Im Historischen Lexikon Bayerns schrieb Elizabeth Harding jüngst über die "Adelsprobe" (mit stark bayern-lastiger Literaturauswahl und ohne Kennzeichnung online vorliegender Quellen, noch nicht einmal des eigenen Beitrags (PDF)):
http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45028
Zum Vergleich dazu eine Preprint-Fassung meines Artikels
Klaus Graf, Ahnenprobe, in: Enzyklopädie der Neuzeit, hrsg. von Friedrich Jäger, Bd. 1, Stuttgart 2005, Sp. 146-148
Ahnenprobe
Die Ahnenprobe war der Nachweis oder die Darstellung der
Herkunft von vier, acht, sechzehn usw. adeligen Ahnen
(Adelsprobe). Die vor allem im deutschsprachigen Raum
bedeutsame Ahnenprobe war ein normatives Instrument der
Exklusion, das einen institutionellen oder
genossenschaftlichen Binnenraum gegen unerwünschte
Eindringlinge abschotten sollte. Bei der Ahnenprobe in Form
der "Aufschwörung" mussten die Probanden und Zeugen eidlich
die Herkunft (Adel und eheliche Geburt der Ahnen, oft
kombiniert mit weiteren Eigenschaften wie Stiftsmäßigkeit,
Angehörigkeit zur Reichsritterschaft oder zur deutschen
Nation) bekräftigen. So wehrten sich adelige Institutionen
wie Domstifte oder Korporationen wie Ritterorden gegen
Aufsteiger aus dem Bürgertum, insbesondere gegen den
Briefadel, gegen die Angehörigen städtischer Patriziate,
die als Stadtadelige Ebenbürtigkeit mit dem Landadel
anstrebten, oder gegen landfremde Adelige. Durch die
negative Sanktionierung von Mesalliancen (eine nicht
standesgemäße Heirat schadete den Nachkommen als Probanden
einer Ahnenprobe) diente sie zugleich der Wahrung
ständischer Homogenität.
Die von landsmannschaftlichen, ständischen oder familiären
Adelscliquen dominierten geistlichen Institutionen waren
mit ihren Pfründen "Spitäler des Adels" und somit als
Versorgungsressourcen in die aristokratische
Familienordnung eingebunden. Besonders rigide war die
ständische Abschließung der Domstifte Köln und Straßburg,
die dem Hochadel vorbehalten waren. Erasmus von Rotterdam
habe, so die Zimmerische Chronik, dazu bemerkt, Christus
selbst wäre in Straßburg nur mit Dispens aufgenommen
worden. Ritterschaftliche Familien beherrschten als
"Stiftsadel" die Domkapitel der "Pfaffengasse" an Rhein und
Main und die Domkapitel der westfälischen Hochstifte
Münster und Osnabrück. Trotz aller sozialen Abgrenzung gab
es aber noch in der frühen Neuzeit etwa in den bayerischen
Bistümern einen nennenswerten Anteil bürgerlicher Kanoniker
(so wie im Spätmittelalter in nord- und mitteldeutschen
Bistümern). Ahnenproben regelten nicht nur die
Zugehörigkeit zu den geistlichen Institutionen (Domkapitel,
Klöster und Stifte, Damenstifte, Deutscher Orden und
Johanniterorden usw.), die natürlich nach der Reformation
überwiegend katholisch waren, sie wurden auch zur
Abgrenzung landständischer Ritterschaften eingesetzt. So
wurden 1648 für die Aufnahme in die märkische Ritterschaft
acht adelige Ahnen verlangt. Ganerbschaften und
vergleichbare adelige Genossenschaften wie die
Burgmannenschaft der Reichsburg Friedberg bestanden
ebenfalls auf dem Nachweis adeliger Vorfahren. Ahnenproben
wahrten aber auch die Exklusivität adeliger Vereinigungen
ohne Versorgungsaspekt wie Turniergesellschaften,
Bruderschaften und höfischer Orden (z.B. des burgundischen
Ordens vom Goldenen Vlies). Begnügte man sich im 15.
