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Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, hrsg. von Josef Dolle unter Mitarbeit von Dennis Knochenhauer. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2012. 4 Bände mit durchgehender Seitenzählung: LXVII, 2211 S. Ab 1.8.2012 116 Euro

Der Verlag hat mich gezwungen, die Ausgabe auf totem Holz - siehe dazu http://archiv.twoday.net/stories/97068979/ - im (Papp)-Schuber zu rezensieren. Ich hätte lieber PDFs besprochen, die nehmen keinen Platz in Regalen weg.

Mit der bibliographischen Erfassung solcher Veröffentlichungen in den deutschen Bibliotheken gehts bergab. Der Verlag gibt einen Gesamtumfang von 2248 Seiten an, was die Deutsche Nationalbibliothek übernimmt, obwohl ich bei der Addition von 67 und 2211 auf 2278 Seiten komme. Wer so "blöd" ist, sich mit Citavi etc. aus Bibliothekskatalogen zu bedienen, handelt sich eine eklatante Falschangabe (Gütersloh) des Erscheinungsorts ein, die auf die Deutsche Nationalbibliothek zurückgeht.

Die Ausgabe, die sicher hinreichend jubelnde Besprechungen erfahren wird, weil kritischer Sinn herzlich wenig in der Landesgeschichte verbreitet ist, enthält zwar unter anderem ein italienisches Geleitwort des damaligen Vatikan-Archivars, aber keinen Einleitungsteil, der die Grundzüge der klösterlichen Entwicklung skizziert. Für LaienleserInnen kommt das Werk also nicht in Betracht.

Ein ständiges Ärgernis ist das Hantieren mit dem Literaturverzeichnis, das ebenso wie der Orts- und Personenindex in den vierten Band gesteckt wurde, da nur Kurztitel (auch für die Lokalliteratur) angegeben werden.

Die einzelnen Beiträge sind nach einem festen Schema verfasst. Das Schema und ein Artikel über eine Johanniterkommende sind online:

http://kkg-lagerieste.de/app/download/5785771178/Kraienhorst_Lage-Johanniter.pdf

Die schlecht gepflegte Website des Projekts bietet immerhin als Download die Vorläuferwerke (Klosterlexika) von Hoogeweg 1908 und Streich 1986 an:

http://wwwuser.gwdg.de/~kloster/html/downloads.html


[Wie schäbig ist das denn: Offenbar aus Rache für diese Besprechung selbst das gemeinfreie Werk von Hoogeweg aus dem Netz zu nehmen! Aber glücklicherweise gibts dieses anderswo frei und ohne dass Prof. Dr. Peter Aufgebauer sich da einmischen kann:

http://archive.org/details/verzeichnisders00hooggoog ]

Auf Schritt und Tritt stellt man Fehler und inkonsequente Bearbeitung fest. So ist es ganz und gar verfehlt, die Karmeliterniederlassung des 15. Jahrhunderts in Appingen um 1200 einzuordnen (so auch in der chronologischen Liste S. XLII). Dergleichen darf einem verantwortungsbewussten Herausgeber nicht passieren!

Konzeptionelle Schwächen sind unübersehbar. Gern hätte man im Kopfteil eine Kurzübersicht, die das Allerwichtigste mitteilt. Aber wenn man bei Lamspringe wissen will, von wann bis wann die Kanonissen, von wann bis wann die Benediktinerinnen und von wann bis wann die Benediktiner ansässig waren, muss man den Artikel sichten.

Das geistige Leben der Konvente wird mit Füßen getreten: Entsprechende Leistungen können in der allgemeinen Darstellung (2.1) oder aber - optional! - im Sammelsurium 2.6: "Darstellung bestimmter Besonderheiten wie Ordensverleihungen, wissenschaftliche und künstlerische Leistungen, besondere Wirtschaftssysteme etc." untergebracht werden, nicht aber unter 2.4 ("kulturelle und spirituelle Leistungen"), wo ausschließlich über Schule, Hospitäler und Wallfahrten gehandelt werden darf. Für Bruderschaften ist gar nicht erst ein Gliederungspunkt vorgesehen.

