Leicht überliest man eine skandalöse Klausel im Archivgesetz-Entwurf (PDF), die dazu führt, dass Archivgut (Sammlungsgut, Bibliotheksgut, Nachlässe usw.) nach Belieben von Kommunalarchiven und Hochschularchiven (bzw. Archiven von Körperschaften usw. unter Landesaufsicht) verkauft werden dürfen. Andere gesetzliche Normen verhindern das nicht, denn Archivgut ist vom Geltungsbereich des Denkmalschutzgesetzes (nach § 2 Abs. 6) ausdrücklich ausgenommen. Selbst die Eintragung eines hochrangigen Nachlasses ins Verzeichnis national wertvoller Archive würde einen Archivträger (z.B. die Stadt Köln) nicht daran hindern, Einzelstücke aus einem Nachlass, an dem sie Eigentum hat, einzeln in den Handel zu geben oder zu vernichten.
Dass Kommunen bei der Veräußerung von Kulturgut die Genehmigung der Aufsichtsbehörde einzuholen haben, sieht die Gemeindeordnung NRW nicht vor. Soweit es sich um vermögensgegenstände handelt, schreibt die Gemeindeordnung die Veräußerung zum vollen Wert vor, was finanzklamme Kommunen gern so auslegen werden, dass sie dadurch ermuntert werden, geschlossene Sammlungen durch Auktionshäuser zerreissen zu lassen, um einen größeren Gewinn zu machen.
Nichtstaatliche NRW-Archive können mit ihrem Sammlungsgut machen, was sie wollen. Damit wird dem Aspekt, dass Archivgut Kulturgut ist, das zu erhalten ist, ins Gesicht geschlagen!
Der Gesetzentwurf ist ein klarer Landesverfassungsbruch. In ihr heißt es in Artikel 18:
(1) Kultur, Kunst und Wissenschaft sind durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern.
(2) Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Kultur, die Landschaft und Naturdenkmale stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände.
Das Land müsste sicherstellen, dass die Gemeinden dieser Verpflichtung nachkommen statt ihnen einen Freibrief zur Verscherbelung unersetzlichen Kulturguts zu geben.
Aus dem Entwurf:
§ 10 Abs. 5 Satz 2 bestimmt für Kommunale Archive: "§ 5 Absatz 1 bezieht sich dabei ausschließlich auf die zu Archivgut umgewidmeten Unterlagen aus dem Verwaltungshandeln der in Absatz 1 genannten Stellen."
§ 5 Abs. 1 lautet: " Archivgut ist unveräußerlich."
Für Uniarchive gilt nach § 11 Abs. 1: "Die für kommunale Archive in Bezug genommenen Regelungen dieses Gesetzes
gelten entsprechend."
Aus der Begründung:
"Zu Absatz 1:
Die Regelung stellt klar, dass Archivgut als Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses unveräußerlich
ist, d.h. die Verfügungsgewalt hieran nicht an Dritte abgegeben werden darf. § 5
Abs. 1 steht der Übertragung von Archivgut aus einem vorhandenen Archiv oder einer vorhandenen
Einrichtung auf eine andere Einrichtung im Sinne des Absatz 2, wenn diese künftig
die in Absatz 1 genannten Aufgaben wahrnehmen soll, nicht entgegen. Gleiches gilt im
Fall der Änderung der Rechtsform der Einrichtung im Sinne von Absatz 2, auch wenn diese
mit einer Zusammenlegung von mehreren Einrichtungen im Sinne von Absatz 2 verbunden
ist."
Eine Begründung für die Ausnahme in § 10, die demnach klarstellt, dass kommunales Archivgut kein Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses ist, soweit es sich um Nachlässe, Vereinsunterlagen, historische Bibliotheken, Schenkungen von Sammlungen oder Adelsarchiven, Erwerbungen von Archivgut im Handel zur Bestandsergänzung, zeitgeschichtliche und andere Sammlungen (Plakate, Filme, Broschüren usw.) handelt, gibt es NICHT, denn der Satz in der Begründung "Der gesetzliche Schutz des Archivguts vor Veräußerung (§ 5 Abs. 1) bezieht sich dabei ausdrücklich nur auf Unterlagen aus Verwaltungshandeln." stellt nur etwas fest, aber begründet nichts.
