücke noch nicht ausgewählt
worden sind.
§ 33
Ablieferungspflicht
(1) Die Behörden, Gerichte und sonstigen Stellen des Landes haben alle Unterlagen, die
zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigt werden, unverzüglich dem Landesarchiv
zur Übernahme anzubieten. Spätestens 60 Jahre nach Entstehung sind Unterlagen als
Zwischenarchivgut dem Landesarchiv zu übergeben, soweit keine anderen
Rechtsvorschriften entgegenstehen, die eine längere Verwahrung bei den abgebenden
Stellen festlegen.
(2) Anzubieten und zu übergeben sind auch Unterlagen, die
1. personenbezogene Daten enthalten, welche nach einer Vorschrift des
Landesrechts gelöscht werden müßten oder nach Rechtsvorschriften des
Bundes oder des Landes gelöscht werden könnten, sofern die Speicherung
der Daten nicht unzulässig war,
2. einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis oder sonstigen
Rechtsvorschriften über Geheimhaltung unterliegen; nach § 203 Abs. 1
Nrn. 1, 4 oder 4a des Strafgesetzbuches geschützte Unterlagen einer
Beratungsstelle dürfen nur in anonymisierter Form angeboten und
übergeben werden.
(3) Art und Umfang der zu archivierenden Unterlagen können vorab zwischen dem
Landesarchiv und der abliefernden Stelle vereinbart werden. Die fachlich zuständige
oberste Landesbehörde kann im Einvernehmen mit dem für die Kultur zuständigen
Ministerium für ihren Geschäftsbereich oder für Teile ihres Geschäftsbereichs im
Verwaltungswege einheitliche Regelungen treffen.
(4) Für programmgesteuerte, mit Hilfe von ADV-Anlagen geführte Datenbestände sind
Art und Umfang sowie die Form der Darstellung der zu archivierenden Daten vorab
einvernehmlich zwischen der abliefernden Stelle und dem Landesarchiv festzulegen,
sofern keine einheitliche Regelung nach Absatz 3 Satz 2 besteht. Datenbestände, die aus
verarbeitungstechnischen Gründen vorübergehend vorgehalten werden, sind nicht
anzubieten.
(5) Entscheidet das Landesarchiv nicht innerhalb eines halben Jahres über die
Übernahme der angebotenen Unterlagen, erlischt für diese die Anbietungs- und
Ablieferungspflicht.
(6) Juristische Personen des öffentlichen Rechts - mit Ausnahme der Gemeinden und
Gemeindeverbände (§ 10) -, die der Aufsicht des Landes unterstehen und über kein
eigenes Archiv verfügen, das archivfachlichen Anforderungen genügt, bieten Unterlagen,
die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigt werden, dem Landesarchiv zur
Übernahme an. Absatz 2, Absatz 3 Satz 1 sowie die Absätze 4 und 5 gelten
entsprechend. Das Landesarchiv kann das angebotene Archivgut übernehmen,
verwahren, erhalten, erschließen und allgemein nutzbar machen. Bei der Übernahme
kann ein Rücknahmerecht für den Fall vereinbart werden, daß die übergebende Stelle ein
Archiv, das archivfachlichen Anforderungen genügt, einrichtet und unterhält. Eine
Anbietungspflicht gegenüber dem Landesarchiv besteht nicht, wenn die Unterlagen einer
für Archivierungszwecke geschaffenen Gemeinschaftseinrichtung oder einem anderen
Archiv angeboten werden, sofern diese die Verwahrung gemäß § 4 Abs. 7 und 8 und die
Nutzung gemäß §§ 5 bis 7 gewährleisten und archivfachlichen Anforderungen genügen.
Ein Archiv genügt archivfachlichen Anforderungen, wenn es
a) hauptamtlich oder hauptberuflich von Personal betreut wird, das die Befähigung für
eine Laufbahn des Archivdienstes besitzt oder sonst fachlich geeignet ist, oder
b) von einer Dienststelle fachlich beraten wird, bei der ein Archivar mit der Befähigung
für eine Laufbahn des Archivdienstes tätig ist.
§ 43
Verwahrung
(1) Staatliches Archivgut ist im Landesarchiv zu verwahren; es ist unveräußerlich.
(2) Mit Genehmigung des für die Kultur zuständigen Ministeriums kann staatliches
Archivgut aufgrund eines schriftlichen Verwahrungsvertrags in einem anderen
hauptamtlich fachlich betreuten Archiv verwahrt werden, wenn dafür ein fachlicher Grund
gegeben ist.
