Aus INETBIB:
Müller, Harald wrote:
> Lieber Herr Stäcker!
>
> Dazu gibt es bereits eine Stellungnahme des DBV:
>
>
http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/positionen/2012_07_06_dbv_Stellungnahme_PSI-Richtlinie.pdf
>
Eine verlogene und miese Stellungnahme, die genau auf einer
Linie steht mit der allgemein gaengigen Praxis von
Copyfraud in Bibliotheken. Ich habe mich in Archivalia seit
vielen Jahren mit der Weiterverwendung oeffentlicher Daten
befasst und mir leuchtete die Ausnahme fuer Archive,
Bibliotheken und Museen ueberhaupt nicht ein. Der DBV
schlaegt hier wieder Open Access ins Gesicht, denn es geht
im Kern um Open Data, die - ebenso wie die Wikipedia - zu
beliebigen, auch kommerziellen Zwecken nutzbar sein sollte.
Es darf daran erinnert werden, was der DBV am 22.10.2003
als einer der Erstunterzeichner der Berliner Erklaerung
fuer Open Access unterschrieben hat:
"In accordance with the spirit of the Declaration of the
Budapest Open Acess Initiative, the ECHO Charter and the
Bethesda Statement on Open Access Publishing, we have
drafted the Berlin Declaration to promote the Internet as a
functional instrument for a global scientific knowledge
base and human reflection and to specify measures which
research policy makers, research institutions, funding
agencies, libraries, archives and museums need to
consider."
Open Access gilt also bewusst auch fuer Kulturgueter bzw.
deren Reproduktionen, und die Bezugnahme auf die ECHO
Charter sollte auch nicht uebersehen werden:
http://echo.mpiwg-berlin.mpg.de/policy/oa_basics/charter
In der Berliner Erklaerung heisst es:
"Open access contributions include original scientific
research results, raw data and metadata, source materials,
digital representations of pictorial and graphical
materials and scholarly multimedia material."
Herr Mueller kann mir sicher erklaeren, wo bitteschoen der
gesetzliche Auftrag der Bibliotheken normativ verankert
ist, Benutzer mit uebertriebener Bildrechte-Abzocke zu
schikanieren oder die Nutzung gemeinfreier Werke zu
kontrollieren.
Der Vorschlag "Museums, libraries and archives may deny any
request for re-use on the grounds that the
intended form of re-use would be inconsistent with
professional conservation or the cultural,
scientific, religious or historical value of a document."
laeuft auf eine klare Zensur hinaus, fuer die es im
Grundgesetz (Art. 5 GG) und im Urheberrecht keinerlei
Rechtsgrundlage gibt.
Herr Mueller soll mir doch bitte in seinem Buch zu den
Rechtsfragen rund um Nachlaesse oder in
bibliotheksrechtlichen Standardwerken nachweisen, woraus
sich die Kontrolle der Nachnutzung juristisch ableitet. Es
ist nicht die Aufgabe der kulturgutverwahrenden
Institutionen, in die Nachnutzung von
Editionen/Reproduktionen (nur Editionen/Reproduktionen
koennen "nachgenutzt" werden) regulierend einzugreifen. Es
war aus meiner Sicht eine Sternstunde des
Bibliotheksrechts, als Gödan 1994 (also vor bald 20 Jahren)
im BD alte Zoepfe abschnitt, wobei auch ich mich in der
darauf folgenden Diskussion im BD geaeussert habe:
http://deposit.ddb.de/ep/netpub/89/96/96/967969689/_data_stat/www.dbi-berlin.de/dbi_pub/einzelth/rechtpub/re_pu_00.htm
Im Rahmen oeffentlichrechtlicher Nutzung koennen
Handschriftenabteilungen nicht regulieren, wer Stuecke aus
ihrem Bestand veroeffentlichen darf. Dass solche Vorgaben
auch wissenschaftsethisch unsinnig sind, hat die
Monographie von Joseph L. Sax 1999 gezeigt:
http://archiv.twoday.net/search?q=sax+rembrandt
"Wenn etwa der wissenschaftliche Leiter eines
Hochschularchivs im Rahmen
seiner Diensttätigkeit einen Aufsatz über eines „seiner“
Sammlungsobjekte verfasst, hätte er künftig
kaum noch eine Möglichkeit, diesen Aufsatz in einem
Fachjournal zu veröffentlichen. Nahezu alle
wissenschaftlichen Verlage verlangen die Einräumung von
Exklusivrechten bis zum Erlöschen der
Urheberrechte." Das ist voelliger Unsinn und widerspricht
auch libre Open Access, wie er vor allem mit CC-BY
realisiert wird. Ich habe als Hochschularchivar der RWTH
Aachen im Februar 2012 weltweit den ersten
Wissenschaftlernachlass uebernommen, der von den Erben
komplett unter CC-BY gestellt wurde und sehe das durchaus
als Modell an, das sich auch fuer Bibliotheken anbietet.