Die kommunalen Verbände haben sich also einen Freibrief ausgehandelt, ihre Archivare aus Haushaltsgründen dazu zwingen zu können, Archivgut zu verkaufen. Kommunales Archivgut ist damit hinsichtlich eines wichtigen Teils kein Kulturgut mehr, das unter dem Schutz des Landes steht. Das ist mit anderen Worten einfach ungeheuerlich.
Nachtrag: Fairerweise sollte betont werden, dass die Norm eine Ausweitung der Unveräußerlichbarkeit bedeutet, denn derzeit gilt § 4 Ab. 1 ArchivG NRW NICHT für Kommunal- und Uniarchive. Das ändert nichts daran, dass angesichts geänderter Umstände (Causa Karlsruhe) die von mir geäußerte Kritik bestehen bleibt.
Weiterer Nachtrag 1.12.2009:
"Sehr geehrter Herr Graf,
zu Ihrer Nachfrage zum Thema „Unveräußerlichkeit von Archivgut“ nehme ich fachlich wie folgt Stellung:
Mit der Regelung in § 5 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 5 des Entwurfs des Archivgesetzes kommt die Landesregierung dem zentralen Anliegen der Kommunen nach, das Archivgut dauerhaft zu erhalten.
Die an der Verbändeanhörung beteiligten Verbände Städtetag und Landkreistag sprechen sich für eine umfassende Unveräußerlichkeit von Archivgut aus, also ausdrücklich bezogen auch auf nicht aus Verwaltungshandeln hervorgegangenes kommunales Archivgut.
Der Städte- und Gemeindebund hält die im Referentenentwurf vorgesehene Differenzierung (Veräußerungsverbot für „amtliches“, also aus Verwaltungshandeln hervorgegangenen Archivguts, kein Veräußerungsverbot für „nichtamtliches“ Archivgut (z.B. Künstlernachlässe) für sachgerecht.
Aus Sicht der Landesregierung soll es der Wertung der kommunalen Selbstverwaltung uneingeschränkt obliegen, ausnahmsweise bestimmtes Archivgut, das nicht aus Verwaltungshandeln öffentlicher Stellen stammt, veräußern zu können. Diese Wertung folgt dem Grundsatz, kommunalen Entscheidungsspielraum möglichst weitgehend zu erhalten. Es sind keine gewichtigen Gründe erkennbar, den Kommunen per Gesetz vorzuschreiben, Archivgut, das nicht dem Verwaltungshandeln entstammt, nicht zu veräußern. Im Übrigen könnten die kommunalen Archive spätestens ab jetzt Verträge z.B. mit Nachlassnehmern abschließen, die die Veräußerung überlassenen Archivguts untersagen.
Für die Beibehaltung der bislang vom Gesetz vorgenommenen Differenzierung der Veräußerlichkeit von staatlichem und nichtstaatlichem Archivgut (§ 4 des geltenden Gesetzes) tritt keiner der beteiligten kommunalen Spitzenverbände ein.
Ich hoffe, dass ich mit meinen Ausführungen zum Hintergrund der beabsichtigen Gesetzesänderung Ihre Frage beantworten konnte.