Ob die BearbeiterInnen sich über die Konventsstärke auslassen wollten oder über die soziale Zusammensetzung des Konvents, war ihrer Kompetenz oder Inkompetenz überlassen. Daher vermisst man häufig diese Angaben. Auch sonst gibt keine durchgehenden Kennzahlen oder anderen Angaben (z.B. über Landstandschaft), die für Vergleichszwecke bzw. eine Art "Ranking" der Klöster brauchbar wären.

Es ist doch beschämend, dass eine aufschlussreiche und rare Quellenstelle zur Größe des Lilientahler Konvents - 1333 wurde die festgelegte Höchstzahl von 50 Nonnen überschritten - im Artikel zu Hude erscheint (S. 828), aber nicht im Artikel Lilienthal selbst.

Die Unterscheidung in Fließtext und listenartige Darstellung (im petitdruck) führt nicht selten zu überflüssigen Dubletten. Solche sind aber auch sonst anzutreffen, etwa S. 1358f., wo der gleiche Satz zweimal Verwendung findet.

Da auf Einheitlichkeit nicht sonderlich Wert gelegt wurde - was soll dann das Bearbeitungsschema, das die Lektüre stört?

Sicher ist es gut gemeint, einen Punkt 4.2.8 "Alte Inschriften" (wer käme auf den Gedanken, hier neue zu suchen?) aufzunehmen, aber wenn da jeder Bearbeiter sein eigenes Süppchen kocht (nicht einmal die Heideklöster sind in dieser Hinsicht einheitlich, obwohl es einen Band in den "DI" gibt), dann ist die entsprechende Angabe nutzlos, da man durch Auswertung dieses Punktes sich keineswegs einen verlässlichen Überblick über den Inschriftenbestand oder gar die Schwerpunkte der Überklieferung in den niedersächsischen Klöstern verschaffen kann.

Angesichts vieler Bearbeiter und mangelhafter Redaktionstätigkeit wundert es nicht, wenn man auf schlecht lesbare hölzerne Artikel stößt (z.B. S. 180, 1101), auf falsches Latein (S. 1216 "fuat", S. 1322 "monsterii", richtig aber S. 1323 "monasterii") und andere Peinlichkeiten (S. 620 der Evangeliar, S. 312 der Autograph). Die ab 1781 in Osnabrück tätigen Franziskanerkonventualen waren zur Leitung der "mittelalterlichen Domschule" verpflichtet (S. 1230) - wann endete eigentlich das Mittelalter?

In vielen Fällen werden wichtige Fakten aus der geistigen Kultur der Konvente unterschlagen oder allzu peripher berücksichtigt. So hätte der nur ganz kurz erwähnte Fischbecker Wandteppich auch mit ein paar Worten mehr in die allgemeine Geschichte gehört, ebenso wie die Heininger Philosophiedecke (mit Konventsliste!). Die einschlägige Studie zu den Heininger Textilinschriften von Eisermann 1996 fehlt im Literaturverzeichnis!

Dass man einen Artikel über das Hildesheimer Michaelskloster schreiben darf, ohne Henning Rose zu erwähnen, glaube ich nicht. S. 1379 hätte auch Alexander von Stade genannt werden müssen. "3.4.6 Pohle, Cronica" (S. 558) ist nur ein besonders krasses Beispiel für eine immer wieder begegnende Vernachlässigung der historiographischen Leistungen. Wann Pohle seine Chronik schrieb und was es mit ihr auf sich hat, erfährt man aus dem Klosterbuch nicht.