"Zu den
Aufgaben der Bibliothek gehört auch die würdige
Präsentation dieses Stücks Weltkulturerbe. Der
internationale Ruf der Einrichtung ist wesentlich auf diese
Sammlung gegründet. Wenn nun künftig
Leibniz-Handschriften zur Dekoration beispielsweise von
Keksverpackungen verwendet würden,
würde dies mindestens den Status der Leibniz-Briefe als
UNESCO-Weltkulturerbe ernsthaft
gefährden, denn die UNESCO-Richtlinien berücksichtigen auch
eine dem kulturellen Wert
angemessene Vermarktung. " Da § 64 UrhG als Bundesrecht die
Gemeinfreiheit von Leibniz-Handschriften vorschreibt, kann
jeder mit ihnen anstellen, was er moechte, ob das
irgendwelchen Bibliotheksdirektoren gefaellt oder nicht.
Auch die Charta der Europeana geht davon aus, dass
digitalisierte Kultuergueter in der Public Domain auch als
Digitalisate Public Domain bleiben:
http://pro.europeana.eu/c/document_library/get_file?uuid=232395e5-0d02-402c-9d1d-5fc584e7fb69&groupId=10602
Ein irgendwie gearteter immaterialgueterrechtlicher
Sonderschutz aufgrund Landesrechts existiert NICHT. Siehe
zum Ganzen auch meinen Aufsatz "Die Public Domain und die
Archive":
http://archiv.twoday.net/stories/6164988/
Klaus Graf
Update: Weitere kritische Stellungnahmen in INETBIB
http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/date1.html
und lesenswert von Louise Rumpf (BSB)
https://plus.google.com/u/0/112106557394814935278/posts/PToVFMuewMh
Müller, Harald wrote:
> Lieber Herr Stäcker!
>
> Dazu gibt es bereits eine Stellungnahme des DBV:
>
>
http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/positionen/2012_07_06_dbv_Stellungnahme_PSI-Richtlinie.pdf
>
Eine verlogene und miese Stellungnahme, die genau auf einer
Linie steht mit der allgemein gaengigen Praxis von
Copyfraud in Bibliotheken. Ich habe mich in Archivalia seit
vielen Jahren mit der Weiterverwendung oeffentlicher Daten
befasst und mir leuchtete die Ausnahme fuer Archive,
Bibliotheken und Museen ueberhaupt nicht ein. Der DBV
schlaegt hier wieder Open Access ins Gesicht, denn es geht
im Kern um Open Data, die - ebenso wie die Wikipedia - zu
beliebigen, auch kommerziellen Zwecken nutzbar sein sollte.
Es darf daran erinnert werden, was der DBV am 22.10.2003
als einer der Erstunterzeichner der Berliner Erklaerung
fuer Open Access unterschrieben hat:
"In accordance with the spirit of the Declaration of the
Budapest Open Acess Initiative, the ECHO Charter and the
Bethesda Statement on Open Access Publishing, we have
drafted the Berlin Declaration to promote the Internet as a
functional instrument for a global scientific knowledge
base and human reflection and to specify measures which
research policy makers, research institutions, funding
agencies, libraries, archives and museums need to
consider."
Open Access gilt also bewusst auch fuer Kulturgueter bzw.
deren Reproduktionen, und die Bezugnahme auf die ECHO
Charter sollte auch nicht uebersehen werden:
http://echo.mpiwg-berlin.mpg.de/policy/oa_basics/charter
In der Berliner Erklaerung heisst es:
"Open access contributions include original scientific
research results, raw data and metadata, source materials,
digital representations of pictorial and graphical
materials and scholarly multimedia material."
Herr Mueller kann mir sicher erklaeren, wo bitteschoen der
gesetzliche Auftrag der Bibliotheken normativ verankert
ist, Benutzer mit uebertriebener Bildrechte-Abzocke zu
schikanieren oder die Nutzung gemeinfreier Werke zu
kontrollieren.
