Open Access (OA) beseitigt als Gratis-OA die Kostenbarriere und als Libre-OA die "permission barrier". Es ist an der Zeit, sich nachdrücklich Gedanken auch hinsichtlich der Sprachbarriere zu machen. Da führende OA-Protagonisten wie Peter Suber oder Harnad in ihrer anglozentrischen Welt gefangen sind, haben sie (ebenso wie die Förderorganisationen) dem Problem der Sprachbarrieren bisher so gut wie keine Aufmerksamkeit geschenkt. Der offene Zugang zu den wissenschaftlichen Fachpublikationen setzt aber voraus, dass diese - zusätzlich zur Originalsprache - in wenigstens einer der großen westlichen Weltsprachen (idealerweise auch in Englisch) verfügbar sind.
Diese Sprachbarriere ist im wesentlichen ein Problem der Geisteswissenschaften, in denen weitgehend muttersprachlich wissenschaftlich publiziert wird. Bücher und Aufsätze, die nicht in der Muttersprache oder auf Englisch oder Französisch verfügbar sind, werden erfahrungsgemäß auch dann nicht oder kaum rezipiert, wenn sie an sich inhaltlich oder methodisch relevant sind. Dieses Problem wird von den Förderorganisationen, die sich OA auf die Fahnen geschrieben haben, offenkundig unterschätzt.
Bei geistes- oder sozialwissenschaftlichen Journals in englischer Sprache (goldener OA) sollte es keine Rolle spielen, in welcher Sprache ein Artikel eingereicht wird. Neben einem muttersprachlichen Peer-Review und einer ggf. in einem Repositorium zu deponierenden muttersprachlichen Fassung sollte nach Akzeptanz des Artikels auf Verlagskosten eine englische Version angefertigt werden.
Dies ist jedoch nur eine von vielen Maßnahmen, die sowohl auf Exzellenz wie auch auf Breitenwirkung abzielen sollten.
Ob Übersetzungen stattfinden, hängt nicht notwendigerweise von der Relevanz oder Qualität der Forschungen ab, sondern ist weitgehend dem Zufall überlassen. Dies muss sich ändern: Die Chance jedes einzelnen wissenschaftlichen Beitrags, der natürlich Mindeststandards nicht unterschreiten darf, außerhalb des eigenen Sprachraums wahrgenommen zu werden, muss entschieden verbessert werden.
Bei der einzig wahren OA-Lizenz CC-BY ist es urheberrechtlich ohne weiteres möglich, auch ohne Zustimmung von Verlag oder Autor Übersetzungen anzufertigen (oder auch umfangreiche Abstracts). Diese Lizenz ermöglicht es nicht nur, medizinisches Fachwissen in die Sprachen der Dritten Welt zu übersetzen, sondern auch entlegene, weil minderheitensprachliche Publikationen in einer Weltsprache zugänglich zu machen.
OA-Artikel sollten auch als HTML-Versionen bereitgestellt werden, da die Möglichkeiten maschineller Übersetzung besser sind.
Natürlich spräche nichts dagegen mit kleinen Schritten (Übersetzen von Metadaten - Titel, Abstract - ins Englische) anzufangen, aber dazu würden die Chancen von OA verspielt. Auch für das Volltextretrieval sind brauchbare Arbeitsversionen auf Englisch nicht nur für wichtige oder bedeutende Arbeiten unentbehrlich.
Metadaten (auch Abstrachts) sollten Public Domain sein (CC0), Übersetzungen CC-BY.
Da es schwierig sein dürfte, die für professionelle Übersetzer erforderlichen Mittel einzutreiben, könnte man an ein gemeinsames Wissensprojekt nach dem Muster der Wikipedia bzw. der Wikimedia-Projekte denken. Rohfassungen, die ggf. mit maschineller Unterstützung erstellt würden, könnten gemeinsam bearbeitet werden.
Während hier auf "perfekte" Übersetzungen verzichtet werden kann, sollte man bei der Auswahl unter dem Gesichtspunkt der "Exzellenz" nicht sparen. Wir brauchen dringend ein Bewertungssystem, das die Entscheidung, ob spannende (monografische) Texte übersetzt werden, nicht den kommerziellen Buchverlagen überlässt. Es müssen also fremdsprachige Bücher und Aufsätze systematisch auf inhaltlichen und methodischen Ertrag bewertet werden. Bei den Aufsätzen stellt sich das Problem, dass es nur für einen Teil der einschlägigen Disziplinen Referateorgane gibt, die die Bewertung bzw. Zusammenfassung der Aufsatzliteratur leisten.