Jahrhundert fast immer mit der Vierahnenprobe, so wurden in
der Frühen Neuzeit häufig acht oder gar 16 Ahnen gefordert
(z.B. im Deutschen Orden: 1606 acht, 1671 16 Ahnen).
Aufklärerische Adelskritik wandte sich vehement gegen die
von den geburtsadeligen Eliten durch die Ahnenprobe
bewirkte Verknöcherung der von ihnen kontrollierten
sozialen Systeme.
Wenig untersucht sind die nicht-adeligen Ahnenproben in
bürgerlichen und bäuerlichen Kreisen, mit der die
Abstammung von freien Vorfahren oder die ehrliche und
eheliche Herkunft nachgewiesen wurde. Handwerksmeister und
Gesellen legten gelegentlich auf eine genealogisch geprüfte
"Ehre" Wert.
Im erhaltenen Denkmalbestand sind vor allem die unzähligen
umfangreichen heraldischen Ahnenproben auf
ritterschaftlichen Grabmälern eindrucksvoll (für die
Anordnung der Wappen gab es eigene Konventionen). Auch hier
setzten sich erst im 16. Jahrhundert höhere Ahnenzahlen – acht,
16, 32 usw. - durch. Gelegentlich kam es auf solchen
Darstellungen zu verfälschenden "Ahnenkorrekturen". Nicht
weniger als 124 Ahnenwappen zählte eine Tapisserie, die
1619/20 von der niederösterreichischen Adeligen Katharina
von Volkensdorf und ihren Töchtern gewirkt wurde. Wie
Ahnenproben in das höfische Fest integriert wurden, illustrieren
einige der den Turnierrittern auf der jülichschen
Fürstenhochzeit 1585 vorangetragene Tafeln mit ihren
Ahnenproben (zu acht Ahnen) aus dem Stadtmuseum Düsseldorf.
Die Praxis der Ahnenprobe führte zu einer entsprechenden
Schriftlichkeit: Wappengeschmückte Urkunden und
Aufschwörbücher dokumentierten den Adelsnachweis in
repräsentativer Weise. Die Ahnenprobe erforderte mit der
Erstellung einer Ahnentafel genealogische Recherchen, und
dies sowie die Beweisproblematik inspirierte häufig
gelehrte "hilfswissenschaftliche" Studien. Genealogische
Forschungen profitierten von den in voluminösen Tafelwerken
abgedruckten Ahnenproben, etwa der Kompilation des
Benediktiners Gabriel Bucelin "Germania
topo-chronostemmato-graphica sacra et profana" (1655-1678).
Als Handbuch galt in der Spätzeit des Alten Reiches die
Schrift von Georg Estor "Praktische Anleitung zur Anenprobe" (Marburg 1750).
Auch in anderen europäischen Ländern gab es Ahnenproben (meist zu vier Ahnen), so im Frankreich des Ancien Régime, in dem es im 18. Jahrhundert unter dem Eindruck einer „réaction aristocratique“ zu einer starken Revitalisierung alter Adelswerte kam. Komparatistisch zu untersuchen wäre, wie
sich Ahnenprobenpraxis und andere Formen des
Adelsnachweises zueinander verhalten haben.
