Der Börsenverein hat zum geplanten Thüringer Bibliotheksgesetz Stellung bezogen
http://www.boersenblatt.net/199039/
Der Gesetzesentwurf enthält in § 2 Abs. 2 S. 2 die Feststellung, dass zu den besonderen Aufgaben wissenschaftlicher
Bibliotheken für Forschung und Lehre „auch die Bereitstellung einer geeigneten Infrastruktur für
elektronisches Publizieren und der Aufbau digitaler Bibliotheken gehöre(n)“. Hiermit wird erstmalig und eher
„en passant“ festgeschrieben, dass zu den Aufgaben wissenschaftlicher Bibliotheken auch das elektronische
Publizieren gehöre.
In der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 2 wird hinsichtlich der Aufgaben der Bibliotheken für Forschung
und Lehre zunächst grundsätzlich auf § 38 des Thüringer Hochschulgesetzes verwiesen. § 38 des Thüringer
Hochschulgesetzes sieht vor, dass die Hochschulbibliotheken „die für Lehre, Forschung und Studium
erforderliche Literatur und andere Informationsmedien bereit[stellen]“. Weiterhin werden die Aufgaben der
Hochschulbibliotheken wie folgt beschrieben: „Die Hochschulbibliotheken beschaffen, erschließen und verwalten
die Literatur und andere Informationsmedien und machen sie im Rahmen der Bibliotheksordnung
öffentlich zugänglich.“
Die Gesetzesbegründung zum ThürBibG führt weiter aus: „Im Bibliotheksgesetz hingegen besonders hervorgehoben
wurden die neuen Dienstleistungen im Bereich des elektronischen Publizierens. Die Hochschulbibliotheken
haben in den letzten Jahren den Aufbau und die Betreuung von Publikationsinfrastrukturen
an der Hochschule in Form von Repositorien und Digitalen Bibliotheken betrieben. Die von den Bibliotheken
an den Hochschulen aufgebauten Dienste werden zur Veröffentlichung von Hochschulschriften und
anderen wissenschaftlichen Werken im Internet genutzt.“ Sodann wird auf das Stichwort ‚Open Access‘ bei
öffentlich finanzierten Publikationen, das Internet als führendes Recherche- und Kommunikationsmedium
sowie auch auf die Verwendungsrichtlinien der DFG verwiesen, denen zufolge „die DFG erwartet, dass die
mit ihren Mitteln finanzierten Forschungsergebnisse publiziert und dabei möglichst digital veröffentlicht und
für den entgeltfreien Zugriff im Internet (Open Access) verfügbar gemacht werden.“
Der Börsenverein gibt zu bedenken, dass, während der Aufbau digitaler Bibliotheken eine konsequente
Fortsetzung des bibliothekarischen Auftrags im digitalen Zeitalter ist, der Aufbau einer Infrastruktur für digitales
Publizieren und damit die Übernahme verlegerischer Tätigkeiten weit darüber hinausgehen. Aus Sicht
des Börsenvereins werden der öffentlichen Hand hiermit Aufgaben zugesprochen, die durch privatwirtschaftliche
Unternehmen, d.h. Verlage, effizienter, nachhaltiger und kostengünstiger erfüllt werden (können).
Als nur ein Beispiel aus Thüringen sei auf das Internetportal des Verlags und Datenbank für Geisteswissenschaften,
Weimar, verwiesen ( http://www.vdg-weimar.de ), der Magisterarbeiten open access zugänglich
macht. Auch die Tatsache, dass die DFG Open-Access-Veröffentlichungen erwartet, führt nicht zwangsläufig
zu dem Schluss, dass deren Realisierung gerade zur bibliothekarischen Aufgabe werde. Die Verlagerung
des wissenschaftlichen Publikationssystems in Hochschulbibliotheken im Zusammenhang mit Open Access
hätte nur Sinn, wenn diese effizienter arbeiteten als die Verlage. Generell gibt es für Effizienzvorteile der
öffentlichen Hand gegenüber privatwirtschaftlichen, dem Wettbewerb unterworfenen Anbietern aber wenig
Hinweise.
