http://www.digitalesammlung.staedelmuseum.de
Der erste Eindruck von der mit messianischen Hoffnungen begleiteten, heute freigeschalteten Objektdatenbank des Frankfurter Städel-Museums ist katastrophal. Die digitale Sammlung lässt sich auf meinem neuen Smartphone nicht benutzen! Da steht zwar dick BETA dran, aber bei 1,5 Mio. Euro Steuergeldern ist das ein no-go. Ich habe ein altes iPAD, auch da werde ich nicht vorgelassen, weder von Chrome (zu alter Browswer, obwohl die aktuellste Version, die es für das Betriebssystem des Tablets gibt) noch von Safari.
"Die "Digitale Kunstkammer" wurde in zwei Exzellenzprojekten mit 1,5 Millionen Euro vom Land Hessen gefördert und mit dem Forschungspreis der Hessischen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften ausgezeichnet."
http://m.echo-online.de/freizeit/kunstkultur/ausstellungen/frankfurt/Online-Angebote-im-Staedel-Auf-in-die-digitale-Kunstkammer;art606,6015775
Von Exzellenz oder Best Practice ist der Schrott weit entfernt.
Bei 600 Objekten und 1,5 Mio. entfallen auf das einzelne Objekt 2500 Euro.
Es gibt sehr viele Videos aber für Wissenschaftler ist die Objektdatenbank wertlos, da jegliche Literaturangaben zu den Stücken fehlen.
SUCHE
Es gibt keine Freitextsuche, der Besucher wird bevormundet, da er nur nach den Aspekten Bildelemente, Wirkung auf den Betrachter, Künstler-Bezug und Zeit suchen darf. [Korrektur: Es gibt die Freitextsuche, aber die Reiter suggerieren etwas anderes.]
Beschreibungstexte fehlen häufig, Erläuterungen sind in die natürlich nicht durchsuchbaren Audios/Videos verlagert. Es liegt auf der Hand, dass dies Retrieval für Arme bedeutet (angeblich sollten 100 Datenfelder für jedes Objekt ausgefüllt werden).
Wenn die Ausstellungsgeschichte detailliert erfasst wurde - wieso kann man dann nicht nach den Werken aus einer Ausstellung suchen?
Auch eine regionale Suche (z.B. Flandern) ist nicht möglich.
Nach Provenienzen kann nicht gesucht werden, was aber nicht schlimm ist, da Provenienzangaben leider fehlen!
AUFLÖSUNG
Die Auflösung ist gut, es gibt kein Wasserzeichen und die höchste Auflösung kann ohne weiteres heruntergeladen werden.
https://app.gwydyon.com/resources/museum/Staedel/images_hr/822_w.jpg
PERMALINK
Nicht vorhanden, als URL zeigt die Adresszeile immer nur die der Startseite.
Die Wiener Albertina bietet z.B. einen Permalink
http://archiv.twoday.net/stories/1022397299/
Oder das Rijksmuseum:
http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.245944
Permalink gehört zu meinen 7 Grundregeln für digitale Projekte:
http://archiv.twoday.net/stories/6315225/
NACHNUTZUNG
Es wird keine Nachnutzung ermöglicht, und bei gemeinfreien Werken ist der Eintrag unter Bildrechte (c) Städel-Museum natürlich reinster Copyfraud.
SHARING
Angeboten wird (neben der privaten Pinnwand nach Registrierung) Facebook, Twitter, Google+ und Pinterest - wieso nicht Tumblr oder andere?
Zum Vergleich sehe man die Sharing-Möglichkeiten in der Europeana.
Mein Test mit Google+ ergab, dass (anders als bei Facebook) kein objektspezifisches Vorschaubild erzeugt wird. Auch bei Twitter gibt es nur den Link zum Exponat.
FEEDBACKFUNKTION BEIM EINZELNEN OBJEKT
Nein! Es gibt auch keine öffentliche Kommentarfunktion.
WEB 2.0
Anders als etwa auf der vielgerühmten Plattform des Niederländischen Rijksmuseums
https://www.rijksmuseum.nl/en/explore-the-collection
ist es nicht möglich, öffentliche Objekte-Sets zusammenzustellen.