F.v.Klocke, Westdeutsche Ahnenproben feierlichster Form im
16., 17. und 18. Jahrhundert, 1940
W. Kundert, Reichsritterschaft und Reichskirche vornehmlich
in Schwaben 1555-1803, in: F. Quarthal (Hrsg.), Zwischen
Schwarzwald und Schwäbischer Alb, 1984, S. 303-327
H. Lönnecker, Die Ahnenprobe und ihre
heraldisch-genealogischen Voraussetzungen, in: P. Rück
(Hrsg.), Mabillons Spur, 1992, S. 367-387
J. Schneider, Spätmittelalterlicher deutscher Niederadel,
2003
Update: http://www.rambow.de/deutsche-adelsproben.html
http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45028
Zum Vergleich dazu eine Preprint-Fassung meines Artikels
Klaus Graf, Ahnenprobe, in: Enzyklopädie der Neuzeit, hrsg. von Friedrich Jäger, Bd. 1, Stuttgart 2005, Sp. 146-148
Ahnenprobe
Die Ahnenprobe war der Nachweis oder die Darstellung der
Herkunft von vier, acht, sechzehn usw. adeligen Ahnen
(Adelsprobe). Die vor allem im deutschsprachigen Raum
bedeutsame Ahnenprobe war ein normatives Instrument der
Exklusion, das einen institutionellen oder
genossenschaftlichen Binnenraum gegen unerwünschte
Eindringlinge abschotten sollte. Bei der Ahnenprobe in Form
der "Aufschwörung" mussten die Probanden und Zeugen eidlich
die Herkunft (Adel und eheliche Geburt der Ahnen, oft
kombiniert mit weiteren Eigenschaften wie Stiftsmäßigkeit,
Angehörigkeit zur Reichsritterschaft oder zur deutschen
Nation) bekräftigen. So wehrten sich adelige Institutionen
wie Domstifte oder Korporationen wie Ritterorden gegen
Aufsteiger aus dem Bürgertum, insbesondere gegen den
Briefadel, gegen die Angehörigen städtischer Patriziate,
die als Stadtadelige Ebenbürtigkeit mit dem Landadel
anstrebten, oder gegen landfremde Adelige. Durch die
negative Sanktionierung von Mesalliancen (eine nicht
standesgemäße Heirat schadete den Nachkommen als Probanden
einer Ahnenprobe) diente sie zugleich der Wahrung
ständischer Homogenität.
Die von landsmannschaftlichen, ständischen oder familiären
Adelscliquen dominierten geistlichen Institutionen waren
mit ihren Pfründen "Spitäler des Adels" und somit als
Versorgungsressourcen in die aristokratische
Familienordnung eingebunden. Besonders rigide war die
ständische Abschließung der Domstifte Köln und Straßburg,
die dem Hochadel vorbehalten waren. Erasmus von Rotterdam
habe, so die Zimmerische Chronik, dazu bemerkt, Christus
selbst wäre in Straßburg nur mit Dispens aufgenommen
worden. Ritterschaftliche Familien beherrschten als
"Stiftsadel" die Domkapitel der "Pfaffengasse" an Rhein und
Main und die Domkapitel der westfälischen Hochstifte
Münster und Osnabrück. Trotz aller sozialen Abgrenzung gab
es aber noch in der frühen Neuzeit etwa in den bayerischen
Bistümern einen nennenswerten Anteil bürgerlicher Kanoniker
(so wie im Spätmittelalter in nord- und mitteldeutschen
Bistümern). Ahnenproben regelten nicht nur die
Zugehörigkeit zu den geistlichen Institutionen (Domkapitel,
Klöster und Stifte, Damenstifte, Deutscher Orden und
Johanniterorden usw.), die natürlich nach der Reformation
überwiegend katholisch waren, sie wurden auch zur
Abgrenzung landständischer Ritterschaften eingesetzt. So
wurden 1648 für die Aufnahme in die märkische Ritterschaft
acht adelige Ahnen verlangt. Ganerbschaften und
vergleichbare adelige Genossenschaften wie die
Burgmannenschaft der Reichsburg Friedberg bestanden
ebenfalls auf dem Nachweis adeliger Vorfahren. Ahnenproben
wahrten aber auch die Exklusivität adeliger Vereinigungen
ohne Versorgungsaspekt wie Turniergesellschaften,
Bruderschaften und höfischer Orden (z.B. des burgundischen
Ordens vom Goldenen Vlies). Begnügte man sich im 15.