(3) Mit Genehmigung des für die Kultur zuständigen Ministeriums kann staatliches
Archivgut an Träger anderer hauptamtlich fachlich betreuter öffentlicher Archive
unentgeltlich nur übereignet werden, wenn dies von der Herkunft des staatlichen
Archivguts her fachlich geboten und Gegenseitigkeit verbürgt ist.
(4) Das Landesarchiv kann Archivgut des Bundes nach Maßgabe des
Bundesarchivgesetzes verwahren, soweit es der Ergänzung seines Archivguts dient.
(5) Das Landesarchiv kann Archivgut privater Herkunft verwahren, soweit daran ein
öffentliches Interesse besteht. Es kann dabei mit den Eigentümern privaten Archivguts
Vereinbarungen treffen, die einen besonderen Umgang mit dem Archivgut entsprechend
den Interessen des Eigentümers regeln.
(6) Die nichtarchivwürdigen Stücke staatlichen Zwischenarchivguts sind so lange
aufzubewahren, bis die abliefernde Stelle oder deren Rechtsnachfolger sie zur
Vernichtung freigegeben hat; erfolgt die Freigabe zur Vernichtung nicht innerhalb von 30
Jahren nach Übernahme, so können sie zurückgegeben werden.
(7) Das Landesarchiv hat durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen
die dauerhafte Erhaltung und Benutzbarkeit des Archivguts sowie seinen Schutz vor
unbefugter Nutzung oder Vernichtung sicherzustellen. Es hat insbesondere technische
und organisatorische Maßnahmen zur Sicherung solcher Unterlagen zu treffen, die
personenbezogene Daten enthalten oder einem besonderen gesetzlichen
Geheimnisschutz unterliegen (§ 3 Abs. 2).
(8) Rechtsansprüche Betroffener auf Löschung unzulässig gespeicherter
personenbezogener Daten bleiben unberührt. Bestreitet ein Betroffener die Richtigkeit
personenbezogener Daten in dem Archivgut und läßt sich weder die Richtigkeit noch die
Unrichtigkeit feststellen, sind diese zu anonymisieren oder zu sperren; das Landesarchiv
kann jedoch verlangen, daß an die Stelle der Anonymisierung oder Sperrung eine
Gegendarstellung des Betroffenen tritt, soweit dadurch dessen schutzwürdige Belange
angemessen berücksichtigt werden.
§ 5
Nutzung durch die abliefernde Stelle
(1) Die abliefernde Stelle hat das Recht, Archivgut, das aus ihren Unterlagen ausgewählt
worden ist, jederzeit zu nutzen. Dies gilt nicht für personenbezogene Daten, die aufgrund
einer Rechtsvorschrift hätten gesperrt oder gelöscht werden müssen. In diesen Fällen
besteht das Nutzungsrecht nur nach Maßgabe des § 7, jedoch nicht zu den Zwecken, zu
denen die personenbezogenen Daten gespeichert worden sind.
(2) Absatz 1 gilt für Zwischenarchivgut entsprechend.
§ 6
Nutzung durch Betroffene
(1) Betroffenen ist auf Antrag Auskunft aus öffentlichem Archivgut und
Zwischenarchivgut zu erteilen oder Einsicht in dieses zu gewähren, soweit es sich auf ihre
Person bezieht und die Betroffenen Angaben machen, die das Auffinden der Unterlagen
mit angemessenem Aufwand ermöglichen. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft oder
Einsicht dem Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder wesentliche
Nachteile bereiten würde oder soweit das Archivgut nach einer Rechtsvorschrift oder
wegen der überwiegenden berechtigten Interessen einer dritten Person geheimgehalten
werden muß. Die Entscheidung nach Satz 2 trifft das Archiv im Einvernehmen mit der
abliefernden Stelle.
(2) Absatz 1 gilt auch für Rechtsnachfolger von Betroffenen.
§ 73
Nutzung durch Dritte
(1) Archivgut kann nach Ablauf der Sperrfristen gemäß Absatz 2 nutzen, wer ein
berechtigtes Interesse an der Nutzung glaubhaft macht. Ein berechtigtes Interesse ist
insbesondere gegeben, wenn die Nutzung zu amtlichen, wissenschaftlichen oder
publizistischen Zwecken oder zur Wahrnehmung von persönlichen Belangen begehrt wird.