@Archivalia_kg bisschen übertriebene gamification, find' ich...
— bibliotheca altona (@BibAltonensis) 15. März 2015
Diesen Einwurf verstehe ich nicht. Spielerisch ist da nur wenig, sieht man von der Möglichkeit ab, Bilder mit der Stimmung "zärtlich" zu suchen. Es gibt keine Möglichkeit, mit oder ohne Artigo zu taggen.
Die "Bürgerstiftung" Städel legt gar keinen Wert auf einen Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern, auf wirkliches Web 2.0.
NUTZUNG VON NORMDATEN
[ICONCLASS wird teilweise eingesetzt, aber die Gruppen sind natürlich nicht suchbar.]
FAZIT: TEURER SCHROTT!
Zum Vergleich kann man sich ja etwa das nicht nur von Kohle hochgeschätzte Brooklyn-Museum anschauen: 108,746 records currently online, nicht nur 600 wie beim Städel.
http://www.brooklynmuseum.org/opencollection/objects/54980/Three_Bathers_on_the_Beach/set/d508c3a2adbdb874504ec2fd248d6008?referring-q=german
Was hätte man mit dem ganzen Geld nicht sinnvolles anstellen können! Eine Open-Souce-Software für deutsche Museen, um eigene Präsentationen und die Darstellung in der Europeana zu optimieren beispielsweise.
Museumsdatenbanken müssen wissenschaftlich und für die Nachnutzung Exzellenz bieten. Das Städel versagt diesbezüglich völlig, und die Zahl der Objekte ist verglichen mit anderen Museumsdatenbanken (insbesondere in den USA) absolut mickrig.
In großem Umfang Steuergelder zu verschwenden nur damit digitale Flaneure ein neues Spielzeug haben ist verantwortungslos. Das ist kein Museum des 21. Jahrhunderts, das ist ein Murkseum.
Positive Stimmen:
http://www.welt.de/kultur/kunst-und-architektur/article138416114/Deutschlands-erstes-Museum-fuer-das-21-Jahrhundert.html
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/200-jahre-staedel-museum-die-virtuelle-kunstparade-13477706.html
http://www.museumstraum.de/2015/03/12/das-staedel-laedt-zum-digitalen-flanieren-eine-preview/
http://blog.iliou-melathron.de/index.php/2015/03/die-exponateplattform-des-staedel/
http://openmuseum.de/der-digitale-flaneur-preview-zur-digitalen-exponate-plattform-des-stadel/
Usw.
KlausGraf - am Sonntag, 15. März 2015, 22:41 - Rubrik: Museumswesen
Silke Janßen (Gast) meinte am 2015/03/18 10:58:
Städel Digitale Sammlung
Sehr geehrter Herr Graf,soeben haben wir Ihren Beitrag auf archiv.twoday.net gelesen. Gestatten Sie uns die Möglichkeit auf einige darin skizzierte Punkte näher einzugehen, um Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, die Ausrichtung der Städel Digitalen Sammlung noch einmal zu verdeutlichen sowie Sie über künftig geplante Änderungen aufzuklären.
Vorneweg sei gesagt, dass wir am vergangen Sonntag eine Beta-Version der Exponate-Plattform an den Start gebracht haben. Auch um diese für Feedback, Anregungen und Verbesserungsvorschläge der Community zu öffnen. Hierzu findet sich ein entsprechender Hinweis im Impressum. In dieser Hinsicht sind wir natürlich über Ihren kritischen – wenn auch für unseren Geschmack etwas zu polemischen – Text dankbar.
Lassen Sie uns auf einige von Ihnen kritisierte Punkte genauer eingehen:
Bei der Entwicklung der Plattform und für eine bestmögliche Umsetzung des Konzepts des digitalen Schlenderns haben wir uns für die Beta Version auf die Desktop/Tablet-Darstellung konzentriert. Ein Hinweis für Smartphonenutzer, dass die Seite nicht für diese Geräte optimiert ist, fehlt, wird aber derzeit vorbereitet. Dies gilt auch für die verschiedenen Browser-Versionen, die Optimierung wird sukzessive für ältere Versionen vorgenommen.