Jahrhundert fast immer mit der Vierahnenprobe, so wurden in
der Frühen Neuzeit häufig acht oder gar 16 Ahnen gefordert
(z.B. im Deutschen Orden: 1606 acht, 1671 16 Ahnen).
Aufklärerische Adelskritik wandte sich vehement gegen die
von den geburtsadeligen Eliten durch die Ahnenprobe
bewirkte Verknöcherung der von ihnen kontrollierten
sozialen Systeme.
Wenig untersucht sind die nicht-adeligen Ahnenproben in
bürgerlichen und bäuerlichen Kreisen, mit der die
Abstammung von freien Vorfahren oder die ehrliche und
eheliche Herkunft nachgewiesen wurde. Handwerksmeister und
Gesellen legten gelegentlich auf eine genealogisch geprüfte
"Ehre" Wert.
Im erhaltenen Denkmalbestand sind vor allem die unzähligen
umfangreichen heraldischen Ahnenproben auf
ritterschaftlichen Grabmälern eindrucksvoll (für die
Anordnung der Wappen gab es eigene Konventionen). Auch hier
setzten sich erst im 16. Jahrhundert höhere Ahnenzahlen – acht,
16, 32 usw. - durch. Gelegentlich kam es auf solchen
Darstellungen zu verfälschenden "Ahnenkorrekturen". Nicht
weniger als 124 Ahnenwappen zählte eine Tapisserie, die
1619/20 von der niederösterreichischen Adeligen Katharina
von Volkensdorf und ihren Töchtern gewirkt wurde. Wie
Ahnenproben in das höfische Fest integriert wurden, illustrieren
einige der den Turnierrittern auf der jülichschen
Fürstenhochzeit 1585 vorangetragene Tafeln mit ihren
Ahnenproben (zu acht Ahnen) aus dem Stadtmuseum Düsseldorf.
Die Praxis der Ahnenprobe führte zu einer entsprechenden
Schriftlichkeit: Wappengeschmückte Urkunden und
Aufschwörbücher dokumentierten den Adelsnachweis in
repräsentativer Weise. Die Ahnenprobe erforderte mit der
Erstellung einer Ahnentafel genealogische Recherchen, und
dies sowie die Beweisproblematik inspirierte häufig
gelehrte "hilfswissenschaftliche" Studien. Genealogische
Forschungen profitierten von den in voluminösen Tafelwerken
abgedruckten Ahnenproben, etwa der Kompilation des
Benediktiners Gabriel Bucelin "Germania
topo-chronostemmato-graphica sacra et profana" (1655-1678).
Als Handbuch galt in der Spätzeit des Alten Reiches die
Schrift von Georg Estor "Praktische Anleitung zur Anenprobe" (Marburg 1750).
Auch in anderen europäischen Ländern gab es Ahnenproben (meist zu vier Ahnen), so im Frankreich des Ancien Régime, in dem es im 18. Jahrhundert unter dem Eindruck einer „réaction aristocratique“ zu einer starken Revitalisierung alter Adelswerte kam. Komparatistisch zu untersuchen wäre, wie
sich Ahnenprobenpraxis und andere Formen des
Adelsnachweises zueinander verhalten haben.
F.v.Klocke, Westdeutsche Ahnenproben feierlichster Form im
16., 17. und 18. Jahrhundert, 1940
W. Kundert, Reichsritterschaft und Reichskirche vornehmlich
in Schwaben 1555-1803, in: F. Quarthal (Hrsg.), Zwischen
Schwarzwald und Schwäbischer Alb, 1984, S. 303-327
H. Lönnecker, Die Ahnenprobe und ihre
heraldisch-genealogischen Voraussetzungen, in: P. Rück
(Hrsg.), Mabillons Spur, 1992, S. 367-387
J. Schneider, Spätmittelalterlicher deutscher Niederadel,
2003
Update: http://www.rambow.de/deutsche-adelsproben.html
KlausGraf - am Samstag, 13. Februar 2010, 01:21 - Rubrik: Landesgeschichte