Der Vorschlag "Museums, libraries and archives may deny any
request for re-use on the grounds that the
intended form of re-use would be inconsistent with
professional conservation or the cultural,
scientific, religious or historical value of a document."
laeuft auf eine klare Zensur hinaus, fuer die es im
Grundgesetz (Art. 5 GG) und im Urheberrecht keinerlei
Rechtsgrundlage gibt.
Herr Mueller soll mir doch bitte in seinem Buch zu den
Rechtsfragen rund um Nachlaesse oder in
bibliotheksrechtlichen Standardwerken nachweisen, woraus
sich die Kontrolle der Nachnutzung juristisch ableitet. Es
ist nicht die Aufgabe der kulturgutverwahrenden
Institutionen, in die Nachnutzung von
Editionen/Reproduktionen (nur Editionen/Reproduktionen
koennen "nachgenutzt" werden) regulierend einzugreifen. Es
war aus meiner Sicht eine Sternstunde des
Bibliotheksrechts, als Gödan 1994 (also vor bald 20 Jahren)
im BD alte Zoepfe abschnitt, wobei auch ich mich in der
darauf folgenden Diskussion im BD geaeussert habe:
http://deposit.ddb.de/ep/netpub/89/96/96/967969689/_data_stat/www.dbi-berlin.de/dbi_pub/einzelth/rechtpub/re_pu_00.htm
Im Rahmen oeffentlichrechtlicher Nutzung koennen
Handschriftenabteilungen nicht regulieren, wer Stuecke aus
ihrem Bestand veroeffentlichen darf. Dass solche Vorgaben
auch wissenschaftsethisch unsinnig sind, hat die
Monographie von Joseph L. Sax 1999 gezeigt:
http://archiv.twoday.net/search?q=sax+rembrandt
"Wenn etwa der wissenschaftliche Leiter eines
Hochschularchivs im Rahmen
seiner Diensttätigkeit einen Aufsatz über eines „seiner“
Sammlungsobjekte verfasst, hätte er künftig
kaum noch eine Möglichkeit, diesen Aufsatz in einem
Fachjournal zu veröffentlichen. Nahezu alle
wissenschaftlichen Verlage verlangen die Einräumung von
Exklusivrechten bis zum Erlöschen der
Urheberrechte." Das ist voelliger Unsinn und widerspricht
auch libre Open Access, wie er vor allem mit CC-BY
realisiert wird. Ich habe als Hochschularchivar der RWTH
Aachen im Februar 2012 weltweit den ersten
Wissenschaftlernachlass uebernommen, der von den Erben
komplett unter CC-BY gestellt wurde und sehe das durchaus
als Modell an, das sich auch fuer Bibliotheken anbietet.
"Zu den
Aufgaben der Bibliothek gehört auch die würdige
Präsentation dieses Stücks Weltkulturerbe. Der
internationale Ruf der Einrichtung ist wesentlich auf diese
Sammlung gegründet. Wenn nun künftig
Leibniz-Handschriften zur Dekoration beispielsweise von
Keksverpackungen verwendet würden,
würde dies mindestens den Status der Leibniz-Briefe als
UNESCO-Weltkulturerbe ernsthaft
gefährden, denn die UNESCO-Richtlinien berücksichtigen auch
eine dem kulturellen Wert
angemessene Vermarktung. " Da § 64 UrhG als Bundesrecht die
Gemeinfreiheit von Leibniz-Handschriften vorschreibt, kann
jeder mit ihnen anstellen, was er moechte, ob das
irgendwelchen Bibliotheksdirektoren gefaellt oder nicht.
Auch die Charta der Europeana geht davon aus, dass
digitalisierte Kultuergueter in der Public Domain auch als
Digitalisate Public Domain bleiben:
http://pro.europeana.eu/c/document_library/get_file?uuid=232395e5-0d02-402c-9d1d-5fc584e7fb69&groupId=10602
Ein irgendwie gearteter immaterialgueterrechtlicher
Sonderschutz aufgrund Landesrechts existiert NICHT. Siehe
zum Ganzen auch meinen Aufsatz "Die Public Domain und die
Archive":
http://archiv.twoday.net/stories/6164988/
Klaus Graf
Update: Weitere kritische Stellungnahmen in INETBIB
http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/date1.html
und lesenswert von Louise Rumpf (BSB)
https://plus.google.com/u/0/112106557394814935278/posts/PToVFMuewMh
KlausGraf - am Montag, 9. Juli 2012, 14:40 - Rubrik: Open Access