Es ist bezeichnend, dass selbst bei einem sich so innovativ gerierenden Projekt wie recensio.net kein Sprach-Modul vorgesehen ist, das Sprachbarrieren mildern hilft. Ohnehin ist der meiste Stoff dieses Portals in Sprachen gehalten, die kaum ein Historiker beherrscht. Damit werden bestehende disziplinäre und sprachliche Grenzen zementiert.
(Nur am Rande sei bemerkt, dass sprachlich inkompetente Archivare bzw. Bibliothekare, die deutschsprachige Überlieferungen im Elsass, in Lothringen, der tschechischen Republik, der Slowakei, den baltischen Ländern usw. hüten, in einem vereinten Europa völlig fehl am Platz sind. Hier müssen an sich freie Projekte die sprachlichen Defizite der Archivare oder Bibliothekare z.B. in Straßburg ausgleichen und vehement dafür werben, dass deutschsprachige Bestände digitalisiert werden. Eine Erschliessung kann dann ggf. auch durch die freien Projekte erfolgen.)
Wenn es um herausragende Leistungen geht, soll durchaus das muttersprachliche Publizieren durch solche Importe gefördert und aufrechterhalten werden. Es kann nicht das Ziel sein, dass deutschsprachige Geisteswissenschaftler nur noch auf Englisch publizieren. Wir müssen unsere sprachliche Vielfalt in Europa, die sehr viel mit unserer kulturellen Identität zu tun hat, schützen und bewahren.
Der durchschnittliche Geisteswissenschaftler braucht aber erheblich mehr Angebote
- fremdsprachige Literatur, die nicht auf Englisch oder auch Französisch vorliegt, rezipieren zu können UND
- seine eigenen Publikationen in der STM-Verkehrssprache Englisch präsentieren zu können.
Dass Wissenschaftler einfach mehr Sprachen lernen, kann ja nicht die Lösung sein, denn z.B. der Aufwand, chinesische oder japanische Literatur zu berücksichtigen, dürfte kaum von einem entsprechenden Ertrag belohnt werden.
Sowohl OA als auch freie Projekte können bei dem Versuch, die Sprachenbarriere der Wissenschaft abzumildern unendlich hilfreich sein.Voraussetzung ist freilich, dass man das Problem endlich einmal als gravierendes wahrnimmt.
#sprache
Diese Sprachbarriere ist im wesentlichen ein Problem der Geisteswissenschaften, in denen weitgehend muttersprachlich wissenschaftlich publiziert wird. Bücher und Aufsätze, die nicht in der Muttersprache oder auf Englisch oder Französisch verfügbar sind, werden erfahrungsgemäß auch dann nicht oder kaum rezipiert, wenn sie an sich inhaltlich oder methodisch relevant sind. Dieses Problem wird von den Förderorganisationen, die sich OA auf die Fahnen geschrieben haben, offenkundig unterschätzt.
Bei geistes- oder sozialwissenschaftlichen Journals in englischer Sprache (goldener OA) sollte es keine Rolle spielen, in welcher Sprache ein Artikel eingereicht wird. Neben einem muttersprachlichen Peer-Review und einer ggf. in einem Repositorium zu deponierenden muttersprachlichen Fassung sollte nach Akzeptanz des Artikels auf Verlagskosten eine englische Version angefertigt werden.
Dies ist jedoch nur eine von vielen Maßnahmen, die sowohl auf Exzellenz wie auch auf Breitenwirkung abzielen sollten.
Ob Übersetzungen stattfinden, hängt nicht notwendigerweise von der Relevanz oder Qualität der Forschungen ab, sondern ist weitgehend dem Zufall überlassen. Dies muss sich ändern: Die Chance jedes einzelnen wissenschaftlichen Beitrags, der natürlich Mindeststandards nicht unterschreiten darf, außerhalb des eigenen Sprachraums wahrgenommen zu werden, muss entschieden verbessert werden.
Bei der einzig wahren OA-Lizenz CC-BY ist es urheberrechtlich ohne weiteres möglich, auch ohne Zustimmung von Verlag oder Autor Übersetzungen anzufertigen (oder auch umfangreiche Abstracts). Diese Lizenz ermöglicht es nicht nur, medizinisches Fachwissen in die Sprachen der Dritten Welt zu übersetzen, sondern auch entlegene, weil minderheitensprachliche Publikationen in einer Weltsprache zugänglich zu machen.
OA-Artikel sollten auch als HTML-Versionen bereitgestellt werden, da die Möglichkeiten maschineller Übersetzung besser sind.
Natürlich spräche nichts dagegen mit kleinen Schritten (Übersetzen von Metadaten - Titel, Abstract - ins Englische) anzufangen, aber dazu würden die Chancen von OA verspielt. Auch für das Volltextretrieval sind brauchbare Arbeitsversionen auf Englisch nicht nur für wichtige oder bedeutende Arbeiten unentbehrlich.
