Deutscher Humanismus 1480-1520. Verfasserlexikon. Hrsg. von Franz Josef Worstbrock. Bd. 3: Nachträge, Addenda und Corrigenda. Register. Berlin/München/Boston: De Gruyter 2015. 361 S. 119.95 Euro.
"Ein Register ohne Buch hat mir manchmal genützt, ein Buch ohne Register nie." An dieses Diktum, das Ludwig Reiners Thomas Carlyle zuschreibt, fühlt sich erinnert, wer den vergleichsweise schmalen, nicht gerade als wohlfeil zu bezeichnenden dritten Band des Humanismus-Verfasserlexikons (Worstbrock schlägt als Abkürzung HumVL vor) separat sein eigen nennen darf. Denn der ganz vom Herausgeber verfasste Band besteht fast ausschließlich aus dem Register.
Es gibt zwei - gewohnt vorzügliche Artikel - zum Augsburger Humanisten Konrad Peutinger (Sp. 1-32) und zu dem weniger bekannten Ingolstädter Theologen Georg Zingel, bekanntgeworden als Widersacher Jakob Lochers (Sp. 32-36). Zu einigen Artikeln
Arnoldi, Bartholomäus von Usingen
Aucuparius, Thomas
Danhauser, Peter
Gallinarius, Johannes
Kitzscher, Johannes von
Marschalk von Pappenheim, Matthäus
Sibutus, Georg
Stamler, Johannes
Suchten, Christoph von
Tritonius, Petrus
Wimpfeling, Jakob
bringt Worstbrock (Sp. 37-42) meist kleinere Nachträge und Korrekturen. Dass diese ohne Kontakt zu den jeweiligen Verfassern verfasst worden, finde ich nach wie vor irritierend.
http://archiv.twoday.net/stories/1022387865/
Zu meinem Artikel über Matthäus Marschalk von Pappenheim
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:25-opus-87592
ergänzt W. ein eher belangloses Detail, zugleich eine (unnötig) schallende Ohrfeige für Martin Ott, über dessen Studie zum Umgang mit der römischen Vergangenheit im Renaissance-Humanismus ich mich kritisch in der ZGO geäußert habe.
http://archiv.twoday.net/stories/219045535/
Bd. 2, Sp. 207 Punkt 5 b) erwähnte ich - auf Ott fußend - die kleine Inschriften-Sylloge Pappenheims im auch online verfügbaren Cgm 7249, Bl. 133v-135v.
http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00009573/image_266
Sie umfasse, führt W. nun aus, 17 Stücke, davon zwei aus Peutingers Sammlung, drei aus Mailand, acht aus Brixia (Brixen oder Brescia). Otts Mitteilungen S. 115 zu ihr seien "nahezu gänzlich verfehlt". So sei auch die fingierte Statthalter-Inschrift, anders als Ott angibt, hier nicht zu finden. Vor lauter Wut über Otts Unfähigkeit hat W. vergessen, nach Brixia zu recherchieren, was nicht sonderlich schwer gewesen wäre, denn das W. möglicherweise unbekannte Rechercheinstrument des Internets hilft auch jenen, denen San Salvatore in Brescia nicht vertraut ist. Die von Pappenheim abgezeichnete Inschrift für P. Clodius stammt in der Tat aus Brescia.
https://books.google.de/books?id=aWc54HBHWmwC&pg=PA283
Pappenheim promovierte 1482 in Perugia und ist zuvor auch in Ferrara zu belegen.
http://archiv.twoday.net/stories/235545054/
Vermutlich hat er die oberitalienischen Inschriften während seines Studiums selbst zusammengetragen.
Statt sich über Ott zu ärgern, hätte W. lieber die 2009 erschienene Monographie von Schauerte nachtragen sollen. Was es sonst Neues zu dem Augsburger Kanoniker gibt, habe ich in Archivalia zusammengestellt.
http://archiv.twoday.net/search?q=matth%C3%A4us+pappenheim
Den wichtigsten Neufund im März 2014 habe ich noch nicht ausführlicher präsentiert, die autornahe Handschrift "De imperio Romano" im Düsseldorfer Heine-Institut HH 100.
Das HumVL ist trotz der von W. in seinem Nachwort beklagten überlangen Bearbeitungszeit (seit 2002) ohne jeden Zweifel ein großartiges Nachschlagewerk, mit dem sich W. als Herausgeber ein bleibendes Monument gesetzt hat. Soweit ich das beurteilen kann, gibt es nur wenige schwächere Artikel (z.B. zu Boemus). W. hat uneigennützig den Autoren wertvolle Hinweise zur Verfügung gestellt, wie ich aus eigener Erfahrung weiß (in meinem Fall die Bezeugung Pappenheims in Ferrara). Auf besonders hohem Niveau sind auch die von dem zu früh verstorbenen Freiburger Mediävisten Dieter Mertens bearbeiteten Beiträge.