(2) Archivgut darf frühestens nach Ablauf von 30 Jahren seit Entstehung der Unterlagen
genutzt werden. Unterlag Archivgut einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis oder
besonderen Rechtsvorschriften über Geheimhaltung, darf es erst 60 Jahre nach
Entstehung der Unterlagen genutzt werden. Bezieht es sich nach seiner
Zweckbestimmung oder nach seinem wesentlichen Inhalt auf eine natürliche Person, so
darf es frühestens 10 Jahre nach deren Tod genutzt werden; ist der Todestag dem Archiv
nicht bekannt, endet die Sperrfrist 90 Jahre nach der Geburt. Fristen und Nutzungsrechte
aufgrund anderer Rechtsvorschriften oder besonderer Vereinbarungen mit Eigentümern
beim Erwerb privaten Archivguts bleiben unberührt.
(3) Die Sperrfristen nach Absatz 2 gelten nicht für solche Unterlagen, die bereits bei ihrer
Entstehung zur Veröffentlichung bestimmt waren.
(4) Die Sperrfristen nach Absatz 2 können verkürzt werden, im Falle von Absatz 2 Satz 3
jedoch nur, wenn
a) die Betroffenen, im Falle ihres Todes deren Rechtsnachfolger, in die
Nutzung eingewilligt haben oder
b) das Archivgut zu benannten wissenschaftlichen Zwecken genutzt wird
und dann durch geeignete Maßnahmen sichergestellt ist, daß
schutzwürdige Belange Betroffener nicht beeinträchtigt werden.
Die Sperrfristen können um höchstens 20 Jahre verlängert werden, wenn dies im
öffentlichen Interesse geboten ist. Über die Verkürzung oder Verlängerung der
Sperrfristen entscheidet, soweit keine anderen Zuständigkeiten festgelegt sind, das für
die Kultur zuständige Ministerium.
(5) Die Nutzung ist einzuschränken oder zu versagen, wenn
a) Grund zu der Annahme besteht, daß dem Wohl der Bundesrepublik
Deutschland oder eines ihrer Länder wesentliche Nachteile entstehen, oder
b) Grund zu der Annahme besteht, daß schutzwürdige Belange einer
Person beeinträchtigt werden, oder
c) die Geheimhaltungspflicht nach § 203 Abs. 1 bis 3 des
Strafgesetzbuches oder andere Rechtsvorschriften über Geheimhaltung
verletzt würden oder
d) der Erhaltungszustand des Archivguts gefährdet würde oder
e) ein nicht vertretbarer Verwaltungsaufwand entstehen würde.
Sie kann an Bedingungen und Auflagen gebunden werden. Verschlußsachen dürfen nur
mit Zustimmung der abliefernden Stelle genutzt werden.
(6) Für die Nutzung von Zwischenarchivgut gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.
§ 83
Benutzungs- und Gebührenordnung
(1) Einzelheiten der Benutzung des Archivguts des Landesarchivs, insbesondere das
Antrags- und Genehmigungsverfahren, die Sorgfaltspflichten bei der Nutzung, die
Versendung und Ausleihe von Archivgut und die Herstellung von Kopien und
Reproduktionen, regelt das für die Kultur zuständige Ministerium durch
Rechtsverordnung.
(2) Die Erhebung von Gebühren für die Inanspruchnahme des Landesarchivs richtet sich
nach dem Gebührengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen und der aufgrund dieses
Gesetzes erlassenen Gebührenordnung.
§ 93
Archivgut des Landtags
(1) Der Landtag entscheidet in eigener Zuständigkeit, ob bei ihm entstandene
Unterlagen, die zur Erfüllung der Aufgaben nicht mehr benötigt werden, von ihm selbst
archiviert oder dem Landesarchiv zur Übernahme angeboten werden.
(2) Sofern der Landtag ein eigenes Archiv unterhält, regelt er die Einzelheiten der
Benutzung in eigener Zuständigkeit.
II.
Kommunales Archivgut
§ 10
Kommunales Archivgut
(1) Die Gemeinden und Gemeindeverbände tragen für ihr Archivgut in eigener
Zuständigkeit Sorge, indem sie es insbesondere verwahren, erhalten, erschließen und
nutzbar machen.
(2) Sie erfüllen diese Aufgabe durch
a) Errichtung und Unterhaltung eigener Archive oder
b) Unterhaltung einer für Archivierungszwecke geschaffenen
Gemeinschaftseinrichtung oder
c) Übergabe zur Verwahrung ihres Archivguts in einem anderen
öffentlichen Archiv.
Die Archive und archivischen Gemeinschaftseinrichtungen müssen den archivfachlichen
Anforderungen im Sinne des § 3 Abs. 6 Satz 6 genügen.
(3) Archivwürdige Unterlagen, die zur Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt werden,
sind in das Archiv zu übernehmen. § 2 und § 3 Abs. 2 gelten entsprechend.