Mit freundliche Grüßen
Christina Halstenberg
Christina Halstenberg-Bornhofen
Referat IV 1 – Archive, Bibliotheken, Literatur und Haushaltsangelegenheiten
Referatsleiterin"
Dazu nehme ich wie folgt Stellung: "Es sind keine gewichtigen Gründe erkennbar, den Kommunen per Gesetz vorzuschreiben, Archivgut, das nicht dem Verwaltungshandeln entstammt, nicht zu veräußern." Solche gewichtigen Gründe habe ich oben angeführt, nämlich den Verfassungsauftrag des Kulturgutschutzes und die prinzipielle Unveräußerbarkeit von Archivgut, was, wenn ich richtig sehe, von den anderen Landesarchivgesetzen anerkannt wird. Wenn ein staatlicher Zwangsverwalter einer nicht mehr zahlungsfähigen Kommune entsprechendes "Tafelsilber" aus dem Archiv durch eine Auktion veräußern lässt, wird ein schützenswertes Ensemble, dem aber de lege lata in NRW der (denkmalschutzrechtliche) Schutz verweigert wird, zerrissen, was nicht im Sinn der Wissenschaft und der Öffentlichkeit sein kann. Archivgut, das auf Dauer zu bewahren ist, ist ausnahmslos als unveräußerlich zu betrachten und der Öffentlichkeit zugänglich zu erhalten. Solange keine gesetzlichen Vorgaben für entsprechende Verkäufe bestehen, die z.B. sicherstellen, dass schützenswerte Sachgesamtheiten nicht auseinandergerissen werden und das der öffentliche Zugang durch den Erwerber uneingeschränkt und auf Dauer gewährleistet ist, ist es ein frommer Wunsch anzunehmen, dass Verkäufe von Archivgut nur "ausnahmsweise" erfolgen.
Hinzu kommt, dass Kommunen mit Blick auf § 134 BGB einen Nachteil erleiden. Dazu immer noch Schäfer 1999
http://www.archive.nrw.de/archivar/hefte/1999/Archivar_1999-3.pdf
"Die festgelegte Unveräußerlichkeit öffentlichen Archivguts soll den angestrebten Schutz des im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Archivguts vor Zersplitterung und Veruntreuung sichern, so daß vorsätzlich oder fahrlässig entfremdetes Archivgut nicht in gutem Glauben erworben und durch Übergang in privaten Besitz der allgemeinen Nutzung entzogen werden kann.
Auf jeden Fall verbietet eine solche Rechtsvorschrift den Trägern öffentlicher Archive, in einer öffentlichen Stelle entstandene und als Archivgut übernommene Unterlagen aus der Provenienz herauszulösen69 oder der Nutzung durch die Öffentlichkeit zu entziehen, indem sie das Eigentum durch Rechtsgeschäft auf einen Erwerber übertragen.70 Für die Verletzung des gesetzlichen Verbots sehen die Archivgesetze selbst keine Sanktion vor. Sie ergibt sich vielmehr aus § 134 BGB.71 Da sich das gesetzliche Verbot sowohl auf das Verpflichtungsgeschäft als auch auf das Verfügungsgeschäft72 zwischen dem Träger des Archivs und dem Erwerber erstreckt, sind beide Rechtsgeschäfte nichtig.73 Auf die Kenntnis des Erwerbers von dem gesetzlichen Verbot kommt es nicht an.74 Der Träger des Archivs hat gegen den Erwerber einen Anspruch auf Herausgabe des Archivguts nach § 985 BGB.Die Verletzung des gesetzlichen Verbots bewirkt also, daß der Besitzer, der vom Träger des Archivs den Eigenbesitz erworben hat, ebenso wie der Besitzer, der dem Träger des Archivs den Eigenbesitz entzogen hat, Nichtberechtigter ist. Beide sind zur Verfügung über das Archivgut deshalb nicht befugt, weil sie kein Eigentum erworben haben.
