Freie Verwendung von Abbildungen gemeinfreier Werke? Zur urheberrechtlichen Bewertung von Angeboten gemeinfreier Bilder bei Wikipedia und Wikimedia Commons
Author: Stang, Felix
Source: Zeitschrift fuer Geistiges Eigentum / Intellectual Property Journal, Volume 1, Number 2, July 2009 , pp. 167-219(53)
Der Beitrag beschäftigt sich mit der urheberrechtlichen Zulässigkeit der Verwendung von Abbildungen gemeinfreier Werke in Open Access-Portalen wie Wikipedia oder Wikimedia Commons, deren Inhalte von Nutzern kostenlos eingestellt werden und nach den Vorstellungen der Betreiber für jedermann frei verwendbar sein sollen. Nach Darstellung der Voraussetzungen, nach denen Reproduktionsfotografien zumindest nach herrschender Auffassung einen Lichtbildschutz im Sinne des § 72 UrhG genießen und auch im Rahmen kostenloser Internetangebote nicht ohne Zustimmung des Rechteinhabers angeboten werden dürfen, wird der Frage nachgegangen, welche Verantwortung die Betreiber und Nutzer derartiger Internetangebote für ungenehmigte Verwendungen der Reproduktionsfotografien trifft. Hierbei liegt ein Schwerpunkt in der Darstellung der täterschaftlichen Verantwortung von Providern für so genannten ,,User-Generated-Content vor dem Hintergrund der Haftungsprivilegierungen des Telemediengesetzes sowie der Verantwortung im Rahmen der mittelbaren Störerhaftung. An die Klärung der Zuständigkeit deutscher Gerichte und der Geltung des deutschen Urheberrechtsgesetzes für entsprechende Streitfälle schließt sich die Frage an, inwieweit die Gewährung eines Leistungsschutzrechtes für Reproduktionsfotografien zu einem Wertungswiderspruch im Hinblick auf den Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist am Originalkunstwerk oder sogar zu einer faktischen Schutzrechtsverlängerung führt. Hierzu wird vorgeschlagen, die drohende Umgehung der Gemeinfreiheit durch Geschäftsmodelle, die eine exklusive Verwertung der Originalkunstwerke auch nach Ablauf der Schutzfrist auf der Grundlage des Lichtbildschutzes für Reproduktionen ermöglichen, durch einen Ausschluss des Lichtbildschutzes von Reproduktionen vorexistierender zweidimensionaler Inhalte durch eine teleologische Reduktion des § 72 UrhG zumindest teilweise zu verhindern.
Der Beitrag ist in der Tendenz und im Ergebnis pro Gemeinfreiheit zu begrüßen, aber es geht nicht an, wie Stang es tut, die von den Wikimedia-Projekten und mir vertretene Rechtsauffassung, dass die herrschende Meinung nicht vom Schutz der Reproduktionsfotografie ausgehe, als falsch zu bezeichnen. Stang nennt die diesbezügliche Aussage von RA Seiler irrtümlich und ignoriert, dass sich der Ausschluss der Reproduktionsfotografie schlüssig aus den BGH-Entscheidungen Bibelreproduktion und Telefonkarte ableiten lässt. "Hierzulande [...] versagt die Rechtsprechung dem auf größtmögliche Originaltreue bedachten Repro-Fotografen den erwähnten Leistungsschutz des § 72 UrhG", so Ganea, GRUR Int. 2001, S. 182 in einer Besprechung zu einer Entscheidung des Bezirksgerichts Tokyo, das feststellte: "Bei Fotografien von zweidimensionalen Originalvorlagen besteht über die Ablichtung aus frontaler Position hinaus keine weitere Möglichkeit zur Standortwahl. Da solche Fotografien zudem keinem anderen Zweck dienen als einer möglichst originalgetreuen Wiedergabe des Originalwerks, können sie auch nicht als Werke angesehen werden, die nach Maßgabe des UrhG „Gedanken oder Gefühle schöpferisch zum Ausdruck bringen“ müssen."