Völlig uneinheitlich sind die Teile zu den Handschriften bzw. zum Bibliotheksbestand. Mal werden alle aufgelistet, mal bleibt der Umfang des erhaltenen Bestands völlig offen. Bei den Inkunabeln ist Needhams IPI unbekannt (so hätte man eine nach Paris gelangte Inkunabel aus Hude erwähnen können). Krämers durch und durch fehlerhaftes Handschriftenerbe ist nur in der Druckausgabe, nicht aber in der Datenbankversion benutzt.

Korrekte Angaben über die Zerstreuung der Bibliothek von Frenswegen sucht man vergebens. Es wäre angemessen gewesen, die Ergebnisse der Rekonstruktion der Klosterbibliothek durch Irene Stahl in 1-2 Sätzen zusammenzufassen.

S. 620 wird ein in der kunsthistorischen Forschung wiederholt diskutiertes Evangeliar, das im 15. Jahrhundert sich in Heiningen befand, mit falscher Signatur (nämlich ohne das "Add") der British Library angeführt und ohne Erwähnung des anderen Teils, der in der Pierpont Morgan Library in New York liegt.

Über Bibliothekskataloge wird man kaum unterrichtet, obwohl die Existenz solcher Kataloge nicht weniger wichtiger ist als die bestimmter Archivaliengattungen, für die eigene Gliederungspunkte vorgesehen sind.

Bei einem solchen Nachschlagewerk erwarte ich, dass die Literaturangaben aus der allgemeinen Sekundärliteratur unbedingt einheitlich sind, dass also die Redaktion darauf achtet, dass allgemeine Nachschlagewerke konsequent zitiert werden. Allein, man hat das hier den Bearbeitern überlassen, die also selbst entscheiden durften, ob sie das LThK, das Lexikon des Mittelalters, das Handbuch der historischen Städten usw. zitieren wollten. Vom allzu selten herangezogenen DHGE ganz zu schweigen.

Es ist ein gravierender Mangel, wenn die Liste der Säkularkanonikerstifte Wendehorst/Benz (2. Auflage 1997) so gut wie nie zitiert wird und die 1996 von ihnen veröffentlichte Liste der Chorherrenstifte

http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00048846/image_15

nicht einmal im Literaturverzeichnis erscheint. Wenn eines der maßgeblichen neueren Nachschlagewerke für die Stifte nicht zitiert wird und womöglich dem Herausgeber gar nicht bekannt ist, berechtigt aus meiner Sicht schon allein dieser Umstand, den Stab über das neue Sammelwerk zu brechen.

Es ist unverzeihlich, dass der Artikel von Helmut von Jan im Monasticon fratrum vitae communis (den Streich 1986 noch aufführte!) bei den Hildesheimer Fraterherren (die Bezeichnug Kugelherren nur bei Streich) fehlt.

Die eitle Verfasserin des Artikels Börstel nennt zwar im Haupttext das von ihr verfasste Aktenrepertorium, verzichtet aber im Literaturverzeichnis auf wichtige Werke zugunsten eigener Artikel. Zu nennen gewesen wären mindestens die Monographie von Heutgen 1968, die Arbeit von Delbanco über die Börsteler Rückvermerke und der bauhistorische Aufsatz von Hurst.

Uffmanns Rosengarten - http://archiv.twoday.net/stories/5892949/ - wäre auch bei Ebstorf, Heiningen und Lüne anzuführen gewesen. Bei Ebstorf fehlt auch Uffmanns Aufsatz zur Nonnenbildung. Bei Hilwartshausen erscheint Uffmann unter den Literaturangaben, aber es geht doch ganz und gar nicht an, dass nicht explizit auf das ja doch wohl höchst aufschlussreiche Faktum aufmerksam gemacht wird, dass im Schwesternbuch des niederländischen Diepenveen ausführlich über die Geschichte Hilwartshausens berichtet wird. Die Ausgabe von Brinkerink des Schwesternbuchs (nach der Uffmann wohl zitiert) wäre also unter den gedruckten Quellen zu nennen gewesen.