Aufgrund des gesetzlichen Verbots verliert das öffentliche Archivgut aber nicht seine Verkehrsfähigkeit. Ein Dritter kann das Eigentum gutgläubig erwerben. Denn eine Norm, die den Erwerb dinglicher Rechte an öffentlichem Archivgut verhindern soll, setzt den ausdrücklichen Ausschluß der gesetzlichen Vorschriften, die die Verkehrsfähigkeit beweglicher Sachen gewährleisten, voraus.75"
Dass Kommunen bei der Veräußerung von Kulturgut die Genehmigung der Aufsichtsbehörde einzuholen haben, sieht die Gemeindeordnung NRW nicht vor. Soweit es sich um vermögensgegenstände handelt, schreibt die Gemeindeordnung die Veräußerung zum vollen Wert vor, was finanzklamme Kommunen gern so auslegen werden, dass sie dadurch ermuntert werden, geschlossene Sammlungen durch Auktionshäuser zerreissen zu lassen, um einen größeren Gewinn zu machen.
Nichtstaatliche NRW-Archive können mit ihrem Sammlungsgut machen, was sie wollen. Damit wird dem Aspekt, dass Archivgut Kulturgut ist, das zu erhalten ist, ins Gesicht geschlagen!
Der Gesetzentwurf ist ein klarer Landesverfassungsbruch. In ihr heißt es in Artikel 18:
(1) Kultur, Kunst und Wissenschaft sind durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern.
(2) Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Kultur, die Landschaft und Naturdenkmale stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände.
Das Land müsste sicherstellen, dass die Gemeinden dieser Verpflichtung nachkommen statt ihnen einen Freibrief zur Verscherbelung unersetzlichen Kulturguts zu geben.
Aus dem Entwurf:
§ 10 Abs. 5 Satz 2 bestimmt für Kommunale Archive: "§ 5 Absatz 1 bezieht sich dabei ausschließlich auf die zu Archivgut umgewidmeten Unterlagen aus dem Verwaltungshandeln der in Absatz 1 genannten Stellen."
§ 5 Abs. 1 lautet: " Archivgut ist unveräußerlich."
Für Uniarchive gilt nach § 11 Abs. 1: "Die für kommunale Archive in Bezug genommenen Regelungen dieses Gesetzes
gelten entsprechend."
Aus der Begründung:
"Zu Absatz 1:
Die Regelung stellt klar, dass Archivgut als Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses unveräußerlich
ist, d.h. die Verfügungsgewalt hieran nicht an Dritte abgegeben werden darf. § 5
Abs. 1 steht der Übertragung von Archivgut aus einem vorhandenen Archiv oder einer vorhandenen
Einrichtung auf eine andere Einrichtung im Sinne des Absatz 2, wenn diese künftig
die in Absatz 1 genannten Aufgaben wahrnehmen soll, nicht entgegen. Gleiches gilt im
Fall der Änderung der Rechtsform der Einrichtung im Sinne von Absatz 2, auch wenn diese
mit einer Zusammenlegung von mehreren Einrichtungen im Sinne von Absatz 2 verbunden
ist."
Eine Begründung für die Ausnahme in § 10, die demnach klarstellt, dass kommunales Archivgut kein Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses ist, soweit es sich um Nachlässe, Vereinsunterlagen, historische Bibliotheken, Schenkungen von Sammlungen oder Adelsarchiven, Erwerbungen von Archivgut im Handel zur Bestandsergänzung, zeitgeschichtliche und andere Sammlungen (Plakate, Filme, Broschüren usw.) handelt, gibt es NICHT, denn der Satz in der Begründung "Der gesetzliche Schutz des Archivguts vor Veräußerung (§ 5 Abs. 1) bezieht sich dabei ausdrücklich nur auf Unterlagen aus Verwaltungshandeln." stellt nur etwas fest, aber begründet nichts.
Die kommunalen Verbände haben sich also einen Freibrief ausgehandelt, ihre Archivare aus Haushaltsgründen dazu zwingen zu können, Archivgut zu verkaufen. Kommunales Archivgut ist damit hinsichtlich eines wichtigen Teils kein Kulturgut mehr, das unter dem Schutz des Landes steht. Das ist mit anderen Worten einfach ungeheuerlich.
