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Über die Handschriften des 1471 gestorbenen Konstanzer Bürgers Gebhard Dacher unterrichtet im Überblick Wikisource.

https://de.wikisource.org/wiki/Gebhard_Dacher

Online sind die Konstanzer Chronik (Stiftsbibliothek St. Gallen 646), die Stuttgarter Handschrift HB V 22 und die Prager Richtental-Abschrift (Nationalbibliothek XVI A 17). Leider fehlt noch die Wolfenbütteler Handschrift.

Seit 2008 liegt die 2003 eingereichte Tübinger Dissertation von Sandra Wolff vor:

Sandra Wolff: Die ‘Konstanzer Chronik’ Gebhart Dachers. ‘By des Byschoffs zyten volgiengen disz nachgeschriben ding vund sachen . ..’. Codex Sangallensis 646: Edition und Kommentar. Ostfildern 2008 (mit der Synopse auf CD-ROM gut 900 Seiten).

Abgesehen von einer unergiebigen Erwähnung in einer Sammelbesprechung von Werken zum Konstanzer Konzil 2015

http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-23399

habe ich nur eine Besprechung von Harald Derschka ermittelt (Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 2011).

http://www.bodenseebibliotheken.de/page?vgeb-j2011-t-A323

Dieser lastet der Autorin sehr zu Recht übermäßige Ausführlichkeit an. Relevantes in der Einleitung werde unter "Bergen von Nullinformation" begraben, auch im Kommentar zum Text gehe "Masse vor Qualität". Das ist treffend, die extreme Geschwätzigkeit des Kommentars ist für mich schwer zu ertragen.

Eine einzige kritische Rezension ist viel zu wenig! Wolff hat in mehrfacher Hinsicht nicht Sinn und Zweck der heutigen Edition eines historiographischen Werks verstanden. Es geht überhaupt nicht an (wie dies etwa Sommer bei ihrer Edition von Sebastian Küng tat), auf eine Quellenanalyse zu verzichten und stattdessen die vom Chronisten dargestellten Fakten anhand von Sekundärliteratur zu kommentieren. Auch in der Einleitung ist sie an - mit wenigen Ausnahmen - an den Quellen desinteressiert. Man erfährt also in der Regel nicht, woher Dacher seine Kenntnisse hat. Auch wenn solche Informationen in der Sekundärliteratur erhoben wurden, denkt Wolff nicht daran, darauf hinzuweisen. So zitiert die gründliche Studie von Theodor Ludwig 1894 S. 220f.

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Die_Konstanzer_Geschichtschreibung_bis_zum_18._Jahrhundert.pdf

zu Schlacht bei Döffingen/Weil 1388 die Stelle in den Reutlinger-Kollektaneen und weiteres. Aber Wolff gibt diese wichtige Fundstelle S. 421 nicht an!

Zur Konstanzer Weltchronik

http://archiv.twoday.net/search?q=konstanzer+weltchronik
http://www.handschriftencensus.de/werke/2937

kennt Wolff den maßgeblichen Artikel von Birgit Studt im ²VL 2004 nicht. Die Geisslerprozession (abgebildet im kleinen Abbildungsteil, den man nach S. 382 nur bei genauer Durchsicht findet) geht sicher auf das entsprechende Bild der Konstanzer Weltchronik zurück, siehe Cgm 426

http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00009566/image_87

Im Sangallensis Dachers:

http://www.e-codices.unifr.ch/de/csg/0646/50r

Nichts dazu bei Wolff S. 228f., 365!