Beim Braunschweiger Ägidienkloster kann man nicht von einer soliden Bibliographie sprechen, wenn die Ausgabe von Hänselmann und die Aufsätze von Herbst (zum geistigen Leben) und Nass (zur Auctor-Verehrung) fehlen. Beim Franziskanerkloster Lüneburg vermisse ich den Eintrag zur Ratsbücherei Lüneburg im Fabiand-Handbuch.

Geradezu schändlich ist das Fehlen eines Heiligenregisters (Reliquien, Patrozinien, Heiligenfiguren). Wer wissen möchte, wo es eine Adelgundisreliquie gab - viel Spaß beim Durchlesen von über 2200 Seiten!

Natürlich kann man über einzelne Fehler hinwegsehen, aber bei längeren Artikeln halte ich Nachschlagewerke wie das vorliegende für wertlos, da keine Einzelnachweise gegeben werden. Unbelegtes Wissen ist wertloses Wissen. Nur ganz ausnahmsweise werden (z.B. S. 130) die Quellen für die Listen der "Institutsvorstände" (so denkbar hölzern die Bezeichnung für die LeiterInnen) angegeben. Woher stammen die Einzelangaben? Sind sie aus der Literatur abgeschrieben oder aus den Quellen erarbeitet? Nur weil man sich angewöhnt hat, gedruckte Klosterlexika ohne Anmerkungen unters Volk zu werfen, darf man Forschern zumuten, teilweise erheblichen Suchaufwand nach der Quelle eines Details zu betreiben?

Vergreiste Landeshistoriker und junge Privatdozenten, die nie mit dem Internet umzugehen gelernt haben, mögen solchem Schabernack noch etwas abgewinnen können. Für mich steht fest, dass ein laufend aktualisierbares Online-Nachschlagewerk unter freier Lizenz wie die Wikipedia (das größte - mehr oder minder brauchbare - deutsche Klosterlexikon) ein solches gedrucktes Nachschlagewerk um Längen schlägt. Dass man hier zur völlig veralteten Druckversion gegriffen hat, ist absolut unentschuldbar und beweist nur, dass man in Göttingen nicht das geringste von den Anforderungen an die Wissenschaft im digitalen Zeitalter begriffen hat.

- Es gibt keine Volltextsuche (was bei Angaben, die nicht über den Index erschlossen sind, zur Gesamtlektüre zwingt, siehe Adelgundis)

- Es gibt keine Bilder zu den einzelnen Klöstern (während die Wikipedia oftmals viel besseres als die stets angeführten schlechten SW-Fotos von www.fotomarburg.de zu bieten hat)

- Es gibt keine Einzelnachweise, während Wikipedia-Artikel mehr und mehr solche bieten.

- Es gibt keine Links zu Digitalisaten von Quellen und Sekundärliteratur (während die Wikipedia oder Wikisource

http://de.wikisource.org/wiki/Kloster_Wienhausen

solche bequem anklickbar bieten können)

- Es gibt keine Querverweise mittels Hyperlink (und fast keine konventionellen Querverweise)

Angesichts der angeführten durchaus gravierenden Mängel, die in gerade mal zwei Tagen von mir festgestellt wurden (länger liegt mir der Schuber nicht vor), stufe ich das neue Niedersächsische Klosterbuch als schlechtes Nachschlagewerk ein und rate vom Kauf ausdrücklich ab.

Anon (Gast) meinte am 2012/07/16 09:27:
Die korrekte und aktuelle Adresse der Klosterbuch-Homepage lautet anders als im Text angegeben:

http://klosterbuchniedersachsen.uni-goettingen.de/ 
ladislaus (Gast) meinte am 2012/07/16 11:56:
Die Downloads unter http://wwwuser.gwdg.de/~kloster/html/downloads.html funktionieren leider nicht mehr. 
 

twoday.net AGB

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