Metadaten (auch Abstrachts) sollten Public Domain sein (CC0), Übersetzungen CC-BY.
Da es schwierig sein dürfte, die für professionelle Übersetzer erforderlichen Mittel einzutreiben, könnte man an ein gemeinsames Wissensprojekt nach dem Muster der Wikipedia bzw. der Wikimedia-Projekte denken. Rohfassungen, die ggf. mit maschineller Unterstützung erstellt würden, könnten gemeinsam bearbeitet werden.
Während hier auf "perfekte" Übersetzungen verzichtet werden kann, sollte man bei der Auswahl unter dem Gesichtspunkt der "Exzellenz" nicht sparen. Wir brauchen dringend ein Bewertungssystem, das die Entscheidung, ob spannende (monografische) Texte übersetzt werden, nicht den kommerziellen Buchverlagen überlässt. Es müssen also fremdsprachige Bücher und Aufsätze systematisch auf inhaltlichen und methodischen Ertrag bewertet werden. Bei den Aufsätzen stellt sich das Problem, dass es nur für einen Teil der einschlägigen Disziplinen Referateorgane gibt, die die Bewertung bzw. Zusammenfassung der Aufsatzliteratur leisten.
Es ist bezeichnend, dass selbst bei einem sich so innovativ gerierenden Projekt wie recensio.net kein Sprach-Modul vorgesehen ist, das Sprachbarrieren mildern hilft. Ohnehin ist der meiste Stoff dieses Portals in Sprachen gehalten, die kaum ein Historiker beherrscht. Damit werden bestehende disziplinäre und sprachliche Grenzen zementiert.
(Nur am Rande sei bemerkt, dass sprachlich inkompetente Archivare bzw. Bibliothekare, die deutschsprachige Überlieferungen im Elsass, in Lothringen, der tschechischen Republik, der Slowakei, den baltischen Ländern usw. hüten, in einem vereinten Europa völlig fehl am Platz sind. Hier müssen an sich freie Projekte die sprachlichen Defizite der Archivare oder Bibliothekare z.B. in Straßburg ausgleichen und vehement dafür werben, dass deutschsprachige Bestände digitalisiert werden. Eine Erschliessung kann dann ggf. auch durch die freien Projekte erfolgen.)
Wenn es um herausragende Leistungen geht, soll durchaus das muttersprachliche Publizieren durch solche Importe gefördert und aufrechterhalten werden. Es kann nicht das Ziel sein, dass deutschsprachige Geisteswissenschaftler nur noch auf Englisch publizieren. Wir müssen unsere sprachliche Vielfalt in Europa, die sehr viel mit unserer kulturellen Identität zu tun hat, schützen und bewahren.
Der durchschnittliche Geisteswissenschaftler braucht aber erheblich mehr Angebote
- fremdsprachige Literatur, die nicht auf Englisch oder auch Französisch vorliegt, rezipieren zu können UND
- seine eigenen Publikationen in der STM-Verkehrssprache Englisch präsentieren zu können.
Dass Wissenschaftler einfach mehr Sprachen lernen, kann ja nicht die Lösung sein, denn z.B. der Aufwand, chinesische oder japanische Literatur zu berücksichtigen, dürfte kaum von einem entsprechenden Ertrag belohnt werden.
Sowohl OA als auch freie Projekte können bei dem Versuch, die Sprachenbarriere der Wissenschaft abzumildern unendlich hilfreich sein.Voraussetzung ist freilich, dass man das Problem endlich einmal als gravierendes wahrnimmt.