Nachtrag: Fairerweise sollte betont werden, dass die Norm eine Ausweitung der Unveräußerlichbarkeit bedeutet, denn derzeit gilt § 4 Ab. 1 ArchivG NRW NICHT für Kommunal- und Uniarchive. Das ändert nichts daran, dass angesichts geänderter Umstände (Causa Karlsruhe) die von mir geäußerte Kritik bestehen bleibt.
Weiterer Nachtrag 1.12.2009:
"Sehr geehrter Herr Graf,
zu Ihrer Nachfrage zum Thema „Unveräußerlichkeit von Archivgut“ nehme ich fachlich wie folgt Stellung:
Mit der Regelung in § 5 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 5 des Entwurfs des Archivgesetzes kommt die Landesregierung dem zentralen Anliegen der Kommunen nach, das Archivgut dauerhaft zu erhalten.
Die an der Verbändeanhörung beteiligten Verbände Städtetag und Landkreistag sprechen sich für eine umfassende Unveräußerlichkeit von Archivgut aus, also ausdrücklich bezogen auch auf nicht aus Verwaltungshandeln hervorgegangenes kommunales Archivgut.
Der Städte- und Gemeindebund hält die im Referentenentwurf vorgesehene Differenzierung (Veräußerungsverbot für „amtliches“, also aus Verwaltungshandeln hervorgegangenen Archivguts, kein Veräußerungsverbot für „nichtamtliches“ Archivgut (z.B. Künstlernachlässe) für sachgerecht.
Aus Sicht der Landesregierung soll es der Wertung der kommunalen Selbstverwaltung uneingeschränkt obliegen, ausnahmsweise bestimmtes Archivgut, das nicht aus Verwaltungshandeln öffentlicher Stellen stammt, veräußern zu können. Diese Wertung folgt dem Grundsatz, kommunalen Entscheidungsspielraum möglichst weitgehend zu erhalten. Es sind keine gewichtigen Gründe erkennbar, den Kommunen per Gesetz vorzuschreiben, Archivgut, das nicht dem Verwaltungshandeln entstammt, nicht zu veräußern. Im Übrigen könnten die kommunalen Archive spätestens ab jetzt Verträge z.B. mit Nachlassnehmern abschließen, die die Veräußerung überlassenen Archivguts untersagen.
Für die Beibehaltung der bislang vom Gesetz vorgenommenen Differenzierung der Veräußerlichkeit von staatlichem und nichtstaatlichem Archivgut (§ 4 des geltenden Gesetzes) tritt keiner der beteiligten kommunalen Spitzenverbände ein.
Ich hoffe, dass ich mit meinen Ausführungen zum Hintergrund der beabsichtigen Gesetzesänderung Ihre Frage beantworten konnte.
Mit freundliche Grüßen
Christina Halstenberg
Christina Halstenberg-Bornhofen
Referat IV 1 – Archive, Bibliotheken, Literatur und Haushaltsangelegenheiten
Referatsleiterin"
Dazu nehme ich wie folgt Stellung: "Es sind keine gewichtigen Gründe erkennbar, den Kommunen per Gesetz vorzuschreiben, Archivgut, das nicht dem Verwaltungshandeln entstammt, nicht zu veräußern." Solche gewichtigen Gründe habe ich oben angeführt, nämlich den Verfassungsauftrag des Kulturgutschutzes und die prinzipielle Unveräußerbarkeit von Archivgut, was, wenn ich richtig sehe, von den anderen Landesarchivgesetzen anerkannt wird. Wenn ein staatlicher Zwangsverwalter einer nicht mehr zahlungsfähigen Kommune entsprechendes "Tafelsilber" aus dem Archiv durch eine Auktion veräußern lässt, wird ein schützenswertes Ensemble, dem aber de lege lata in NRW der (denkmalschutzrechtliche) Schutz verweigert wird, zerrissen, was nicht im Sinn der Wissenschaft und der Öffentlichkeit sein kann. Archivgut, das auf Dauer zu bewahren ist, ist ausnahmslos als unveräußerlich zu betrachten und der Öffentlichkeit zugänglich zu erhalten. Solange keine gesetzlichen Vorgaben für entsprechende Verkäufe bestehen, die z.B. sicherstellen, dass schützenswerte Sachgesamtheiten nicht auseinandergerissen werden und das der öffentliche Zugang durch den Erwerber uneingeschränkt und auf Dauer gewährleistet ist, ist es ein frommer Wunsch anzunehmen, dass Verkäufe von Archivgut nur "ausnahmsweise" erfolgen.