Auch vor dem Hintergrund der eher unverbindlichen Aussagen zur Finanzierung öffentlicher Bibliotheken
und dem Absehen von einer Pflichtaufgabe im Gesetzesentwurf sollte überdacht werden, ob man im Thür-
BibRG den Bibliotheken auf einem Gebiet, wo die Privatwirtschaft ausreichende Strukturen zur Verfügung
stellt, weitere Aufgaben ausdrücklich zuschreiben sollte, die dem klassischen Auftrag des Beschaffens/
Sammelns, Ordnens/Erschließens und Bereitstellens von Medien vorgelagert sind. Der Gesetzesentwurf
verzichtet laut seiner Begründung darauf, „zu detaillierte und weitgehende Aufgabenbeschreibungen
der Bibliotheken vorzunehmen“. Es stellt sich daher die Frage, ob ausgerechnet bei der „Aufgabe“ des digitalen
Publizierens eine Ausnahme gemacht werden sollte. Aus Sicht des Börsenvereins wäre es sinnvoller,
das Augenmerk auf die stagnierenden bzw. nicht ausreichend wachsenden Erwerbungsbudgets von Bibliotheken
zu richten. So stellt auch die Enquete-Kommission fest: „Mittelzuweisungen für urheberrechtlich
geschützte Inhalte [sind] unerlässlich, damit Bibliotheken auch in der Zukunft ihre Aufgabe als Informationsvermittler
erfüllen können“.
Der Börsenverein empfiehlt daher, in § 2 Abs. 2 S. 2 den Satzteil „die Bereitstellung einer geeigneten
Infrastruktur für elektronisches Publizieren und“ zu streichen.
Dem Ansinnen ist entgegenzutreten. "Open Access" ist eine Bewegung, die im wesentlichen entstanden ist, weil die Verlage ihre Monopolstellung beim wissenschaftlichen Publizieren zur profitmaximierung missbraucht haben ("Zeitschriftenkrise"). Auch wenn es den Lobbyisten des Börsenvereins gelingen sollte, die Vorschrift zu kippen, wird der Börsenverein den weltweiten Siegeszug der von Bibliotheken/Universitäten betriebenen Open-Access-Repositorien nicht aufhalten können.
Es gibt nicht den geringsten Beweis dafür, dass Verlage effizienter und vor allem kostengünstiger Open Access liefern könnten als Bibliotheken, zumal Verlage die Langzeitarchivierung ihrer Inhalte regelmäßig auf die Bibliotheken verlagern. Die Effizienzvorteile der Verlage werden nur behauptet, aber nicht belegt.
Verlagsseitiger Open Access durch deutsche Verlage ist vernachlässigbar, auch wenn es einige wenige Verlage gibt, die kostenfreie Angebote unterhalten.
Die genannte Magisterarbeiten-Datenbank mit kostenfreien Volltexten fällt nach den benutzungsbedingungen ganz sicher nicht unter Open Access:
Die Daten in der Magisterdatenbank sind ein Open Access Angebot, d.h. kostenfrei für den Leser. Um eine Datei einsehen und herunterladen zu können lassen Sie sich bitte registrieren.
Sie erhalten dann ein Passwort, das in einem Zeitfenster von 48 Stunden freigeschaltet wird und das Herunterladen der PDF Datei ermöglicht. Jedes Passwort erlaubt das einmalige Herunterladen einer Datei.
Die Nutzung ist zum privaten Gebrauch bestimmt eine Weitergabe der Daten an Dritte, das Einstellen in Intranets und jegliche gewerbliche Nutzung sind ausdrücklich untersagt.
Wer seine Arbeit in ein Bibliothels-Repositiorium einstellt, kann damit rechnen, dass das PDF von Google indiziert und der Volltext auffindbar ist.