Da das Register allzu kärglich ausgefallen ist (es fehlen nicht nur Hinweise auf Wappen, was Derschka monierte), ist man gut beraten, in Google Books oder HathiTrust nach Begriffen zu suchen.

http://babel.hathitrust.org/cgi/pt/search?q1=%22konstanzer+weltchronik%22&id=mdp.39015079354901&view=image&seq=7
https://books.google.de/books?id=x2oMAQAAMAAJ

Wolffs übertriebene Transkriptionsgrundsätze erschweren die Lektüre und machen den Wortlaut ohne Normalisierungen schlichtweg unzitierbar. Selbst wenn es einen öffentlich zugänglichen E-Text gäbe, würde man dank dieser aus dem Ruder gelaufenen Pseudo-Akribie nichts finden. Die Edition ist daher eine Insel, nicht digital nachnutzbar. Siehe dazu

http://archiv.twoday.net/stories/230198

Auf der beigefügten CD-ROM gibt es leider keinen Gesamttext (obwohl ein normalisierter E-Text von großem Wert wäre), sondern vor allem eine Synopse der drei Überlieferungszeugen, soweit die beiden anderen (Stuttgart und Wien) reichen.

Eine winzige Textprobe Bl. 2ra (fett verwendet die Autorin für die Rubrizierung):

Der zyt als man von si- | ner gepurt zalt
zwaÿ= | hundert vnd süben jar
|
do ist costentz nit anders | gewesen
dan(n) als yetz der | prediger closter
stat, vn(d) | ist gewesen ain vestin vn(d) | was
ain geiaid des Ro+em | schen küngs kayser
[o+e = e über o]

Im Handschriftencensus ist die Arbeit von Wolff bis heute nicht vermerkt, ebensowenig der 2007 vorgenommene Nachweis in Wikisource, dass die Chronik einen unbeachteten Drakula-Text enthält. Ausführlicher dazu:

http://archiv.twoday.net/stories/6506427/

1984 hatte ich Dieter Harmening brieflich auf diesen Text hingewiesen, 2008 publizierte dann William Layher den Befund, ohne auf Wikisource Bezug zu nehmen. In der 2003 eingereichten Dissertation widmet sich Wolff ausführlich dem Zusammenhang der Drakula-Texte (S. 203-209). Die Druckfassung von 2008 nimmt von Wikisource 2007 keine Notiz.

Hinzuweisen ist auch auf den Nachweis, dass Dachers Chronik auf Bl. 100r einen kurzen Auszug aus dem 'Elsässischen Trojabuch' (früher: Buch von Troja I) enthält (S. 200-203). Nicht im Handschriftencensus:

http://www.handschriftencensus.de/werke/852

S. 430 kommentiert die Autorin die abschließende Bitte der Reutlinger, dass die Adressaten nach ihrem Ermessen den Bericht ivon der Schlacht 1377 ins Stadtbuch eintragen sollen, unsinnigerweise mit den abwegigen Erwägungen von Jacobsen 1882 ("Unzartheit"). Zur Traditionsbildung zu dieser Schlacht siehe auch

http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/8758/ (S. 214f.)

Diese Hinweise sollten zur Einordnung der Arbeit von Wolff genügen. Eine Chance wurde vertan!

#forschung

Jan Keupp (Gast) meinte am 2015/04/10 21:02:
Ich möchte doch eine Lanze für diese Edition brechen: Zugegeben, der Text ist tatsächlich "unzitierbar", die von Ihnen gebotene Textprobe stellt keine Ausnahme dar, sondern repräsentiert bedauerlicherweise die Regel. Gleichfalls stimme ich absolut zu, dass die Quellen des Werkes und die Art ihrer Verarbeitung durch den Autor im Apparat sichtbar werden sollten. Das Fortlassen der Wappen scheint ebenso schwer verzeihlich.

Dennoch: Es handelt sich um eine Dissertation von weit überdurchnittlicher Akribie. Die Verfasserin hat sich tief in die Materie eingearbeitet und der "geschwätzige" Kommentar lässt ein profundes Detailwissen erkennen. Zugleich freut es mich immer, wenn Editionen als Qualifikationsleistungen anerkannt werden - es gibt hier leider durchaus abweichende Ansichten. Hier wurde ein Desiderat der Forschung richtig erkannt und behoben. Jede Edition ist letztlich besser als keine Edition.

Zum Register: Ich hatte bei der Benutzung in der Regel auch ein google-books Fenster offen. Das handhabe ich aber bei anderen Werken ähnlich. 
 

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