#sprache
KlausGraf - am Sonntag, 25. Dezember 2011, 20:11 - Rubrik: Open Access
KlausGraf meinte am 2011/12/26 22:20:
Wissenschaftssprache und Theoriekultur
http://bildungundgutesleben.blogsome.com/2011/12/26/au-revoir-allemagne-bonjour-suisse-oder-so-gut-ist-das-deutsche-wissenschaftssystem-echt-nicht/Wissenschaft soll international sein, aber – darauf weist Münch immer wieder hin – eigentlich heißt Internationalisierung in der Wissenschaft, sich am US-amerikanischen und britischen Diskurs zu orientieren. Das sollte man nicht missverstehen: Es geht nicht gegen die USA und Großbritannien, auch das ganze Gerede vom „Kulturimperialismus“ [2] ist hier nicht gemeint. Es geht darum, dass Internationalisierung systematisch damit gleichgesetzt wird, in „international anerkannten“ Zeitschriften und Verlagen zu publizieren, die fast durchgängig englischsprachig sind und in den USA und GB (viel seltener in Kanada, Australien, Neuseeland und so weiter) angesiedelt sind. Das ist, so bekannt das klingen wird, ein Problem der Bemessungsinstrumente, also der verwendeten Datenbanken. Die Effekte kann man bei Münch nachlesen (auch wenn man darüber hinwegsehen muss, was er als Bibliometrie versteht). Kurz gefasst aber: Nicht, die Zusammenarbeit im internationalen Rahmen, sondern nur mit Einrichtungen in den genannten zwei Staaten „zählt“. Nichts ist gegen die zwei Staaten oder die dortigen Einrichtungen zu sagen. Aber fassen wir uns mal selber als Bibliothekarinnen und Bibliothekaren an die Nase: Obwohl wir in der EU leben (also ich bald nicht mehr, aber… egal), die eine Kooperation zwischen den Mitgliedsstaaten fördert und mit der Europeana ein großes bibliothekarisches Gemeinschaftsprojekt haben, was wissen wir (a) vom Bibliothekssystem in Polen, (b) in Spanien und© in den USA? Wenn wir Anregungen aus anderen Staaten aufnehmen (weil wir von ihnen gelesen haben, zumeist), wie oft ist das (a) aus Südamerika, (b) aus Australien oder© Großbritannien? Man kann das mal in einer Skizze fassen und wird direkt sehen, dass sich fast alles auf die USA und GB konzentriert. Nur, ohne den Kolleginnen und Kollegen in den beiden Staaten zu nahe treten zu wollen: Das ist nicht nur ein wenig langweilig, das ist auch eine Einschränkung der theoretischen und paradigmatischen Perspektive. (Und zudem absurd. Warum wissen wir über die Struktur der US-amerikanischen Bibliotheken Bescheid, aber nicht über die Bibliothekssysteme unserer Nachbarstaaten?) Münch weist beispielsweise daraufhin, dass in den USA solche prägenden Werke wie das von Bourdieu und Luhmann quasi nicht bekannt sind, obgleich diese die (sozialwissenschaftlichen) Diskussionen in Deutschland prägen.
L. Landes (Gast) meinte am 2011/12/27 15:20:
recensio.net
Sprachbarriere: Gibt es, und tritt durch OA immer deutlicher zutage, ja! Organisatorisch und finanziell machbare Abhilfen sind zu diskutieren, ganz Ihrer Meinung!Ihre Feststellung aber „Ohnehin ist der meiste Stoff dieses Portals [recensio.net] in Sprachen gehalten, die kaum ein Historiker beherrscht. Damit werden bestehende disziplinäre und sprachliche Grenzen zementiert“ ist falsch.
Aktuelle Statistik:
Sprachen der publizierten Rezensionen
Deutsch 3082 69,21%
Italienisch 637 14,30%
Englisch 327 7,34%
Französisch 312 7,01%
Tschechisch 30 0,67%
Spanisch 26 0,58%
Russisch 10 0,22%
Litauisch 14 0,31%
Slowakisch 1 0,02%
Sprachen der rezensierten Werke:
5 Albanisch
1 Aserbaidschanisch
1 Bulgarisch
1911 Deutsch
931 Englisch
26 Estnisch
5 Finnisch
356 Französisch
37 Griechisch
741 Italienisch
3 Katalanisch
18 Kroatisch
22 Lettisch
14 Litauisch
2 Niederländisch
274 Polnisch
4 Portugiesisch
26 Rumänisch
118 Russisch
1 Schwedisch
9 Serbisch
12 Slowakisch
9 Slowenisch
50 Spanisch
90 Tschechisch
1 Türkisch
4 Ukrainisch
56 Ungarisch
Insgesamt also ein eindeutiger Informationstransfer in die großen europäischen Sprachen hinein, nicht umgekehrt. Seit wann beherrscht „kaum ein Historiker“ Deutsch, Italienisch, Französisch oder Englisch? Ich hätte mehr Verständnis, wenn sich ein Schwede beschweren würde, oder ein Aserbaidschaner (s.o.).
KlausGraf meinte am 2012/01/27 01:17:
Siehe auch
http://dhdhi.hypotheses.org/726 Interview mit Prof. Dr. Hinnerk Bruhns, Forschungsdirektor am CNRS, Paris über die von ihm mitgegründete und herausgegebene Online-Zeitschrift „Trivium“.
KlausGraf antwortete am 2012/01/28 13:43:
Diskussion auf G+
https://plus.google.com/u/0/117546351384071338747/posts/KFXcaWbhqzJ
Kaveh Bazargan (Gast) meinte am 2015/05/31 18:58:
Great idea
I would actually advocate that the translation is done on the XML file with an html interface. By the way why is this post one long paragraph making it hard to read? ;-)