Leider weisen die Register in Bd. 3 Mängel auf. Es gibt drei Register: 1. für antike Personen, 2. für nachantike Personen, 3. ein Sachregister. Auch in der Zeit der Volltextsuche - das Werk wird leider nur im Rahmen der Verfasserdatenbank vom Verlag als Ebook angeboten, d.h. ohne genau zitierbares Faksimile - bin ich ein großer Anhänger guter Register.
Ein Register zu Personen aus der Zeit des Renaissance-Humanismus sollte ausnahmslos alle Personennennungen erfassen. W. hat sich aber, wie Stichproben zeigten, auf eine Auswahl beschränkt, ohne dass mir das Prinzip der Aufnahme klar geworden ist.
Die akribischen Ermittlungen im Artikel zu Jakob Locher zu handschriftlich überlieferten Gedichten und Briefen werden entwertet, wenn die dort genannten Personen nicht im Register erscheinen. Das ist der Fall bei Graf Felix von Werdenberg (Stelle II, 63 vorhanden; II, 77 fehlt), Peutinger (es fehlt II, 77), Zasius (II, 77, 80), Joh. Stockar (II, 78; er wird nur bei Reuchlin II, 602 erwähnt), Joh. Vetter (II, 78, 80), Peter Schletel (II, 82 gedruckter Widmungsbrief erfasst, nicht aber handschriftliches Epigramm an ihn), Abt Radenecker (II, 79), Paul Hirschbeck ist aber eigenartigerweise vorhanden (II, 79), Abt Erasmus Münzer fehlt wieder (II, 79), ebenso Tolkopf (II, 80). Bei Peter Burckard lies statt II, 820 II, 82.
Auch in anderen Artikeln vermisse ich Personennamen, etwa II, 10 Holl; II, 11 Thamm.
Über ein Sachregister (Sp. 301-360) kann man natürlich endlos streiten. Es ist als Erschließung des reichen Stoffs hochwillkommen. Allerdings bin ich überzeugt, dass W. Besseres hätte leisten können. Es ist ratsam, sich das ganze Register durchzulesen, da an Querverweisen gespart wurde. Bei Geschichtsschreibung kommt an Querverweisen mindestens dazu: Ereignisdichtung, Genealogien, Geschichtsepik, Historisch-politische Schriften, Zeitgeschichtliche Epik, Zeitgeschichtliche kleinere Gedichte (diese hätten auch bei "Gedichte" einen Querverweis erhalten müssen). Zu Chronik und Historiographie existiert gar kein Eintrag. Bei Stammesgeschichte fehlt der Hinweis auf das Lemma Schwaben (und auf das Elsaß).
Wieso gibt es ein Lemma "Erbfolgekrieg, bayer.", aber nicht eines zu den Burgunderkriegen? Siehe etwa im Personenregister Hagenbach und
https://de.wikisource.org/wiki/Burgunderkriege#Sebastian_Murrho_der_.C3.84ltere
Die Beispiele könnten leicht vermehrt werden. Längst liegt mit der Praxis der französischen Archivinventare registertechnisch eine elegante Möglichkeit vor, Sachbegriffe in Art eines kleinen Thesaurus zu gruppieren: "Tableaux méthodiques de mots-matières en tête des index alphabétiques" (Himly). Bedauerlich ist, dass W. auf ein Ortsregister verzichtet hat und dass für die anderen Registertypen des ²VL (Handschriftenregister, Druckregister usw.) keine Ressourcen zur Verfügung standen.
Wer nun erwartet, ich würde angesichts der - trotz meiner Mäkeleien an Bd. 3 - außerordentlich hohen Qualität dieses Lexikons einmal auf den obligaten Hinweis, dass die Zukunft Open-Access-Nachschlagewerken gehört, verzichten, hat sich getäuscht. Die Argumente habe ich schon so oft vorgetragen, dass der Hinweis auf
http://ordensgeschichte.hypotheses.org/3104
genügen mag. Gerade bei einem Lexikon wie dem HumVL, bei dem die Heuristik und weniger die Interpretation der Texte im Vordergrund steht, ist es im Sinne wissenschaftlichen Fortschritts unverzichtbar, Bibliographien wie das VD 16, Normdaten (GND!) sowie Digitalisate verlinken zu können.
