Wulf Rüskamp hat in der Badischen Zeitung vom 28.2.2008 einen ausgezeichneten Kommentar geschrieben, der genau das verlangt, was wir hier wiederholt gefordert haben: ein Gesamtkonzept für den adeligen Kunstbesitz in Baden-Württemberg (Hervorhebung: Archivalia).
Binnen kurzer Zeit ist die Landesregierung gleich zweimal beim Thema
Kunst und Kulturgut aus tatsächlichem oder vermeintlichem Adelsbesitz
vorgeführt worden. Die beiden Fälle --- Haus Baden und Haus
Waldburg-Wolfegg --- mögen im Detail nicht vergleichbar sein. Doch im
Grundsätzlichen zeigen sie, wie wenig man sich in den Stuttgarter
Ministerien auf den Ausverkauf der adeligen Familien eingestellt hat.
Schlimmer noch: Wie hier mit historischen Kulturgütern ersten Ranges
umgegangen wird, ist Ausdruck von Unkenntnis und Desinteresse bei den
Ministerialbeamten --- und Kabinettsmitgliedern.
Darum hat man, ohne weiteres Aktenstudium, den sogenannten Baden-Deal
vorgeschlagen, der die klösterlichen Handschriften aus dem Bestand der
Karlsruher Landesbibliothek preisgeben sollte. Deshalb schrillten in der
Ministerialbürokratie auch nicht die Alarmglocken, als die Familie
Waldburg-Wolfegg 2006 erstmals das 330 Jahre lang von ihr gehütete
mittelalterliche Hausbuch anbot. Handlungsbedarf sah da niemand, man
ließ es treiben.
Darin steckt auch eine groteske Unterschätzung der Bedeutung, die der
Kunsthandel in Gestalt des Grafen Douglas in Adelskreisen hat. Dieser
Mann hat bei Sotheby's gelernt, dass man Kunst und Käufer aktiv
zusammenbringen muss, um gute Geschäfte zu machen. Den klammen
Adelsfamilien kann er dadurch finanziell attraktive Angebote
unterbreiten, denen sie kaum widerstehen können --- und die ihm fette
Provisionen einbringen. Wenn von Ministerpräsident Oettinger der Satz
überliefert wird, Graf Douglas wolle ihm alle paar Jahre
Kunstgegenstände vom Hochadel andrehen, so mag das arrogant klingen;
aber mehr noch ist es ein Zeugnis, dass Oettinger um den Wert des
Hausbuchs ebenso wenig weiß wie von dem der Klosterhandschriften. Und
zwar vom Wert für Baden-Württemberg und dessen Geschichte.
Verharrt das Land in seiner heutigen Passivität, dann lässt sich
voraussagen, dass es bald weitere Hausbuch- oder Baden-Deal-Affären
geben wird. Darum ist nur zu hoffen, dass das Land aus diesen Vorgängen endlich lernt und eine Strategie entwickelt, wie es auf den weiteren Ausverkauf des Adels reagieren soll. Dazu bedarf es keines Grafen
Douglas, sondern einer vorausschauenden Kunstbehörde, die sich um Kulturgüter wirklich sorgt. Und die geräuschlos verhandelt, was
Adelsfamilien nur recht sein sollte: Wer will schon in der Zeitung
lesen, dass er schlecht bei Kasse sei? Die Folge könnte sein, dass die Preise sich nicht an der Gier des Kunstmarkts orientieren, sondern am Boden bleiben.
Selbstverständlich kann selbst dann das Land nicht alles kaufen, was an wichtigen Kunst- und Kulturgegenständen angeboten wird. Das würde den Etat auch eines reichen Landes überfordern. Es muss daher Prioritäten setzen, daneben aber muss es ein Konzept entwickeln, wie mit Hilfe
privater Käufer die Kunstschätze für das Land und die Öffentlichkeit
bewahrt werden können. Dass dergleichen klappt, lehrt der Verkauf großer Teile der Fürstenbergischen Kunstsammlung 2004 an den Unternehmer Reinhold Würth --- eingefädelt vom Grafen Douglas.
Würth ist im Übrigen ein Beispiel, wie stark sich Bürgerliche in der
moralischen Pflicht sehen können, große Kunst in der Öffentlichkeit zu halten. Ein solches Selbstverständnis geht dem Hochadel zunehmend ab: Er sieht alle Kunst in seinem Besitz als privates Vermögen an, über das er frei verfügen kann, wenn Geld in der eigenen Kasse fehlt. Er übersieht
dabei, dass gerade der Kunstbesitz eng verbunden ist mit der früheren herrschaftlichen Funktion der Familie. Deshalb wurde über besondere Erbregelungen, den sogenannten Fidei-Kommiss, dieser Teil des Besitzes aus der privatrechtlichen Erbteilung herausgehalten.