Hinzu kommt, dass Kommunen mit Blick auf § 134 BGB einen Nachteil erleiden. Dazu immer noch Schäfer 1999
http://www.archive.nrw.de/archivar/hefte/1999/Archivar_1999-3.pdf
"Die festgelegte Unveräußerlichkeit öffentlichen Archivguts soll den angestrebten Schutz des im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Archivguts vor Zersplitterung und Veruntreuung sichern, so daß vorsätzlich oder fahrlässig entfremdetes Archivgut nicht in gutem Glauben erworben und durch Übergang in privaten Besitz der allgemeinen Nutzung entzogen werden kann.
Auf jeden Fall verbietet eine solche Rechtsvorschrift den Trägern öffentlicher Archive, in einer öffentlichen Stelle entstandene und als Archivgut übernommene Unterlagen aus der Provenienz herauszulösen69 oder der Nutzung durch die Öffentlichkeit zu entziehen, indem sie das Eigentum durch Rechtsgeschäft auf einen Erwerber übertragen.70 Für die Verletzung des gesetzlichen Verbots sehen die Archivgesetze selbst keine Sanktion vor. Sie ergibt sich vielmehr aus § 134 BGB.71 Da sich das gesetzliche Verbot sowohl auf das Verpflichtungsgeschäft als auch auf das Verfügungsgeschäft72 zwischen dem Träger des Archivs und dem Erwerber erstreckt, sind beide Rechtsgeschäfte nichtig.73 Auf die Kenntnis des Erwerbers von dem gesetzlichen Verbot kommt es nicht an.74 Der Träger des Archivs hat gegen den Erwerber einen Anspruch auf Herausgabe des Archivguts nach § 985 BGB.Die Verletzung des gesetzlichen Verbots bewirkt also, daß der Besitzer, der vom Träger des Archivs den Eigenbesitz erworben hat, ebenso wie der Besitzer, der dem Träger des Archivs den Eigenbesitz entzogen hat, Nichtberechtigter ist. Beide sind zur Verfügung über das Archivgut deshalb nicht befugt, weil sie kein Eigentum erworben haben.
Aufgrund des gesetzlichen Verbots verliert das öffentliche Archivgut aber nicht seine Verkehrsfähigkeit. Ein Dritter kann das Eigentum gutgläubig erwerben. Denn eine Norm, die den Erwerb dinglicher Rechte an öffentlichem Archivgut verhindern soll, setzt den ausdrücklichen Ausschluß der gesetzlichen Vorschriften, die die Verkehrsfähigkeit beweglicher Sachen gewährleisten, voraus.75"
KlausGraf - am Montag, 30. November 2009, 23:48 - Rubrik: Archivrecht
ebay (Gast) meinte am 2009/12/01 11:29:
und dann kommt wohl noch eine Ergänzung,
in der vereinfacht gesagt steht, dass es eigentlich nix macht, wenn mal Archivgut in einem feuchten Loch verschwindet, natürlich rückwirkend ab 1. 1. 09 und die Archäologen freuen sich über den Beitrag zur Sicherung ihre Zukunft.
