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rchivierende sind selten Thema poetischer Reflexion im Medium der Lyrik. Um so dankbarer bin ich Herrn Contributor Thomas Wolf, dass er für diesen Adventskalender ein Gedicht von Jörn Pfennig beigesteuert hat. In der adventlichen Zeit der Rückbesinnung und Neuorientierung bietet dieses Gedicht den Archivierenden Ansatzpunkte für eine gewinnbringende Selbstreflexion - jenseits des oberflächlichen Amüsements, schreibt Wolf.

Der Archivar

Dem Archivar
war ziemlich klar
dass das, was er so sammelte
unbemerkt vergammelte.
Doch weil er war
wie er war
ein wahrer Archivar
sammelte er und sammelte
bis er selbst vergammelte.

 
***
Der Wikisource-Seite Archivwesen entnehme ich ein zweites Gedicht, das Christian August Clodius (1738-1784) schrieb:

Die Belagerung.

Ein Heer der Guelfen warf Bombarden ohne Zahl,
Schnell, wie der Blitz, und wirksam, wie sein Strahl,
Auf stolze Tempel, und auf marmorne Palläste
Der alten königlichen Veste.
„Um Gottes willen, rief der tapfre General,
Der Dohm ist schon im Brand, der Flammen Fluth strömt heller –
Eins rettet, das Archiv; – wo ist der Archivar?“
„Der Archivar?“ Der Archivar.
„Wo soll er seyn? Da, wo er immer war.“
„Und wo?“ Er sitzt. „Wo sitzt er denn?“ Im Keller.
„Was thut er da?“ Er löscht. „Wie kann das möglich seyn?“
„Was löscht er?“ Seinen Durst. „Womit?“ Mit Cypernwein.

Dulce est pro patria bibere.


Clodius
 
***
 
Tomi Ungerers Archivar-Bild bilde ich absichtlich nicht ab.

Übrigens kann man Herrn Archivarius Lindhorst ebenfalls in Wikisource begegnen. (Illustrationen)


Archivarius Lindhorst, gezeichnet von Jacob Landau (1917-2001) http://www.jacoblandau.org (via)

 
***
 

Ich habe Hoffnung, dass demnächst der 1921 erschienene Roman "Der Archivar" vom Archivar August Sperl (1862-1926) online in Düsseldorf einsehbar ist. (Wer nicht warten kann, muss mit einem US-Proxy HathiTrust konsultieren.) Aber wenigstens das gern zitierte Gedicht daraus ist auf Wikimedia Commons bereits jetzt verfügbar. Es beginnt mit den klassischen Zeilen:

Im kühlen Gewölbe, aufs Pult gebückt,
so weltverloren, so weltentrückt,
sitzet und forschet, wie manches Jahr,
also auch heute, der Archivar.


Eine Variante mit zusätzlicher Strophe, aber ohne Quellenangabe fand ich hier. Diese Version hat Sperl schon auf dem 12. Deutschen Archivtag in Würzburg 1912 vorgetragen, entnehme ich der Wiedergabe in einer Potsdamer Diplomarbeit (PDF).

Sperl wurde hier bereits einmal erwähnt:
http://archiv.twoday.net/stories/3452791/

Alle Türlein:
http://archiv.twoday.net/search?q=adventskalender+(t%C3%BCrlein
FeliNo (Gast) meinte am 2010/12/19 01:20:
Welch hübsches Türlein zur Nacht! Der Archivar, verschrumpelt wie das von ihm gehütete Kulturgut, geht buchstäblich und zeichenstiftlich "über Leichen"...;-)

http://www.youtube.com/watch?v=XlbB1pD3y0A 
 

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