Die Revolution vor 90 Jahren hat hier nicht reinen Tisch gemacht: Der herrschaftliche Besitz wurde dem neuen demokratischen Staat nicht übereignet. Dessen öffentliche Verpflichtung ist aufs Vorkaufsrecht des Landes geschrumpft. Für das Volk als neuer Souverän liegt darin die letzte Chance, zu erwerben, was der Rechtsidee zufolge ihm schon gehört.
Diese Chance einfach vom Tisch zu wischen, wie es Oettinger offenbar vorhat, ist nicht angemessen. Aber mit seinem rein wirtschaftlichen Kalkül dürfte er sich prächtig verstehen mit einem Adel, der in seinen Kunstsammlungen nur noch verwertbares Kapital sieht.
Vergleichsweise schwach fällt dagegen der Kommentar der FAZ (Rüdiger Soldt) aus. Zitat:
Doch das, was die Beamten von Wissenschaftsminister Frankenberg nach Dienstschluss am Freitagnachmittag aus Schloss Wolfegg zugesandt bekamen, war offenbar so dürftig, dass Ministerpräsident Oettinger jetzt die „Rückabwicklung“ des Verkaufs ankündigen musste. „Dieser Kaufvertrag kann nicht vollzogen werden, der Eigentümerwechsel kann so nicht stattfinden“, erklärte Oettinger an diesem Dienstag. Entweder hat die Familie Waldburg den Kaufvertrag immer noch nicht rausgerückt, oder, schlimmer noch, der Verkauf des auf zwanzig Millionen Euro geschätzten Hausbuchs wurde mit dem als Käufer vermuteten, in Bayern lebenden Industriellen – vorsichtig formuliert – eher formlos abgewickelt; das hieße: Es gibt nichts, was Johannes von Waldburg-Wolfegg kopieren und nach Stuttgart hätte schicken können.
Ziel der Landesregierung sei es sicherzustellen, dass Recht und Gesetz eingehalten würden und das Hausbuch dort bleibe, wo es seit Jahrzehnten aufbewahrt werde, so sprach Oettinger. Bloß, was heißt das? Will das Land das Hausbuch dem Adelshaus abkaufen? Oder soll der Verkauf, kontrolliert von der Landesregierung, jetzt mit einem anderen Käufer nach Recht und Gesetz wiederholt werden? Besser wäre es unbedingt, wenn die Regierung sich nur als Vermittler betätigen würde; denn Baden-Württemberg ist entstanden aus dem buntesten Flickenteppich adliger Herrschaften, der sich vorstellen lässt. Dementsprechend groß dürften geweckte Begehrlichkeiten sein, wenn gekauft würde.
Binnen kurzer Zeit ist die Landesregierung gleich zweimal beim Thema
Kunst und Kulturgut aus tatsächlichem oder vermeintlichem Adelsbesitz
vorgeführt worden. Die beiden Fälle --- Haus Baden und Haus
Waldburg-Wolfegg --- mögen im Detail nicht vergleichbar sein. Doch im
Grundsätzlichen zeigen sie, wie wenig man sich in den Stuttgarter
Ministerien auf den Ausverkauf der adeligen Familien eingestellt hat.
Schlimmer noch: Wie hier mit historischen Kulturgütern ersten Ranges
umgegangen wird, ist Ausdruck von Unkenntnis und Desinteresse bei den
Ministerialbeamten --- und Kabinettsmitgliedern.
Darum hat man, ohne weiteres Aktenstudium, den sogenannten Baden-Deal
vorgeschlagen, der die klösterlichen Handschriften aus dem Bestand der
Karlsruher Landesbibliothek preisgeben sollte. Deshalb schrillten in der
Ministerialbürokratie auch nicht die Alarmglocken, als die Familie
Waldburg-Wolfegg 2006 erstmals das 330 Jahre lang von ihr gehütete
mittelalterliche Hausbuch anbot. Handlungsbedarf sah da niemand, man
ließ es treiben.
Darin steckt auch eine groteske Unterschätzung der Bedeutung, die der
Kunsthandel in Gestalt des Grafen Douglas in Adelskreisen hat. Dieser
Mann hat bei Sotheby's gelernt, dass man Kunst und Käufer aktiv
zusammenbringen muss, um gute Geschäfte zu machen. Den klammen
Adelsfamilien kann er dadurch finanziell attraktive Angebote
unterbreiten, denen sie kaum widerstehen können --- und die ihm fette
Provisionen einbringen. Wenn von Ministerpräsident Oettinger der Satz
überliefert wird, Graf Douglas wolle ihm alle paar Jahre
Kunstgegenstände vom Hochadel andrehen, so mag das arrogant klingen;
aber mehr noch ist es ein Zeugnis, dass Oettinger um den Wert des
Hausbuchs ebenso wenig weiß wie von dem der Klosterhandschriften. Und
zwar vom Wert für Baden-Württemberg und dessen Geschichte.