Anonymus (Gast) meinte am 2009/12/01 15:25:
Stellungnahme des Landkreistag und Städte- und Gemeindebund NRW
Die beiden kommunalen Spitzenverbände schrieben am 26.11.2009 dazu an den Kulturausschussvorsitzenden Dr. Fritz Behrens" .... 2. Unveräußerlichkeit von Archivgut (§ 10 Abs. 5 Satz 2 des Gesetzesentwurfes)Der Entwurf enthält nunmehr eine Unveräußerlichkeitsregelung für Archivgut, das aus dem Verwaltungshandeln der öffentlichen Stellen entstanden ist. Demnach wären andere Unterlagen, die nicht aus dem Verwaltungshandeln der öffentlichen Stellen entstanden sind (z.B. Nachlässe – sog. Sammlungsgut), durch die Kommune veräußerbar.
Wir halten diese Differenzierung für sachgerecht und bitten ausdrücklich darum, § 10 Abs. 5 Satz 2 unverändert beizubehalten.
Die Kommunen haben ein zentrales Interesse daran, das Archivgut zu erhalten. Sollte allerdings eine Kommune ausnahmsweise der Auffassung sein, dass bestimmtes Archivgut, das nicht aus dem Verwaltungshandeln der öffentlichen Stellen entstand, veräußert werden soll, so handelt es sich hierbei um eine kommunale Entscheidung, die zu respektieren ist.
Diese Wertung folgt der kommunalen Selbstverwaltung und dem Grundsatz, den kommunalen Entscheidungsspielraum möglichst weitgehend zu erhalten, soweit keine gewichtigen Gesichtspunkte hiergegen sprechen. Hier sind keine gewichtigen Gründe erkennbar, den Kommunen durch Gesetz vorzuschreiben, dass Archivgut, das nicht aus dem Verwaltungshandeln stammt, nicht veräußert werden darf.
Die Anwendungsfälle für die Veräußerlichkeit von Archivgut dürften im Übrigen gering sein. Wenn dem betreffenden Archiv Unterlagen etwa durch Nachlass überlassen worden sind, werden in der Regel Verträge mit dem Archiv abgeschlossen. In diesen Verträgen verpflichten sich vielfach die Kommunen, das Archivgut nicht zu veräußern. Es ist auch denkbar, dass sich aus der Vereinbarung ergibt, dass das dem Archiv überlassene Archivgut nach einem längeren Zeitraum veräußert werden darf. Wir halten es für eine Überregulierung, wenn diese Gestaltungsfreiheit zu Lasten des kommunalen Entscheidungsspielraumes eingeschränkt
werden würde. Vielleicht wäre es hilfreich, wenn in der Gesetzesbegründung (Beschlussvorschlag des Ausschusses) auf die Möglichkeit der individualvertraglichen Regelung einer Unveräußerlichkeit von Sammlungsgut hingewiesen wird. ...."
ladislaus (Gast) antwortete am 2009/12/01 15:37:
Der Hinweis auf die "kommunalen Entscheidungsspielräume" ist abzulehnen. Gerade wenn eine Kommune überschuldet ist und etwa unter Zwangsverwaltung des Landes steht, könnten Archivgüter zur Dispositionsmasse werden. Da gibt es dann eben keine kommunalen Entscheidungsspielräume, und man kann sich nicht einmal mehr auf die Selbstverständlichkeit eines Veräußerungsverbots von Archivalien berufen. Rückgängig machen kann man solche Verkäufe dann allerdings nie wieder.
Wolf Thomas meinte am 2009/12/01 20:08:
Diskrepanz?
Sehe nur ich eine Diskrepanz zwischen der Äußerung der zuständigen Referatsleiterin und dem von Anonymus auszugsweisen zitierten Schreiben des Landkreistages und des Städte- und Gemeindebundes NRW?
KlausGraf antwortete am 2009/12/01 20:26:
Nein
Anonymus: Landkreistag + Städte- und Gemeindebund für vorgeschlagene Regelung (nur amtliche Unterlagen unveräußerbar)Halstenberg: Städtetag und Landkreistag für umfassende Unveräußerbarkeit
Wie der Landkreistag sich tatsächlich eingelassen hat, das kann doch am besten ein Kreisarchivar herauskriegen, gell? :-)