"Ein Register ohne Buch hat mir manchmal genützt, ein Buch ohne Register nie." An dieses Diktum, das Ludwig Reiners Thomas Carlyle zuschreibt, fühlt sich erinnert, wer den vergleichsweise schmalen, nicht gerade als wohlfeil zu bezeichnenden dritten Band des Humanismus-Verfasserlexikons (Worstbrock schlägt als Abkürzung HumVL vor) separat sein eigen nennen darf. Denn der ganz vom Herausgeber verfasste Band besteht fast ausschließlich aus dem Register.
Es gibt zwei - gewohnt vorzügliche Artikel - zum Augsburger Humanisten Konrad Peutinger (Sp. 1-32) und zu dem weniger bekannten Ingolstädter Theologen Georg Zingel, bekanntgeworden als Widersacher Jakob Lochers (Sp. 32-36). Zu einigen Artikeln
Arnoldi, Bartholomäus von Usingen
Aucuparius, Thomas
Danhauser, Peter
Gallinarius, Johannes
Kitzscher, Johannes von
Marschalk von Pappenheim, Matthäus
Sibutus, Georg
Stamler, Johannes
Suchten, Christoph von
Tritonius, Petrus
Wimpfeling, Jakob
bringt Worstbrock (Sp. 37-42) meist kleinere Nachträge und Korrekturen. Dass diese ohne Kontakt zu den jeweiligen Verfassern verfasst worden, finde ich nach wie vor irritierend.
http://archiv.twoday.net/stories/1022387865/
Zu meinem Artikel über Matthäus Marschalk von Pappenheim
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:25-opus-87592
ergänzt W. ein eher belangloses Detail, zugleich eine (unnötig) schallende Ohrfeige für Martin Ott, über dessen Studie zum Umgang mit der römischen Vergangenheit im Renaissance-Humanismus ich mich kritisch in der ZGO geäußert habe.
http://archiv.twoday.net/stories/219045535/
Bd. 2, Sp. 207 Punkt 5 b) erwähnte ich - auf Ott fußend - die kleine Inschriften-Sylloge Pappenheims im auch online verfügbaren Cgm 7249, Bl. 133v-135v.
http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00009573/image_266
Sie umfasse, führt W. nun aus, 17 Stücke, davon zwei aus Peutingers Sammlung, drei aus Mailand, acht aus Brixia (Brixen oder Brescia). Otts Mitteilungen S. 115 zu ihr seien "nahezu gänzlich verfehlt". So sei auch die fingierte Statthalter-Inschrift, anders als Ott angibt, hier nicht zu finden. Vor lauter Wut über Otts Unfähigkeit hat W. vergessen, nach Brixia zu recherchieren, was nicht sonderlich schwer gewesen wäre, denn das W. möglicherweise unbekannte Rechercheinstrument des Internets hilft auch jenen, denen San Salvatore in Brescia nicht vertraut ist. Die von Pappenheim abgezeichnete Inschrift für P. Clodius stammt in der Tat aus Brescia.
https://books.google.de/books?id=aWc54HBHWmwC&pg=PA283
Pappenheim promovierte 1482 in Perugia und ist zuvor auch in Ferrara zu belegen.
http://archiv.twoday.net/stories/235545054/
Vermutlich hat er die oberitalienischen Inschriften während seines Studiums selbst zusammengetragen.
Statt sich über Ott zu ärgern, hätte W. lieber die 2009 erschienene Monographie von Schauerte nachtragen sollen. Was es sonst Neues zu dem Augsburger Kanoniker gibt, habe ich in Archivalia zusammengestellt.
http://archiv.twoday.net/search?q=matth%C3%A4us+pappenheim
Den wichtigsten Neufund im März 2014 habe ich noch nicht ausführlicher präsentiert, die autornahe Handschrift "De imperio Romano" im Düsseldorfer Heine-Institut HH 100.
Das HumVL ist trotz der von W. in seinem Nachwort beklagten überlangen Bearbeitungszeit (seit 2002) ohne jeden Zweifel ein großartiges Nachschlagewerk, mit dem sich W. als Herausgeber ein bleibendes Monument gesetzt hat. Soweit ich das beurteilen kann, gibt es nur wenige schwächere Artikel (z.B. zu Boemus). W. hat uneigennützig den Autoren wertvolle Hinweise zur Verfügung gestellt, wie ich aus eigener Erfahrung weiß (in meinem Fall die Bezeugung Pappenheims in Ferrara). Auf besonders hohem Niveau sind auch die von dem zu früh verstorbenen Freiburger Mediävisten Dieter Mertens bearbeiteten Beiträge.