Ein angebliches OA-Angebot mit gerade vier (in Ziffern: 4) Volltext-Magisterarbeiten als Beweis der Verlagsüberlegenheit anzupreisen ist doch wohl ein Witz!
http://www.boersenblatt.net/199039/
Der Gesetzesentwurf enthält in § 2 Abs. 2 S. 2 die Feststellung, dass zu den besonderen Aufgaben wissenschaftlicher
Bibliotheken für Forschung und Lehre „auch die Bereitstellung einer geeigneten Infrastruktur für
elektronisches Publizieren und der Aufbau digitaler Bibliotheken gehöre(n)“. Hiermit wird erstmalig und eher
„en passant“ festgeschrieben, dass zu den Aufgaben wissenschaftlicher Bibliotheken auch das elektronische
Publizieren gehöre.
In der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 2 wird hinsichtlich der Aufgaben der Bibliotheken für Forschung
und Lehre zunächst grundsätzlich auf § 38 des Thüringer Hochschulgesetzes verwiesen. § 38 des Thüringer
Hochschulgesetzes sieht vor, dass die Hochschulbibliotheken „die für Lehre, Forschung und Studium
erforderliche Literatur und andere Informationsmedien bereit[stellen]“. Weiterhin werden die Aufgaben der
Hochschulbibliotheken wie folgt beschrieben: „Die Hochschulbibliotheken beschaffen, erschließen und verwalten
die Literatur und andere Informationsmedien und machen sie im Rahmen der Bibliotheksordnung
öffentlich zugänglich.“
Die Gesetzesbegründung zum ThürBibG führt weiter aus: „Im Bibliotheksgesetz hingegen besonders hervorgehoben
wurden die neuen Dienstleistungen im Bereich des elektronischen Publizierens. Die Hochschulbibliotheken
haben in den letzten Jahren den Aufbau und die Betreuung von Publikationsinfrastrukturen
an der Hochschule in Form von Repositorien und Digitalen Bibliotheken betrieben. Die von den Bibliotheken
an den Hochschulen aufgebauten Dienste werden zur Veröffentlichung von Hochschulschriften und
anderen wissenschaftlichen Werken im Internet genutzt.“ Sodann wird auf das Stichwort ‚Open Access‘ bei
öffentlich finanzierten Publikationen, das Internet als führendes Recherche- und Kommunikationsmedium
sowie auch auf die Verwendungsrichtlinien der DFG verwiesen, denen zufolge „die DFG erwartet, dass die
mit ihren Mitteln finanzierten Forschungsergebnisse publiziert und dabei möglichst digital veröffentlicht und
für den entgeltfreien Zugriff im Internet (Open Access) verfügbar gemacht werden.“
Der Börsenverein gibt zu bedenken, dass, während der Aufbau digitaler Bibliotheken eine konsequente
Fortsetzung des bibliothekarischen Auftrags im digitalen Zeitalter ist, der Aufbau einer Infrastruktur für digitales
Publizieren und damit die Übernahme verlegerischer Tätigkeiten weit darüber hinausgehen. Aus Sicht
des Börsenvereins werden der öffentlichen Hand hiermit Aufgaben zugesprochen, die durch privatwirtschaftliche
Unternehmen, d.h. Verlage, effizienter, nachhaltiger und kostengünstiger erfüllt werden (können).
Als nur ein Beispiel aus Thüringen sei auf das Internetportal des Verlags und Datenbank für Geisteswissenschaften,
Weimar, verwiesen ( http://www.vdg-weimar.de ), der Magisterarbeiten open access zugänglich
macht. Auch die Tatsache, dass die DFG Open-Access-Veröffentlichungen erwartet, führt nicht zwangsläufig
zu dem Schluss, dass deren Realisierung gerade zur bibliothekarischen Aufgabe werde. Die Verlagerung
des wissenschaftlichen Publikationssystems in Hochschulbibliotheken im Zusammenhang mit Open Access
hätte nur Sinn, wenn diese effizienter arbeiteten als die Verlage. Generell gibt es für Effizienzvorteile der
öffentlichen Hand gegenüber privatwirtschaftlichen, dem Wettbewerb unterworfenen Anbietern aber wenig
Hinweise.