Sie erwähnen in Ihrer Kritik einige Punkte, die uns bekannt sind, und an deren Behebung wir bereits arbeiten. Wie gesagt, wir haben eine Beta-Version veröffentlicht. Dies umfasst beispielsweise die zukünftige Anbindung zu der Bibliotheksplattform HeBIS, sodass Literaturangaben verknüpft werden können. Auch eine visuelle Verdeutlichung, dass eine Freitextsuche möglich ist, wird vorgenommen. Dies gilt ebenso für die Aufstockung der vorhandenen Daten zu den einzelnen Werken – zusätzliche Texte werden aufgenommen, auch werden die Provenienzdaten noch zugänglich gemacht. Permalinks finden sich bislang noch nicht, aber auch diese werden in der Version 1.1 möglich sein. Die Städel Digitale Sammlung wird kontinuierlich in ihrem Datenbestand ausgebaut, wir rechnen mit rund 1.500 Werken online bis Jahresende. Die oben genannten Funktionalitäten werden bis Herbst 2015 umgesetzt werden.
Ihre Anregungen, bei den Sharing Angeboten auch Tumblr anzubieten, nehmen wir gern auf. Es gibt natürlich weitere Social Media Kanäle, wir haben uns auf die gängigsten konzentriert.
Die Nutzer sind für uns wichtige Gesprächspartner um mit dem Feedback die Weiterentwicklung der Städel Digitalen Sammlung zu gestalten. Bereits in dieser Beta-Phase ist es möglich, anders als von Ihnen geschrieben, Alben zusammenzustellen.
Neben der assoziativen Verschlagwortung wurden die Werke nach Iconclass verschlagwortet, hiernach kann auch gesucht werden. Die Implementierung von Iconclass-Gruppen ist momentan nicht möglich, wir entwickeln derzeit auch hierfür eine Lösung. GND ist in unseren Konzeptionen berücksichtigt und wird künftig zum Einsatz kommen.
Wie Sie an unseren Ausführungen und der Städel Digitalen Sammlung sehen, ist es uns ein Anliegen, die Funktionalitäten kontinuierlich weiter zu entwickeln. Die digitale Erfassung der Werke nimmt viel Zeit in Anspruch, garantiert aber auch die Nachnutzung der Daten. Dieses umfassende Projekt findet mit dem eben erfolgten Launch der Seite nicht den Abschluss. Als gemeinnütziges Museum ist die Umsetzung und digitale Nutzbarmachung der Werke für uns ein sehr aufwendiges Unterfangen, bei dem wir auch um kollegiales Verständnis bitten, wenn die nun veröffentlichte Beta-Version noch nicht alle denkbaren Angebote von Beginn an bereit stellt.
Sie verweisen unter anderen auf die Kosten der Städel Digitalen Sammlung. Die 600 in der Städel Digitale Sammlung online zugänglichen Werke sind Teil des Gesamtprojekts – dies umfasst natürlich viel mehr, als die Verschlagwortung von 600 Werken. Zum Beispiel die Schaffung eines grundlegenden digitalen Sammlungsmanagements sowie die weiterführende Forschung und Entwicklung desselben. Ebenso wurde ein Server-Client-System erschaffen, der zukunftssicher ist und auch für den stetig anwachsenden Bestand an Datensätzen gerüstet ist: Nicht nur können mehrere Clienten denselben Datenbestand verarbeiten, sondern auch mehrere Datenbanken koexistieren und verknüpft werden. Natürlich lassen sich die Kosten eines derartigen Projektes nicht in der verkürzenden Formel: Gesamtkosten / Anzahl der Exponate ausrechen.
Die Benutzerfreundlichkeit mit konkreten Werkbezügen stand für uns bei der Entwicklung an zentraler Stelle. Hier setzt das Städel aber nicht nur auf das Ermöglichen des digitalen Schlenderns, sondern die Gestaltung und Programmierung einer umfassenden Datenbank mit ihren Schnittstellen sehen wir als zukunftsweisend an.
Mit vielen Grüßen aus dem Städel
Silke Janßen