Leider weisen die Register in Bd. 3 Mängel auf. Es gibt drei Register: 1. für antike Personen, 2. für nachantike Personen, 3. ein Sachregister. Auch in der Zeit der Volltextsuche - das Werk wird leider nur im Rahmen der Verfasserdatenbank vom Verlag als Ebook angeboten, d.h. ohne genau zitierbares Faksimile - bin ich ein großer Anhänger guter Register.
Ein Register zu Personen aus der Zeit des Renaissance-Humanismus sollte ausnahmslos alle Personennennungen erfassen. W. hat sich aber, wie Stichproben zeigten, auf eine Auswahl beschränkt, ohne dass mir das Prinzip der Aufnahme klar geworden ist.
Die akribischen Ermittlungen im Artikel zu Jakob Locher zu handschriftlich überlieferten Gedichten und Briefen werden entwertet, wenn die dort genannten Personen nicht im Register erscheinen. Das ist der Fall bei Graf Felix von Werdenberg (Stelle II, 63 vorhanden; II, 77 fehlt), Peutinger (es fehlt II, 77), Zasius (II, 77, 80), Joh. Stockar (II, 78; er wird nur bei Reuchlin II, 602 erwähnt), Joh. Vetter (II, 78, 80), Peter Schletel (II, 82 gedruckter Widmungsbrief erfasst, nicht aber handschriftliches Epigramm an ihn), Abt Radenecker (II, 79), Paul Hirschbeck ist aber eigenartigerweise vorhanden (II, 79), Abt Erasmus Münzer fehlt wieder (II, 79), ebenso Tolkopf (II, 80). Bei Peter Burckard lies statt II, 820 II, 82.
Auch in anderen Artikeln vermisse ich Personennamen, etwa II, 10 Holl; II, 11 Thamm.
Über ein Sachregister (Sp. 301-360) kann man natürlich endlos streiten. Es ist als Erschließung des reichen Stoffs hochwillkommen. Allerdings bin ich überzeugt, dass W. Besseres hätte leisten können. Es ist ratsam, sich das ganze Register durchzulesen, da an Querverweisen gespart wurde. Bei Geschichtsschreibung kommt an Querverweisen mindestens dazu: Ereignisdichtung, Genealogien, Geschichtsepik, Historisch-politische Schriften, Zeitgeschichtliche Epik, Zeitgeschichtliche kleinere Gedichte (diese hätten auch bei "Gedichte" einen Querverweis erhalten müssen). Zu Chronik und Historiographie existiert gar kein Eintrag. Bei Stammesgeschichte fehlt der Hinweis auf das Lemma Schwaben (und auf das Elsaß).
Wieso gibt es ein Lemma "Erbfolgekrieg, bayer.", aber nicht eines zu den Burgunderkriegen? Siehe etwa im Personenregister Hagenbach und
https://de.wikisource.org/wiki/Burgunderkriege#Sebastian_Murrho_der_.C3.84ltere
Die Beispiele könnten leicht vermehrt werden. Längst liegt mit der Praxis der französischen Archivinventare registertechnisch eine elegante Möglichkeit vor, Sachbegriffe in Art eines kleinen Thesaurus zu gruppieren: "Tableaux méthodiques de mots-matières en tête des index alphabétiques" (Himly). Bedauerlich ist, dass W. auf ein Ortsregister verzichtet hat und dass für die anderen Registertypen des ²VL (Handschriftenregister, Druckregister usw.) keine Ressourcen zur Verfügung standen.
Wer nun erwartet, ich würde angesichts der - trotz meiner Mäkeleien an Bd. 3 - außerordentlich hohen Qualität dieses Lexikons einmal auf den obligaten Hinweis, dass die Zukunft Open-Access-Nachschlagewerken gehört, verzichten, hat sich getäuscht. Die Argumente habe ich schon so oft vorgetragen, dass der Hinweis auf
http://ordensgeschichte.hypotheses.org/3104
genügen mag. Gerade bei einem Lexikon wie dem HumVL, bei dem die Heuristik und weniger die Interpretation der Texte im Vordergrund steht, ist es im Sinne wissenschaftlichen Fortschritts unverzichtbar, Bibliographien wie das VD 16, Normdaten (GND!) sowie Digitalisate verlinken zu können.
KlausGraf - am Freitag, 21. August 2015, 14:41 - Rubrik: Geschichtswissenschaft