(4) § 4 Abs. 7 und 8, §§ 6, 7 und 12 Abs. 2 gelten entsprechend. Über die Verlängerung
oder Verkürzung von Sperrfristen (§ 7 Abs. 4), über die Einschränkung oder Versagung
der Nutzung (§ 7 Abs. 5) sowie über den Erlaß einer Benutzungsordnung und die
Erhebung von Gebühren entscheiden die Gemeinden und Gemeindeverbände in eigener
Zuständigkeit. Rechtsansprüche auf Nutzung, die sich aus kommunalrechtlichen
Bestimmungen oder anderen Rechtsvorschriften ergeben, bleiben unberührt.
(5) Absätze 1 bis 4 gelten für örtliche und gleichgestellte Stiftungen (§ 2 Abs. 3 StiftG
NW) entsprechend.
III.
Sonstiges öffentliches Archivgut
§ 11
Sonstiges öffentliches Archivgut
Archivwürdige Unterlagen der in § 3 Abs. 6 Satz 1 genannten Stellen, die eigene Archive
im Sinne von § 3 Abs. 6 Satz 6 unterhalten, sind in diese Archive zu übernehmen, sobald
sie zur Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt werden. Im übrigen gelten für diese
Archive § 1 Abs. 1 und 2, § 2, § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 7 und 8 sowie §§ 6, 7 und 12 Abs. 2
entsprechend, sofern keine besonderen gesetzlichen Regelungen bestehen. Über die
Verlängerung oder Verkürzung von Sperrfristen (§ 7 Abs. 4), über die Einschränkung
oder Versagung der Nutzung (§ 7 Abs. 5) sowie über den Erlaß einer Benutzungsordnung
und die Erhebung von Gebühren entscheidet der Träger des Archivs.
IV.
Schlußvorschriften
§ 123
Unterlagen von Stellen des Bundes,
bundesrechtliche Geheimhaltungsvorschriften
(1) Für Archivgut, das gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Bundesarchivgesetz von Stellen des
Bundes dem Landesarchiv übergeben worden ist, gelten § 2 Abs. 4 Satz 2 sowie die §§ 4
und 5 Abs. 1 bis 7 und 9 Bundesarchivgesetz entsprechend.
(2) Für Archivgut, das Rechtsvorschriften des Bundes über die Geheimhaltung im Sinne
der §§ 8, 10 und 11 Bundesarchivgesetz unterliegt und das von anderen als den in § 2
Abs. 1 Bundesarchivgesetz genannten Stellen öffentlichen Archiven übergeben worden
ist, gelten § 2 Abs. 4 Satz 2 und § 5 Abs. 1 bis 7 und 9 Bundesarchivgesetz
entsprechend.
§ 13
Ausnahmen vom Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt nicht für die öffentlich-rechtlichen Religions- und
Weltanschauungsgemeinschaften, für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und
die Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfalen sowie für öffentlich-rechtliche
Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die am Wettbewerb teilnehmen, und
deren Zusammenschlüsse.
(2) Bestehende Eigentums- und sonstige Rechtsverhältnisse am Archivgut werden durch
dieses Gesetz nicht berührt.
§ 144
In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten
Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft 2. Es tritt mit Ablauf des 31.
Dezember 2009 außer Kraft 5.
Die Landesregierung
des Landes Nordrhein-Westfalen
Fn 1
GV. NW. S. 302; geändert durch Artikel 69 des Dritten Befristungsgesetzes vom
5.4.2005 (GV. NRW. S. 306), in Kraft getreten am 28. April 2005.
Fn 2
GV. NW. ausgegeben am 13. Juni 1989.
Fn 3
§§ 1, 2, 3, 4, 7 Abs. 4, 8, 9 Abs. 1 und 12 Abs. 1 geändert durch Artikel 69 des Dritten
Befristungsgesetzes vom 5.4.2005 (GV. NRW. S. 306); in Kraft getreten am 28. April
2005.
Fn 4
§ 14 neu gefasst durch Artikel 69 des Dritten Befristungsgesetzes vom 5.4.2005 (GV.
NRW. S. 306); in Kraft getreten am 28. April 2005.
Fn 5
Dies ist eine gesetzlich angeordnete Evaluierungsverpflichtung. Sie verpflichtet die
Landesregierung, dem Landtag rechtzeitig vor dem genannten Datum das Ergebnis der
Evaluierung vorzulegen.
Nun meine Ansicht dazu: Ausnutzung eine Zwangslage und damit auch noch Geld der Steuerzahler unberechtigt einsacken. 
 

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