Auch vor dem Hintergrund der eher unverbindlichen Aussagen zur Finanzierung öffentlicher Bibliotheken
und dem Absehen von einer Pflichtaufgabe im Gesetzesentwurf sollte überdacht werden, ob man im Thür-
BibRG den Bibliotheken auf einem Gebiet, wo die Privatwirtschaft ausreichende Strukturen zur Verfügung
stellt, weitere Aufgaben ausdrücklich zuschreiben sollte, die dem klassischen Auftrag des Beschaffens/
Sammelns, Ordnens/Erschließens und Bereitstellens von Medien vorgelagert sind. Der Gesetzesentwurf
verzichtet laut seiner Begründung darauf, „zu detaillierte und weitgehende Aufgabenbeschreibungen
der Bibliotheken vorzunehmen“. Es stellt sich daher die Frage, ob ausgerechnet bei der „Aufgabe“ des digitalen
Publizierens eine Ausnahme gemacht werden sollte. Aus Sicht des Börsenvereins wäre es sinnvoller,
das Augenmerk auf die stagnierenden bzw. nicht ausreichend wachsenden Erwerbungsbudgets von Bibliotheken
zu richten. So stellt auch die Enquete-Kommission fest: „Mittelzuweisungen für urheberrechtlich
geschützte Inhalte [sind] unerlässlich, damit Bibliotheken auch in der Zukunft ihre Aufgabe als Informationsvermittler
erfüllen können“.
Der Börsenverein empfiehlt daher, in § 2 Abs. 2 S. 2 den Satzteil „die Bereitstellung einer geeigneten
Infrastruktur für elektronisches Publizieren und“ zu streichen.
Dem Ansinnen ist entgegenzutreten. "Open Access" ist eine Bewegung, die im wesentlichen entstanden ist, weil die Verlage ihre Monopolstellung beim wissenschaftlichen Publizieren zur profitmaximierung missbraucht haben ("Zeitschriftenkrise"). Auch wenn es den Lobbyisten des Börsenvereins gelingen sollte, die Vorschrift zu kippen, wird der Börsenverein den weltweiten Siegeszug der von Bibliotheken/Universitäten betriebenen Open-Access-Repositorien nicht aufhalten können.
Es gibt nicht den geringsten Beweis dafür, dass Verlage effizienter und vor allem kostengünstiger Open Access liefern könnten als Bibliotheken, zumal Verlage die Langzeitarchivierung ihrer Inhalte regelmäßig auf die Bibliotheken verlagern. Die Effizienzvorteile der Verlage werden nur behauptet, aber nicht belegt.
Verlagsseitiger Open Access durch deutsche Verlage ist vernachlässigbar, auch wenn es einige wenige Verlage gibt, die kostenfreie Angebote unterhalten.
Die genannte Magisterarbeiten-Datenbank mit kostenfreien Volltexten fällt nach den benutzungsbedingungen ganz sicher nicht unter Open Access:
Die Daten in der Magisterdatenbank sind ein Open Access Angebot, d.h. kostenfrei für den Leser. Um eine Datei einsehen und herunterladen zu können lassen Sie sich bitte registrieren.
Sie erhalten dann ein Passwort, das in einem Zeitfenster von 48 Stunden freigeschaltet wird und das Herunterladen der PDF Datei ermöglicht. Jedes Passwort erlaubt das einmalige Herunterladen einer Datei.
Die Nutzung ist zum privaten Gebrauch bestimmt eine Weitergabe der Daten an Dritte, das Einstellen in Intranets und jegliche gewerbliche Nutzung sind ausdrücklich untersagt.
Wer seine Arbeit in ein Bibliothels-Repositiorium einstellt, kann damit rechnen, dass das PDF von Google indiziert und der Volltext auffindbar ist.
Ein angebliches OA-Angebot mit gerade vier (in Ziffern: 4) Volltext-Magisterarbeiten als Beweis der Verlagsüberlegenheit anzupreisen ist doch wohl ein Witz!
KlausGraf - am Donnerstag, 29. Mai 2008, 20:52 - Rubrik: Open Access
KlausGraf meinte am 2008/06/01 01:59:
Zustimmung von J. Plieninger in netbib
http://log.netbib.de/archives/2008/05/31/verlage-mit-aller-macht-privaten-profit-aus-der-wissenschaft-ziehen/