Stang setzt sich selbstverständlich nicht mit meiner Argumentation in der Kunstchronik auseinander, auf die ich verweisen kann.
http://archiv.twoday.net/stories/4850312/
Der einflussreichste Großkommentar des Urheberrechts von Schricker sieht die Sachlage genauso wie ich. Man mag die Sachlage als umstritten darstellen, aber RA Seiler konnte durchaus die Meinungen der Juristen beurteilen, als er seine Einschätzung niederschrieb. Im übrigen stellt sich auch die Frage, ob die Praxis der Wikipedia nicht inzwischen wichtiger ist als die Ansichten eines kleinen Inzucht-Kreises von Kommentar-Autoren. Was herrschende Meinung ist, haben nicht die Juristen zu diktieren. Im übrigen hat meines Wissens kein Kommentator bei der Frage eindeutig eine "h.M." ausgewiesen. Auch die Tatsache, dass es keine gerichtlichen Klärungen gegeben hat, spricht dafür, dass die Wikipedia auf dem richtigen Weg ist und RA Stang auf dem Holzweg.
Author: Stang, Felix
Source: Zeitschrift fuer Geistiges Eigentum / Intellectual Property Journal, Volume 1, Number 2, July 2009 , pp. 167-219(53)
Der Beitrag beschäftigt sich mit der urheberrechtlichen Zulässigkeit der Verwendung von Abbildungen gemeinfreier Werke in Open Access-Portalen wie Wikipedia oder Wikimedia Commons, deren Inhalte von Nutzern kostenlos eingestellt werden und nach den Vorstellungen der Betreiber für jedermann frei verwendbar sein sollen. Nach Darstellung der Voraussetzungen, nach denen Reproduktionsfotografien zumindest nach herrschender Auffassung einen Lichtbildschutz im Sinne des § 72 UrhG genießen und auch im Rahmen kostenloser Internetangebote nicht ohne Zustimmung des Rechteinhabers angeboten werden dürfen, wird der Frage nachgegangen, welche Verantwortung die Betreiber und Nutzer derartiger Internetangebote für ungenehmigte Verwendungen der Reproduktionsfotografien trifft. Hierbei liegt ein Schwerpunkt in der Darstellung der täterschaftlichen Verantwortung von Providern für so genannten ,,User-Generated-Content vor dem Hintergrund der Haftungsprivilegierungen des Telemediengesetzes sowie der Verantwortung im Rahmen der mittelbaren Störerhaftung. An die Klärung der Zuständigkeit deutscher Gerichte und der Geltung des deutschen Urheberrechtsgesetzes für entsprechende Streitfälle schließt sich die Frage an, inwieweit die Gewährung eines Leistungsschutzrechtes für Reproduktionsfotografien zu einem Wertungswiderspruch im Hinblick auf den Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist am Originalkunstwerk oder sogar zu einer faktischen Schutzrechtsverlängerung führt. Hierzu wird vorgeschlagen, die drohende Umgehung der Gemeinfreiheit durch Geschäftsmodelle, die eine exklusive Verwertung der Originalkunstwerke auch nach Ablauf der Schutzfrist auf der Grundlage des Lichtbildschutzes für Reproduktionen ermöglichen, durch einen Ausschluss des Lichtbildschutzes von Reproduktionen vorexistierender zweidimensionaler Inhalte durch eine teleologische Reduktion des § 72 UrhG zumindest teilweise zu verhindern.