Verharrt das Land in seiner heutigen Passivität, dann lässt sich
voraussagen, dass es bald weitere Hausbuch- oder Baden-Deal-Affären
geben wird. Darum ist nur zu hoffen, dass das Land aus diesen Vorgängen endlich lernt und eine Strategie entwickelt, wie es auf den weiteren Ausverkauf des Adels reagieren soll. Dazu bedarf es keines Grafen
Douglas, sondern einer vorausschauenden Kunstbehörde, die sich um Kulturgüter wirklich sorgt. Und die geräuschlos verhandelt, was
Adelsfamilien nur recht sein sollte: Wer will schon in der Zeitung
lesen, dass er schlecht bei Kasse sei? Die Folge könnte sein, dass die Preise sich nicht an der Gier des Kunstmarkts orientieren, sondern am Boden bleiben.
Selbstverständlich kann selbst dann das Land nicht alles kaufen, was an wichtigen Kunst- und Kulturgegenständen angeboten wird. Das würde den Etat auch eines reichen Landes überfordern. Es muss daher Prioritäten setzen, daneben aber muss es ein Konzept entwickeln, wie mit Hilfe
privater Käufer die Kunstschätze für das Land und die Öffentlichkeit
bewahrt werden können. Dass dergleichen klappt, lehrt der Verkauf großer Teile der Fürstenbergischen Kunstsammlung 2004 an den Unternehmer Reinhold Würth --- eingefädelt vom Grafen Douglas.
Würth ist im Übrigen ein Beispiel, wie stark sich Bürgerliche in der
moralischen Pflicht sehen können, große Kunst in der Öffentlichkeit zu halten. Ein solches Selbstverständnis geht dem Hochadel zunehmend ab: Er sieht alle Kunst in seinem Besitz als privates Vermögen an, über das er frei verfügen kann, wenn Geld in der eigenen Kasse fehlt. Er übersieht
dabei, dass gerade der Kunstbesitz eng verbunden ist mit der früheren herrschaftlichen Funktion der Familie. Deshalb wurde über besondere Erbregelungen, den sogenannten Fidei-Kommiss, dieser Teil des Besitzes aus der privatrechtlichen Erbteilung herausgehalten.
Die Revolution vor 90 Jahren hat hier nicht reinen Tisch gemacht: Der herrschaftliche Besitz wurde dem neuen demokratischen Staat nicht übereignet. Dessen öffentliche Verpflichtung ist aufs Vorkaufsrecht des Landes geschrumpft. Für das Volk als neuer Souverän liegt darin die letzte Chance, zu erwerben, was der Rechtsidee zufolge ihm schon gehört.
Diese Chance einfach vom Tisch zu wischen, wie es Oettinger offenbar vorhat, ist nicht angemessen. Aber mit seinem rein wirtschaftlichen Kalkül dürfte er sich prächtig verstehen mit einem Adel, der in seinen Kunstsammlungen nur noch verwertbares Kapital sieht.
Vergleichsweise schwach fällt dagegen der Kommentar der FAZ (Rüdiger Soldt) aus. Zitat:
Doch das, was die Beamten von Wissenschaftsminister Frankenberg nach Dienstschluss am Freitagnachmittag aus Schloss Wolfegg zugesandt bekamen, war offenbar so dürftig, dass Ministerpräsident Oettinger jetzt die „Rückabwicklung“ des Verkaufs ankündigen musste. „Dieser Kaufvertrag kann nicht vollzogen werden, der Eigentümerwechsel kann so nicht stattfinden“, erklärte Oettinger an diesem Dienstag. Entweder hat die Familie Waldburg den Kaufvertrag immer noch nicht rausgerückt, oder, schlimmer noch, der Verkauf des auf zwanzig Millionen Euro geschätzten Hausbuchs wurde mit dem als Käufer vermuteten, in Bayern lebenden Industriellen – vorsichtig formuliert – eher formlos abgewickelt; das hieße: Es gibt nichts, was Johannes von Waldburg-Wolfegg kopieren und nach Stuttgart hätte schicken können.
Ziel der Landesregierung sei es sicherzustellen, dass Recht und Gesetz eingehalten würden und das Hausbuch dort bleibe, wo es seit Jahrzehnten aufbewahrt werde, so sprach Oettinger. Bloß, was heißt das? Will das Land das Hausbuch dem Adelshaus abkaufen? Oder soll der Verkauf, kontrolliert von der Landesregierung, jetzt mit einem anderen Käufer nach Recht und Gesetz wiederholt werden? Besser wäre es unbedingt, wenn die Regierung sich nur als Vermittler betätigen würde; denn Baden-Württemberg ist entstanden aus dem buntesten Flickenteppich adliger Herrschaften, der sich vorstellen lässt. Dementsprechend groß dürften geweckte Begehrlichkeiten sein, wenn gekauft würde.