Der Beitrag ist in der Tendenz und im Ergebnis pro Gemeinfreiheit zu begrüßen, aber es geht nicht an, wie Stang es tut, die von den Wikimedia-Projekten und mir vertretene Rechtsauffassung, dass die herrschende Meinung nicht vom Schutz der Reproduktionsfotografie ausgehe, als falsch zu bezeichnen. Stang nennt die diesbezügliche Aussage von RA Seiler irrtümlich und ignoriert, dass sich der Ausschluss der Reproduktionsfotografie schlüssig aus den BGH-Entscheidungen Bibelreproduktion und Telefonkarte ableiten lässt. "Hierzulande [...] versagt die Rechtsprechung dem auf größtmögliche Originaltreue bedachten Repro-Fotografen den erwähnten Leistungsschutz des § 72 UrhG", so Ganea, GRUR Int. 2001, S. 182 in einer Besprechung zu einer Entscheidung des Bezirksgerichts Tokyo, das feststellte: "Bei Fotografien von zweidimensionalen Originalvorlagen besteht über die Ablichtung aus frontaler Position hinaus keine weitere Möglichkeit zur Standortwahl. Da solche Fotografien zudem keinem anderen Zweck dienen als einer möglichst originalgetreuen Wiedergabe des Originalwerks, können sie auch nicht als Werke angesehen werden, die nach Maßgabe des UrhG „Gedanken oder Gefühle schöpferisch zum Ausdruck bringen“ müssen."
Stang setzt sich selbstverständlich nicht mit meiner Argumentation in der Kunstchronik auseinander, auf die ich verweisen kann.
http://archiv.twoday.net/stories/4850312/
Der einflussreichste Großkommentar des Urheberrechts von Schricker sieht die Sachlage genauso wie ich. Man mag die Sachlage als umstritten darstellen, aber RA Seiler konnte durchaus die Meinungen der Juristen beurteilen, als er seine Einschätzung niederschrieb. Im übrigen stellt sich auch die Frage, ob die Praxis der Wikipedia nicht inzwischen wichtiger ist als die Ansichten eines kleinen Inzucht-Kreises von Kommentar-Autoren. Was herrschende Meinung ist, haben nicht die Juristen zu diktieren. Im übrigen hat meines Wissens kein Kommentator bei der Frage eindeutig eine "h.M." ausgewiesen. Auch die Tatsache, dass es keine gerichtlichen Klärungen gegeben hat, spricht dafür, dass die Wikipedia auf dem richtigen Weg ist und RA Stang auf dem Holzweg.
KlausGraf - am Freitag, 24. Juli 2009, 21:23 - Rubrik: Archivrecht
Ralf Roletschek (Gast) meinte am 2009/07/24 22:07:
auch was übersehen...
RA Stang hat auch noch eine Kleinigkeit übersehen: Auf Wikimedia Commons wird zur Beurteilung der Rechtslage eines Bildes die Rechtsauffasung des Ursprungslandes sowie der USA zu Grunde gelegt. Und die Tatsache, daß reine Reproduktionen nicht schutzfähig sind, ist im Schricker sowie genannten Urteilen eindeutig nachvollziehbar.
S. Ott (Gast) antwortete am 2009/07/29 11:50:
...wohl nicht alles richtig verstanden...
Die hier geäußerte Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Ich finde den Beitrag von RA Stang gelungen und auch nicht zu einseitig zugunsten einer Interessenseite und habe ihn daher mit großem Interesse gelesen. Dass - wie Herr Roletschek anmerkt - auf der Wikimedia-Seite die Rechtsauffassung des Ursprungslandes zugrunde gelegt wird, ist zwar zutreffend, geht jedoch i.E. am Problem vorbei: Es kann durch die Verwendung der vermeintlich "freien" Bilder von Wikimedia Commons zu Rechtsverletzungen in Deutschland kommen, unabhängig davon wo die Server stehen, die Bilder hochgeladen wurden o.ä., so dass auch die Rechtslage im Ursprungsland bzw. in den USA für die Haftung in Deutschland irrelevant ist. Schauen Sie vielleicht bei Gelegenheit einfach noch einmal in Ruhe in einen der gängigen Kommentare oder lesen Sie einfach den Beitrag von Stang wirklich GRÜNDLICH.